KZ Lieberose

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Denkmal von 1973

Das Konzentrationslager Lieberose im Dorf Jamlitz in der Nähe der Stadt Lieberose war ein 1943 errichtetes Nebenlager des KZ Sachsenhausen. Es lag ca. 30 km nördlich von Cottbus in der Niederlausitz im heute brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald.

In dem Konzentrationslager wurden ab Frühsommer 1944 jüdische Menschen inhaftiert. Schätzungen gehen von bis zu 10.000 Menschen aus zwölf europäischen Ländern, vor allem aus Polen und Ungarn aus. Von ihnen überlebten vermutlich weniger als 400.

Im Lagerkomplex Auschwitz wurden die inhaftierten Menschen als Zwangsarbeiter für Jamlitz-Lieberose rekrutiert. Kranke und entkräftete Häftlinge wurden in Sammeltransporten nach Auschwitz zurückgebracht, um sie dort zu ermorden. Aufgrund der in Lieberose praktizierten Vernichtung durch Arbeit und durch die Verknüpfung mit den Vernichtungslagern kann das Außenlager Lieberose als ein Ort der Shoah angesehen werden.[1]

Die Zwangsarbeit der Gefangenen wurde zur Errichtung umfangreicher Militäreinrichtungen eingesetzt. Das SS-Führungshauptamt ließ Kasernen, Straßen und militärische Anlagen für den Waffen-SS-Truppenübungsplatz Kurmark errichten. Der Truppenübungsplatz umfasste eine Fläche von 38.854 Hektar. Zu seiner Errichtung sollten 17 Dörfer zwangsumgesiedelt werden, was allerdings nicht passierte.

Haftbedingungen

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Stein am Lagereingang des KZ Außenlagers Lieberose in Jamlitz

Ab Juni 1944 erreichten monatlich Transporte mit jüdischen Häftlingen das Lager. Hinzu kamen immer wieder kleinere nichtjüdische Häftlingsgruppen aus dem KZ Sachsenhausen. Die höchste so genannte Belegung erreichte das KZ mit etwa 4.350 Häftlingen in 18 KZ-Baracken im Spätherbst 1944.[2]

Arbeitskommandos

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Größtes Arbeitskommando war das Kommando „Unterkünfte Ullersdorf“, wo etwa 1000 Häftlinge einen Kasernenkomplex aus Baracken und festen Gebäuden zu errichten hatten. Auf dem SS-Bauhof zwischen Bahnhof und Häftlingslager waren ca. 500 Häftlinge in Magazinen, Büros, Werkstätten, Lagern und Handwerkertrupps eingesetzt. Berüchtigt war das Kommando „Gleisbau Reckmann“ einer privaten Cottbuser Firma, die zugleich im Frühjahr 1944 das Gleis Nr. 3 an der Rampe im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verlegt hatte und um Jamlitz Straßen- und Gleisbau für die Waffen-SS betrieb. Es bestanden auch Kommandos „Holzfäller“, „Sägewerk“, „Bahnhof“, „Straßen- und Bunkerbau“.

Die politischen Häftlinge Otto Kriesche, ein sudetendeutscher Redakteur, und Herbert Simon aus Bremen waren zeitweise Lagerältester bzw. Arbeitseinsatzschreiber.[2] Weitere bekannte Häftlinge waren der Rabbiner Hugo Gabriel Gryn, Rudy Herz, der Arzt Hans Salomon Landshut, der Kaufmann und Kommunalpolitiker Peter Lütsches, der spätere Schriftsteller Gunther R. Lys und der Novemberrevolutionär Hermann Stickelmann.

Mit Öffnung Moskauer Archive wurden der Forschung Dokumente zugänglich, die auf die Opferzahlen schließen lassen. Veränderungsmeldungen und Transportlisten nennen Namen, Herkunft, Berufe und Geburtsdaten. Demnach waren die meisten Häftlinge ungarische, polnische und deutsche Juden. Daneben fanden sich auch sowjetische Kriegsgefangene. Bis zu 10.000 Häftlinge gingen durch das Lager.

