Konvektive Koordinaten sind krummlinige Koordinaten, die an einen Träger gebunden sind und von allen Transformationen, die der Träger erfährt, mitgeführt werden, daher die Bezeichnung konvektiv. In der Kontinuumsmechanik ergeben sich konvektive Koordinaten auf natürliche Weise, wenn die Koordinatenlinien körperfeste Linien sind, die allen Bewegungen und Deformationen des Körpers folgen. Bildlich kann man sich ein Koordinatennetz auf eine Gummihaut aufgemalt denken, die dann gedehnt wird und das Koordinatennetz mitnimmt, siehe Abbildung rechts.
Praktische Bedeutung haben konvektive Koordinatensysteme in der Kinematik schlanker Strukturen (Stäbe, Balken) und dünnwandiger Strukturen (Schalen und Membranen), wo die Spannungen und Dehnungen parallel zu den Vorzugsrichtungen der Struktur interessieren. Außerdem können materielle Vorzugsrichtungen nicht isotroper Materialien, wie z. B. von Holz, oder Advektions-Diffusions-Probleme (z. B. Schadstoffausbreitung in der Atmosphäre oder im Grundwasser) in konvektiven Koordinaten beschrieben werden. In der Kinematik deformierbarer Körper bekommen die in der Kontinuumsmechanik benutzten Tensoren in konvektiven Koordinaten ausgedrückt besonders einfache Darstellungen.
Betrachtet wird ein deformierbarer Körper wie im Bild, der mittels Konfigurationen in einen euklidischen Vektorraum abgebildet wird. Die konvektiven Koordinaten eines materiellen Punktes werden durch die Referenzkonfiguration zugewiesen. Für jedes Partikel eines Körpers sind seine konvektiven Koordinaten gegeben durch:
Diese Zuordnung ist vom gewählten Bezugssystem des Beobachters, von der Zeit und vom physikalischen Raum unserer Anschauung unabhängig. Für den viereckigen Körper im Bild eignet sich z. B. das Einheitsquadrat als Bildbereich. ist ein-eindeutig (bijektiv), so dass auch der Benennung des Partikels dienen kann. Weil die Koordinaten an das Partikel gebunden sind, werden sie von jeder Bewegung des Partikels mitgenommen.
Die Bewegungsfunktion beschreibt die Bewegung des Partikels durch den Raum unserer Anschauung und liefert uns ein Objekt unserer Anschauung, weil diese Positionen vom Körper einmal eingenommen wurden. Die Bewegung startet zu einem bestimmten Zeitpunkt , in dem sich der Körper in der Ausgangskonfiguration befindet. Die Funktion
ordnet den Koordinaten ein-eindeutig (bijektiv) einen Punkt im Raum zu, den das Partikel zum Zeitpunkt eingenommen hat. Der Vektor hat materielle Koordinaten bezüglich der Standardbasis. Wegen der Bijektivität kann
geschrieben werden. Variiert im Vektor nur eine Koordinate , dann fährt eine materielle Koordinatenlinie ab, die im allgemeinen Fall eine Kurve im Raum ist, siehe obere Abbildung rechts. Die Tangentenvektoren
an diese Kurven werden kovariante Basisvektoren des krummlinigen Koordinatensystems genannt. Die Richtung, in der sich die Koordinate am stärksten ändert, sind die Gradienten
die die kontravarianten Basisvektoren in einem materiellen Punkt darstellen. Wegen
sind die ko- und kontravarianten Basisvektoren dual zueinander und die kontravarianten Basisvektoren können aus
Der zwischen der Referenzkonfiguration und der Ausgangskonfiguration arbeitende DeformationsgradientJ enthält die kovarianten Basisvektoren in den Spalten und die kontravarianten Basisvektoren finden sich in den Zeilen seiner Inversen.
