Koala-Retrovirus

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Koala-Retrovirus
Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Riboviria[1]
Reich: Pararnavirae[1]
Phylum: Artverviricota[1]
Klasse: Revtraviricetes[1]
Ordnung: Ortervirales
Familie: Retroviridae
Unterfamilie: Orthoretrovirinae
Gattung: Gammaretrovirus
Art: Koala retrovirus[1]
Taxonomische Merkmale
Genom: (+)ssRNA linear, 8431 Nukleotide
Baltimore: Gruppe 6
Symmetrie: komplex
Hülle: behüllt
Wissenschaftlicher Name
Koala retrovirus
Kurzbezeichnung
KoRV
Links

Das Koala-Retrovirus (englisch Koala retrovirus),[2] abgekürzt als KoRV, ist ein behülltes Virus, das zur Familie der Retroviren und zur Gattung Gammaretrovirus gehört und nur Koalas (Phascolarctos cinereus) infiziert und das Koala-Immunschwäche-Syndrom (englisch koala immune deficiency syndrome, KIDS) auslöst – ähnlich wie HIV beim Menschen die Immunschwäche AIDS verursacht.[3] Wie alle Retroviren nistet es sich dauerhaft in das Erbgut der Wirtszellen ein.[4] Das KoRV nistet sich dabei auch in die Keimzellen der Beutelbären ein.[3] Das Virus kann daher sowohl als exogenes Virus horizontal (von Tier zu Tier im klassischen Sinne) als auch vertikal (endogen, von Eltern zu Nachkommen als Gen) übertragen werden. Die horizontalen Übertragungswege sind nicht genau bekannt, aber es wird angenommen, dass sie engen Kontakt erfordern.[5]

Infolge der Immunschwäche werden weitere Infektionen erleichtert, vor allem durch Chlamydien.[6] Die Tiere sterben oder erblinden in Folge der Chlamydieninfektion oder werden unfruchtbar. Auch erleichtert eine Infektion mit dem Virus Erkrankungen wie Leukämie, Lymphome und Krebs im Allgemeinen.

Untersuchungen haben gezeigt, dass einige Koalapopulationen, insbesondere eine isolierte Kolonie auf Kangaroo Island, die endogene Form des Retrovirus nicht zu haben scheinen. Man geht daher davon aus, dass es sich bei dem Virus um ein kürzlich eingeführtes exogenes Virus handelt[5] und Gen-Sequenz des endogenen Virus eine Neuigkeit im Koala-Genom ist. Die Prävalenz von KoRV (und KIDS) in australischen Koala-Populationen deutet auf einen Trend hin, der sich vom Norden in den Süden Australiens ausbreitet.[5][3] Der nördliche Teil der Population ist nahezu vollständig infiziert, während im Süden viele Gebiete (einschließlich Kangaroo Island) noch ohne das Virus sind.[7]

In Queensland wurden 80 % der Todesfälle von in Gefangenschaft lebenden Koalas aufgrund von Leukämie, Lymphomen, bösartigen Tumoren und Immunschwächekrankheiten auf das Virus zurückgeführt. Im Jahr 2008 sagte der leitende Forscher Jon Hanger, das Virus sei eine Bedrohung, die innerhalb von 15 Jahren leicht zum Aussterben der Koalas in Queensland führen könnte.[8]

Forschungsgeschichte

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Der Begriff Koala-Retrovirus wurde ursprünglich eingeführt, um sich auf ein damals noch nicht identifiziertes Onkovirus zu beziehen, das bei an Krebs erkrankten Koalas nachgewiesen wurde.[9]

Die Analyse der endogenen viralen DNA-Sequenz zeigte intakte offene Leserahmen und pathogene DNA-Motive, was stark darauf hindeutete, dass KoRV ein aktiv replizierendes endogenes Retrovirus ist, das auch infektiöse Virionen produzieren kann, also exogen (mit RNA-Genom) werden kann.[5]

Im Jahr 2013 wurde ein ausschließlich exogener Subtyp von KoRV identifiziert und als KoRVB bezeichnet (wobei die endogene Form von KoRV als KoRVA bezeichnet wird). KoRVA nutzt das ubiquitäre (auf allen Zelltypen der Koalas vorkommenden) SLC20A1 als viralen Rezeptor, während KoRVB über SLC19A2 infiziert, das nur auf einer begrenzten Anzahl von Zelltypen (und nicht auf Keimbahnzellen) zu finden ist. Daher wird KoRVB exogen bleiben und pathogener sein als KoRVA, weil die schädlichen Effekte, die es als rein exogenes Virus in seinen Wirten verursacht, nicht in dem Maße gegen sie selektiert werden, wie es bei einem potentiell endogenen Virus der Fall wäre, das sich in die Keimbahn integrieren kann.[10] Das weitere Studium von KoRV verspricht wertvolle Einblicke in die Entwicklung, Evolution und den Einbau von endogenen Retroviren in Säugetiergenome zu ermöglichen.[7][11]

Nach seiner Entdeckung war KoRV am nächsten verwandt mit dem Gibbonaffen-Leukämievirus (en. Gibbon ape leukemia virus, GALV), ebenfalls ein Gammaretrovirus.[12] Die genaue Herkunft in Australien und wie es dazu kam, dass Koalas und Gibbons so ähnliche Viren teilen war aber zunächst unklar. Inzwischen wird vermutet, dass hier (ähnlich wie bei einigen Coronaviren) Fledertiere (Fledermäuse und Flughunde[13]) – ein natürliches Reservoir für derartige Viren darstellen. In der Gruppe der KoRV-ähnlichen Gammaretroviren (en. „KoRV-related virus“ – etwa im Rang einer Untergattung) wurden die phylogenetischen Beziehungen u. a. folgender Mitglieder untersucht:[14]