Jeden Tag starben rund 30 KZ-Insassen an Krankheitsfolgen und Unterernährung. Insgesamt 4000 entkräftete Häftlinge sind ab Sommer 1944 zur Vernichtung ins KZ Auschwitz-Birkenau gebracht worden.[2]

Lagerleiter Wilhelm Kersten auf einer Tafel der Gedenkstätte Jamlitz

Lagerleiter war Wilhelm Kersten (SS-Hauptscharführer). Das SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) stellte die Lager-SS, die „Zentralbauleitung der Waffen-SS und Polizei Kurmark“ das technische Personal für die Bauvorhaben.

Standortkommandant für den SS-Truppenübungsplatz Kurmark war Standartenführer Alexander Fick. Den Bauhof leitete Obersturmführer Heinrich Köhlinger.[3]

Einer der berüchtigten Todesmärsche von KZ-Häftlingen ging im Februar 1945 von hier in Richtung Oranienburg (KZ Sachsenhausen) und dauerte acht Tage. Der Marsch wurde durch Goyatz, Kuschkow, Teupitz, Zossen, Ludwigsfelde, Potsdam und Falkensee geleitet, wo unterwegs entweder auf freiem Feld, in Scheunen, Ställen oder in verlassenen Lagern und Kasernengebäuden übernachtet wurde.

Genau 1342 Kranke und Nicht-Transportfähige waren von der SS vor Ort zurückgelassen worden. Von ihnen hat vermutlich keiner überlebt. Es waren meist ungarische Juden, die zwischen dem 2. und 4. Februar 1945 von der Wachmannschaft der SS ermordet wurden. Die Leichen wurden zur Kiesgrube Staakow gebracht. Häftlinge mussten die Toten vergraben, anschließend wurden sie ebenfalls ermordet.[4]

Der Todesmarsch erreichte am 9. Februar das KZ Sachsenhausen, wo in den nächsten Tagen etwa 400 jüdische Häftlinge auf dem Industriehof getötet wurden. Im Laufe des Februar evakuierte die SS die restlichen ca. 1000 jüdischen Häftlinge ins KZ Mauthausen.

Ein Lagerstein von 1944 markiert den früheren KZ-Lagereingang unmittelbar an der Straße des heute mit Wohnbebauung übersiedelten Gebiets.[5]

Urnengrab

Nachdem 1971 bei Staakow ein Massengrab mit Gebeinen von 577 dort wahrscheinlich ermordeter Menschen entdeckt worden war, wurde 1982 einige Kilometer entfernt in der Stadt Lieberose ein Museum errichtet. Die Überreste der Toten wurden in einem Urnengrab ebenfalls in Lieberose beigesetzt, wo es seit 1973 eine Gedenkstätte gibt.[6]

Museum, Gedenkstätte beim Friedhof Lieberose

In Jamlitz wurden die letzten Zeitzeugnisse beseitigt (Lagerstein, Torpfeiler). Von 1973 bis zum Ende der DDR 1990 erinnerte in Jamlitz nichts an dieses Lager. Anfang der 1970er Jahre entstanden durch die Arbeit einer Schülerarbeitsgemeinschaft an der Lieberoser Schule mit ihrem Lehrer Roland Richter eine größere Materialsammlung und erste Kontakte zu Überlebenden des Lagers.

Nördlich von Lieberose, im Winkel der Bundesstraßen 168 und 320, befindet sich das 1973 eingeweihte Mahnmal für das von 1943 bis 1945 dort bestehende Nebenlager.

Seit 2003 erinnern Gedenksteine und Stelen auf dem ehemaligen KZ-Gelände an die Opfer, die bereits gefunden wurden.

Unter Berücksichtigung der Zahl der bereits gefundenen Leichen ergab sich die Vermutung, dass noch immer über 700 meist jüdische Tote in Lieberose-Jamlitz verscharrt sein müssten. Es handelt sich dabei vermutlich um das größte bisher nicht gefundene Massengrab der Shoah auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.[7] Nach langjährigen Gerichtsverfahren und Verhandlungen mit dem Eigentümer der Flächen konnte ein möglicher Grabort erst im Mai 2010 untersucht werden.[8] Am 14. Juni 2010 wurden die Grabungen mit der Erkenntnis eingestellt, dass die bisherigen Verdachtsflächen keine Grabflächen beinhalten. Es konnten nur gesicherte Erkenntnisse zur Lage des sogenannten „Schonungsblocks“ gewonnen werden. Weitere Verdachtsflächen oder Hinweise darauf liegen derzeit in Jamlitz nicht vor.[9]

