Kognitives Mischen

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Das kognitive Mischen ist eine kognitive Strategie, die dazu dient, den Beginn des Schlafs zu erleichtern, entweder beim ersten Einschlafen oder beim erneuten Einschlafen nach einem frühen Aufwachen. Das kognitive Mischen wurde von Luc P. Beaudoin, einem außerordentlichen Professor an der Simon Fraser University, entwickelt.[1][2][3][4] Die Methode basiert auf Beaudoins Theorie des menschlichen Schlafbeginnsteuerungssystems, der sogenannten somnolenten Informationsverarbeitungstheorie (englisch: somnolent information processing theory (SIP)). Diese Theorie besagt, dass geistige Störungen schlafhemmend sind, was bedeutet, dass sie den Schlafbeginn verzögern können.[1][5][6]

Serielles, diverses Vorstellen

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Das kognitive Mischen ist eine kognitive Strategie, bei der man für eine kurze Zeit (normalerweise alle 5–15 Sekunden) an ein neutrales oder angenehmes Ziel denkt und dann zu einem unzusammenhängenden Ziel wechselt.[7] Serielles, diverses Vorstellen (englisch: Serial diverse imagining (SDI)) ist eine Art des kognitiven Mischens, bei dem die Personen zwischen verschiedenen konkreten Bildern wechseln, wie zum Beispiel Personen, Orte, Handlungen und/oder Szenen.[7][8] Allerdings wird den Praktizierenden geraten, die mentalen Bilder nicht miteinander zu verknüpfen.[7] Eine Variante des SDI besteht darin, sich vorzustellen, wie man eine Zielperson, einen Ort, Dinge, eine Handlung und/oder eine Szene zeichnet.[1]

Beaudoin betrachtet das kognitive Mischen als eine neue Form der Meditation, da es die gezielte Kontrolle über die Gedanken erfordert, wobei es insbesondere um Meta-Kognition und meta-kognitive Kontrolle geht.[9]

Beaudoin hat außerdem zwei Formen des seriellen, diversen Vorstellens (SDI) unterschieden: technologieunterstütztes SDI und selbstgesteuertes SDI.[9] Beim technologieunterstützten SDI verwenden die Teilnehmer Software, um eine zufällige Reihenfolge von Wörtern zu generieren, die sie für eine konfigurierbare Anzahl von Sekunden (normalerweise 5–10 Sekunden) nacheinander vorstellen.[9] Wortsequenzen können auch durch Text-to-Speech-Technologie geliefert werden.[9] Im selbstgesteuerten SDI denken die Teilnehmer an ein Wort mit 5-12 Buchstaben. Jeder Buchstabe im Wort fungiert als Hinweisbuchstabe.[9][10][11] Für jeden Buchstaben stellen sich die Teilnehmer ein Ziel vor, das mit diesem Buchstaben beginnt, sowie eine Handlung, die mit dem Ziel verbunden ist, für 5–10 Sekunden.[9][10] Nachdem alle Buchstaben erschöpft sind, können die Teilnehmer neue Wörter generieren und die Übung fortsetzen, bis sie eingeschlafen sind.[9][10]

Pilotdaten zum SDI und zum kognitiven Mischen wurden mit der mobilen Schlaf-App SomnoTest gesammelt.[12]

Theorie der somnolenten Informationsverarbeitung

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Das kognitive Mischen basiert auf Beaudoins Theorie der somnolenten Informationsverarbeitung.[5][13]

Die Theorie der somnolenten Informationsverarbeitung postuliert die Existenz eines Schlafbeginn-Kontrollsystems, das sich evolutionär entwickelt hat, um sicherzustellen, dass das Einschlafen tendenziell dann erfolgt, wenn es evolutionär opportun (sicher, zeitgerecht) ist, einzuschlafen.[14] Die Theorie besagt, dass die Kontrolle der menschlichen Somnolenz (Schlafneigung) eine erhebliche evolutionäre Herausforderung darstellt, insbesondere aufgrund des übermäßig ausgeprägten Großhirns des Menschen.[5] Beaudoins Theorie legt fest, dass Somnolenz (Neigung zum Schlaf) als eine Funktion des Schlafbeginn-Kontrollsystems betrachtet wird.[5][14]