  • Gibbonaffen-Leukämievirus (en. Gibbon ape leukemia virus, GaLV)
  • Hipposideros larvatus gammaretrovirus“ (HGRV, infiziert Hipposideros larvatus, zu Altwelt-Rundblattnasen)[15]
  • Rhinolophus hipposideros gammaretrovirus“ (RhGRV, infiziert Rhinolophus hipposideros, Kleine Hufeisennase)[16]
  • Hervey pteropid gammaretrovirus“ (HPG/HPGV, infiziert Pteropus alecto, Schwarzer Flughund)[17]
  • Macroglossus minimus gammaretrovirus“ (MmGRV, infiziert Macroglossus minimus, Zwerg-Langzungenflughund)[18]
  • Syconycteris australis gammaretrovirus“ (SaGRV, infiziert Syconycteris australis, Australischer/Gemeiner Blütenflughund, vgl. Mooswald-Blütenflughund)[19]

Anmerkung: Vorgeschlagene Mitglieder sind in Anführungszeichen gesetzt. Die anderen (wie KoRV und GaLV) sind mit Stand Januar 2021 vom Internationalen Komitee zur Virustaxonomie (ICTV) offiziell bestätigt.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e ICTV: ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35)
  2. Koala retrovirus
  3. a b c Rachael E. Tarlinton: Koala Retrovirus Endogenisation in Action. In: G. Witzany (Hrsg.): Viruses: Essential Agents of Life. Springer, 2012, ISBN 978-94-007-4899-6, S. 283–291, doi:10.1007/978-94-007-4899-6_14.
  4. Rachael E. Tarlinton, J. Meers, P. Young: Biology and evolution of the endogenous koala retrovirus. In: Cellular and molecular life sciences : CMLS. Band 65, Nummer 21, November 2008, S. 3413–3421, ISSN 1420-9071. doi:10.1007/s00018-008-8499-y. PMID 18818870.
  5. a b c d O. Olagoke, B. L.Quigley, M. V. Eiden, P. Timms: Antibody response against koala retrovirus (KoRV) in koalas harboring KoRV-A in the presence or absence of KoRV-B. In: Scientific Reports. Band 9, Nr. 1, 27. August 2019, ISSN 2045-2322, S. 12416, doi:10.1038/s41598-019-48880-0, PMID 31455828, PMC 6711960 (freier Volltext) – (englisch).
  6. Rachel E. Tarlinton, J. Meers, P. R. Young: Retroviral invasion of the koala genome. In: Nature. Band 442, Nummer 7098, Juli 2006, S. 79–81, ISSN 1476-4687, doi:10.1038/nature04841. PMID 16823453.
  7. a b Jonathan P Stoye: Koala retrovirus: a genome invasion in real time. In: Genome Biology. Band 7, Nr. 11, 21. November 2006, S. 241, doi:10.1186/gb-2006-7-11-241, PMID 17118218, PMC 1794577 (freier Volltext).
  8. R. Beeby: AIDS-like virus threatens Qld koalas. In: The Canberra Times. Fairfax Media, 4. Juli 2008, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Januar 2010; abgerufen am 15. Mai 2010.
  9. E. S. Williams, I. K. Barker (Hrsg.): Infectious diseases of wild mammals. § Retrovirus infections. 3. Auflage. Blackwell, Ames, Iowa 2001, ISBN 0-8138-2556-3, S. 219 (google.com).
  10. W. Xu, C. K. Stadler, K. Gorman, N. Jensen, D. Kim, H. Zheng, S. Tang, W. M. Switzer, G. M. Pye, M. V. Eiden: An exogenous retrovirus isolated from koalas with malignant neoplasias in a US zoo. In: Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A. Band 110, Nr. 28, 9. Juli 2013, S. 11547–11552, doi:10.1073/pnas.1304704110, PMID 23798387, PMC 3710800 (freier Volltext).
  11. W. Xu, M. Eiden: Koala Retroviruses: Evolution and Disease Dynamics. In: Annual Review of Virology. Band 2, Nr. 1, 2015, S. 119–134, doi:10.1146/annurev-virology-100114-055056, PMID 26958909.
  12. J. J. Hanger, L. D. Bromham, J. J. McKee, T. M. O’Brien, W. F. Robinson: The nucleotide sequence of koala (Phascolarctos cinereus) retrovirus: a novel type C endogenous virus related to Gibbon ape leukemia virus. In: Journal of virology. Band 74, Nummer 9, Mai 2000, S. 4264–4272, ISSN 0022-538X. PMID 10756041, PMC 111943 (freier Volltext).
  13. Flying Fox Colonies - Tooan Tooan Creek, Charlton Esplanade between Taylor & Stephenson Sts, Pialba, Hervey Bay, QLD, auf: POI Australias. Siehe Graukopf-Flughund (Pteropus poliocephalus, en. Grey-headed flying fox).
  14. Joshua A. Hayward, Mary Tachedjian et al. Infectious KoRV-related retroviruses circulating in Australian bats. In: PNAS. Band 117, Nr. 17, 28. April 2020, S. 9529–9536; Epub 13. April 2020, doi:10.1073/pnas.1915400117. Stammbaum: Fig. 2. Dazu:
  15. NCBI: Rhinolophus hipposideros gammaretrovirus (species)
  16. NCBI: Hipposideros larvatus gammaretrovirus (species)
  17. NCBI: Hervey pteropid gammaretrovirus (species)
  18. NCBI: Macroglossus minimus gammaretrovirus (species)
  19. NCBI: Syconycteris australis gammaretrovirus (species)