Jürgen Brodwolf schuf 1990 die Installation Lieberose.[10] Sie besteht aus Eisenblech, Pappe, Gaze, Asphalt, Wachs und 75 geografischen Kartenblättern, hat eine Größe von etwa 2,5×3×4 m³ und steht im Märkischen Museum Witten. Die Kunstpublizistin Susanne Wedewer beschreibt sie so:

Auf einem länglichen Tisch liegen scheinbar achtlos übereinandergeworfene ‚Leiber‘, Papp-Gaze-Figuren, ummantelt mit Wachs und Asphalt. Jede von ihnen trägt eingebrannt einen Nummernstempel. Jede Nummer: ein Schicksal. An den Wänden hängen Archivkästen mit 75 Karteiblättern, auf denen der Todesmarsch von 3500 Juden von Lieberose nach Sachsenhausen dokumentiert ist mit Daten, Zahlen, Ortsnamen … Die Neugierde verleitet dazu, die Blätter herauszunehmen, jedes einzelne – einem Zwang gehorchend, sich zu stellen, nicht zu gehen wie vielleicht so oft. Gleichwohl läßt sich auch hier der Tod in bewährter Manier verdrängen, lassen sich die heraufbeschworenen Bilder wieder sorgfältig unter Verschluß bringen, denn sie gehören ja angeblich der Vergangenheit an.[11]

Auf dem gleichen Gelände befand sich zwischen 1945 und 1947 das sowjetische Speziallager Nr. 6 (auch Speziallager Jamlitz) mit 7.600 bis 10.300 Häftlingen, die als Funktionsträger des NS-Regimes oder entsprechend verdächtigte Personen inhaftiert worden waren.

Eine knappe Darstellung der Aufarbeitungsgeschichte des Konzentrationslagers durch das DDR-Ministerium für Staatssicherheit über die Nachkriegsjahrzehnte findet sich bei der Zeitschrift Horch und Guck des Bürgerkomitees 15. Januar.[12] Dort wird auf die Problematik hingewiesen, dass ein KZ-Standort auch Ort eines NKWD-Internierungslagers in Deutschland geworden war. Die KZ-Häftlinge wurden immer wieder als „politische“ Häftlinge (und eben nicht als rassistisch Verfolgte) dargestellt.