Externe Hinweise (wie physische Bedrohungen) und interne Mechanismen (wie Alarme oder mentale Störungen) werden als schlafhemmend betrachtet, was bedeutet, dass sie den Schlafbeginn tendenziell verzögern; oder als schlaffördernd, was bedeutet, dass sie den Schlafbeginn begünstigen; oder als schlafneutral, was bedeutet, dass sie keinen besonderen Einfluss auf den Schlafbeginn haben.[5][7][14][15]

Mentale Störung

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Wie bereits oben erwähnt, wird in der Theorie der somnolenten Informationsverarbeitung mentale Störung als schlafhemmend (insomnolent) betrachtet. Das Konzept der mentalen Störung (das in der Theorie der somnolenten Informationsverarbeitung verwendet wird) wurde ursprünglich von Aaron Sloman entwickelt, der es in seinen früheren Arbeiten als „Emotion“ bezeichnete.[16][17] Um dies von anderen Konzepten von Emotionen zu unterscheiden, führten Beaudoin und Sloman den technischen Begriff „Störung“ ein. Beaudoin bezeichnet das Konzept von Sloman als „Störung“.[18][5][1]

Eine mentale Störung beschreibt hier einen aufkommenden Geisteszustand, in dem ein beharrlicher Motivator dazu neigt, die exekutiven Funktionen zu kontrollieren.[5][19] Beaudoin behauptet, dass mentale Störung schlafhemmend ist und dass das kognitive Mischen in der Lage ist, die mentale Störung zu stören, wodurch es „gegen-schlafhemmend“ wird.[5] Gegen-schlafhemmende Prozesse sind Informationsverarbeitungsprozesse, die schlafhemmende Prozesse stören.[5]

Mobile Apps wie mySleepButton und SomnoTest wurden für das technologieunterstützte SDI, d. h. das kognitive Mischen, entwickelt.[20][21][22][23]

Die Apps helfen den Nutzern, SDI zu üben, indem sie ihnen Wörter und Bilder zur Vorstellung anbieten.[24][25][26]