Einzelnachweise

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  1. Günter Morsch: Wissenschaftliche Forschungen zur Geschichte der Konzentrationslager. Die Mordaktion vom 2.-4. Februar 1945 im Außenlager Lieberose des KZ Sachsenhausen, in: ders., Die Bedeutung der Archäologie für die historische Forschung, für Ausstellungen, pädagogische Vermittlung und Neugestaltung in den NS-Gedenkstätten, in: Archäologie und Gedächtnis. NS-Lagerstandorte erforschen, bewahren, vermitteln, hg. von Thomas Kersting u. a., Petersberg 2016, ISBN 978-3-7319-0470-0, S. 17–29, S. 19.
  2. a b c Andreas Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82
  3. Andreas Weigelt,in: Gedenkstättenrundbrief 82
  4. Vergleiche das Verfahren gegen Erich Schemel. Zusammengefasst bei Andreas Weigelt, in: Gedenkstättenrundbrief 82
  5. 1949 wurde bei Aufräumarbeiten auf dem Lagergelände der von einem ungarischen jüdischen Häftling behauene und als „Lagerstein“ bezeichnete Findling mit der Aufschrift „Arbeitslager Lieberose 1944“ entdeckt und 1956 auf Veranlassung des Bürgermeisters Werner Mocho etwa am ehemaligen Lagereingang als „Mahnmal“ wieder aufgerichtet. Er diente fortan als einzige Stätte für Kranzniederlegungen und Gedenkveranstaltungen, 1965 auf Ministerebene. (Der Stein wurde im September 1971 – wenige Tage vor Grundsteinlegung des Lieberoser Mahnmals – auf Anordnung des Rates des Bezirkes Frankfurt/Oder entfernt und auf die Burg Beeskow geschafft. Er kehrte erst 1990 auf Betreiben von Jamlitzer Einwohnern zurück.) Andreas Weigelt in Gedenkstättenrundbrief 82
  6. Der Ort liegt nur wenig östlich von Jamlitz und gehört zu Schenkendöbern (Ortsteile in der Nähe sind Pinnow / Pynow und Staakow am Rande der Reicherskreuzer Heide). Allerdings wurde das Zahngold der Verstorbenen nicht mit ihrer Asche bestattet. Jüdische Bestattungsriten wurden nicht beachtet. Vgl. Weigelt, 2006
  7. Suche nach KZ-Massengrab endet erfolglos. In: Morgenpost. 13. Mai 2009
  8. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 18. August 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mi.brandenburg.de Ministerium des Innern Brandenburg (MI), Pressemitteilung Nr. 061/2010 vom 31. Mai 2010 über die Suchgrabungen nach dem Massengrab jüdischer KZ-Opfer in Jamlitz.
  9. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 18. August 2010 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.mi.brandenburg.de Ministerium des Innern Brandenburg (MI), Pressemitteilung Nr. 070/2010 vom 23. Juni 2010 über die Ergebnisse der Suchgrabungen nach dem Massengrab jüdischer KZ-Opfer in Jamlitz.
  10. Lieberose. sikart.ch
  11. Susanne Wedewer: Die Tubenfigur ist das Thema Tod. In: Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst. Ausgabe 30, München 1995, S. 10 und Abb. 12 auf S. 13.
  12. Andreas Weigelt: Konspirativ gelenktes Gedenken. Das Beispiel des KZ-Außenlagers Lieberose. In: Horch und Guck. Heft 54/2006, S. 34–38. Stichworte darin sind: … begann 1945. Der als Monteur einer Cottbuser Elektrofirma zum Mordzeugen gewordene Kommunist Otto Maaß hatte im Sommer 1945 für das NKWD einen Bericht über den Massenmord und die Täter verfaßt.4 Maaß wurde jedoch kurz darauf vom NKWD verhaftet, ohne Beweise des Mordes an den Häftlingen beschuldigt, im Speziallager Jamlitz interniert, jedoch 1950 als zu Unrecht verhaftet aus Buchenwald entlassen.5 … 1968 war der SED-Chronist Richard Schulz aus Beeskow von der Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Bezirksleitung Frankfurt (Oder) der SED beauftragt worden, u. a. den antifaschistischen Widerstand im Bezirk zu erforschen, und stieß bald auf das Lager.13 … Eine erste MfS-Information über „vermutliche Massengräber sowjetischer Bürger“ leitete im Januar 1971 Untersuchungen der Abteilung IX/11 ein. Bemerkenswerterweise wurden die Opfer als „sowjetische Bürger“ bezeichnet, obwohl davon bisher keine Rede war. … Zwischen dem 5. und 18. Mai 1971 exhumierte das Institut für gerichtliche Medizin Dresden die 577 Gebeine. … Der Stein verschwand am 10. September 1971, zwei Tage vor Grundsteinlegung für das Lieberoser Mahnmal.30 Bis 1995 erinnerte in Jamlitz nichts an das zweitgrößte Außenlager des KZ Sachsenhausen. Der Stein lag Jahrzehnte zwischen Müllfahrzeugen auf der Burg Beeskow. … forderte das Antifa-Komitee im März 1973 das Gegenteil, nämlich „die zwei Torpfeiler des ehemaligen Lagertores zu beseitigen“.39 Sie sind bald darauf mit einem Traktor „beseitigt“ worden. … Der beileibe nicht einfache Umgang mit der Doppelgeschichte eines KZ-Geländes, wie sie auch in Sachsenhausen und Buchenwald gegeben war, hat offenbar in Jamlitz schon 1971 begonnen. Bis dahin war relativ ungestört von politischen Erwägungen und Ängsten am historischen Ort der jüdischen Opfer des Außenlagers Lieberose gedacht worden – ohne Mahnmal und ohne Museum. 1999 erschien ein Aufsatz zur Aufarbeitungsgeschichte44, auf den die Medien 2001 aufmerksam wurden.45 Im Mittelpunkt des teilweise internationalen Interesses stand die Entnahme des Zahngoldes durch das MfS.
Commons: Gedenkstätte Arbeitslager Lieberose – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 51° 59′ 24,8″ N, 14° 21′ 55″ O