Einzelnachweise

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  1. a b c d Ian Wright, Aaron Sloman, Luc P. Beaudoin: Towards a Design-Based Analysis of Emotional Episodes. In: Philosophy, Psychiatry, & Psychology. 3. Jahrgang, Nr. 2, 1996, ISSN 1086-3303, S. 101–126, doi:10.1353/ppp.1996.0022 (englisch, jhu.edu).
  2. Oliver Burkeman: Shuffle your thoughts and sleep In: The Guardian, 15. Juli 2016. Abgerufen am 16. November 2024 (britisches Englisch). 
  3. The Trick That Helps You Fall Asleep. In: Oprah.com. Abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  4. Sleep app shuffles your thoughts. In: British Columbia. 10. Mai 2014, abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  5. a b c d e f g h i Luc Beaudoin, Monika Pudło, Sylwia Hyniewska: Mental Perturbance: An Integrative Design-Oriented Concept for Understanding Repetitive Thought, Emotions and Related Phenomena Involving a Loss of Control of Executive Functions. In: SFU Educational Review. 13. Jahrgang, Nr. 1, 21. August 2020, ISSN 1916-050X, S. 29–58, doi:10.21810/sfuer.v13i1.1282 (englisch, sfu.ca).
  6. L. Beaudoin, A. Lemyre, M. Pudlo, C. Bastien: Towards an integrative design-oriented theory of sleep-onset and insomnolence from which a new cognitive treatment for insomnolence (serial diverse kinesthetic imagining, a form of cognitive shuffling) is proposed for experimentally testing this against alternatives. In: Sleep Medicine (= Abstracts from the 15th World Sleep Congress, September 20–25, 2019 World Sleep 2019 in Vancouver, Canada). 64. Jahrgang, 1. Dezember 2019, ISSN 1389-9457, S. S29, doi:10.1016/j.sleep.2019.11.081 (englisch, sciencedirect.com).
  7. a b c d A design-based approach to sleep-onset and insomnia: Super-somnolent mentation, the cognitive shuffle and serial diverse imagining. (englisch).
  8. Serial Diverse Imagining Task: A New Remedy for Bedtime Complaints of Worrying and Other Sleep-Disruptive Mental Activity. (englisch).
  9. a b c d e f g The possibility of super-somnolent mentation: A new information-processing approach to sleep-onset acceleration and insomnia exemplified by serial diverse imagining. In: researchgate.net. März 2013, abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  10. a b c Cognitive Shuffle: The Simple Sleep Technique To Help You Fall Asleep Faster. In: British Vogue. 3. August 2021, abgerufen am 16. November 2024 (britisches Englisch).
  11. Kara Jillian Brown: 'I'm a Sleep Expert, and This Is the #1 Mistake People Make When Trying To Get Better Sleep'. In: Well+Good. 6. Februar 2023, abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  12. Zineb Selham, Sheryl Guloy, Célyne Bastien, Luc P. Beaudoin, Julie Carrier: "Research process and sleep app design lessons learned from the reflective examination of a sleep study". 12. Juni 2019 (englisch, sfu.ca).
  13. Towards an integrative design-oriented theory of sleep-onset and insomnolence from which a new cognitive treatment for insomnolence (serial diverse kinesthetic imagining, a form of cognitive shuffling) is proposed for experimentally testing this against alternatives. (englisch).
  14. a b c Luc P. Beaudoin, Sylwia Hyniewska: Towards an affective information-processing theory of sleep onset and insomnia. 10. Januar 2010 (englisch, sfu.ca).
  15. Alexandre Lemyre, Florence Belzile, Madeleine Landry, Célyne H. Bastien, Luc P. Beaudoin: Pre-sleep cognitive activity in adults: A systematic review. In: Sleep Medicine Reviews. 50. Jahrgang, 1. April 2020, ISSN 1087-0792, S. 101253, doi:10.1016/j.smrv.2019.101253, PMID 31918338 (englisch, sciencedirect.com).
  16. YOU DON'T NEED A SOFT SKIN TO HAVE A WARM HEART Towards a computational analysis of motives and emotions. (englisch).
  17. WHY ROBOTS WILL HAVE EMOTIONS. (englisch).
  18. A thesis submitted to the Faculty of Science of the University of Birmingham for the degree of DOCTOR OF PHILOSOPHY. (englisch).
  19. A Study of Motive Processing and Attention. (englisch).
  20. A cognitive scientist has devised a drug-free sleep trick for your restless mind. In: Quartz. 7. Mai 2017, abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  21. Kit Eaton: A Snooze-Worthy App Collection to Add to the Smartphone In: The New York Times, 6. Juli 2016. Abgerufen am 16. November 2024 (amerikanisches Englisch). 
  22. Nicholas Hammings, Jayme Stewart: Behavioural Interventions for Sleep: Who Prefers what? In: Student Research Proceedings. 2. Jahrgang, Nr. 2, 15. Mai 2017 (englisch, macewan.ca).
  23. Oliver Burkeman: Shuffle your thoughts and sleep In: The Guardian, 15. Juli 2016. Abgerufen am 16. November 2024 (britisches Englisch). 
  24. MySleepButton Lulls You to Sleep Using Cognitive Science. In: Lifehacker. 19. März 2016, abgerufen am 16. November 2024 (englisch).
  25. SFU researchers launch a new sleep app | Globalnews.ca. In: Global News. Abgerufen am 16. November 2024 (amerikanisches Englisch).
  26. B.C. professor's sleep trick gets attention from Oprah, Forbes, Guardian. (englisch).