Die ko- und kontravarianten Basisvektoren werden nur lokal (in den Tangentialräumen) im Punkt als Basissystem für Vektor- und Tensorfelder, nicht aber für Ortsvektoren, benutzt: Die kovarianten Basisvektoren bilden eine Basis des Tangentialraumes und die kontravarianten Basisvektoren bilden eine Basis des Kotangentialraumes im Punkt , siehe untere Abbildung rechts.
Im Zuge der Bewegung entsteht in jedem Punkt und zu jedem Zeitpunkt einen Satz kovarianter Basisvektoren und kontravarianter Basisvektoren , die die Tangenten bzw. Gradienten der materiellen Koordinatenlinien im deformierten Körper zur Zeit sind. Sie sind mithin Basen der Tangentialräume bzw. .
In konvektiven Koordinaten ausgedrückt bekommt der Deformationsgradient eine besonders einfache Form. Der Deformationsgradient bildet gemäß seiner Definition die Tangentenvektoren an materielle Linien in der Ausgangskonfiguration auf die in der Momentankonfiguration ab und diese Tangentenvektoren sind gerade die kovarianten Basisvektoren bzw. . Also ist
Das ergibt sich auch aus der Ableitung der Bewegungsfunktion :
In dieser Darstellung lässt sich auch sofort mit
die Inverse des Deformationsgradienten angeben. Der transponiert inverse Deformationensgradient bildet die kontravarianten Basisvektoren aufeinander ab:
Die materielle Zeitableitung des Deformationsgradienten ist der materielle Geschwindigkeitsgradient
denn die Ausgangskonfiguration hängt nicht von der Zeit ab und das gilt dann auch für die Basisvektoren und . Der räumliche Geschwindigkeitsgradient bekommt in konvektiven Koordinaten die einfache Form
worin die Geschwindigkeit eines Partikels am Ort zur Zeit ist. Der räumliche Geschwindigkeitsgradient transformiert die Basisvektoren in ihre Raten:
Weil der rechte Cauchy-Green Tensor , der Green-Lagrange-Verzerrungstensor und der Euler-Almansi-Tensor in ihrer (hier angegebenen) natürlichen Form mit den kovarianten Komponenten bzw. gebildet werden, werden diese Tensoren üblicherweise als kovariante Tensoren bezeichnet. Die Spannungstensoren und sind entsprechend kontravariante Tensoren.
Objektive Größen sind solche, die von bewegten Beobachtern in gleicher Weise wahrgenommen werden. Die Zeitableitung von Tensoren ist im Allgemeinen nicht objektiv. Die konvektiven ko- bzw. kontravarianten Oldroyd-Ableitungen objektiver Tensoren sind jedoch objektiv und schreiben sich in konvektiven Koordinaten besonders einfach.
Die Kovariante Oldroyd-Ableitung, z. B. von lautet
Die Kontravariante Oldroyd-Ableitung, z. B. von , ergibt sich ähnlich:
Daraus leiten sich auch die Bezeichnungen konvektiv kovariant bzw. konvektiv kontravariant der Oldroyd-Ableitungen ab. Bemerkenswert sind die übereinstimmenden Transformationseigenschaften der kovarianten Tensoren
Ein Parallelogramm mit Grundseite und Höhe und Neigungswinkel wird zu einem flächengleichen Quadrat verformt, siehe Bild. Als Referenzkonfiguration eignet sich das Einheitsquadrat
In der Ausgangskonfiguration haben die Punkte des Parallelogramms die Koordinaten:
Die kovarianten Basisvektoren sind
Sie stehen spaltenweise im Gradient und die kontravarianten Basisvektoren entspringen den Zeilen der Inversen:
In der Momentankonfiguration ist :
und die konvektiven ko- und kontravarianten Basisvektoren bilden die Standardbasis
Der Deformationsgradient
ist ortsunabhängig und hat die Determinante eins, was die Erhaltung des Flächeninhalts differentialgeometrisch nachweist. Die kovarianten Metrikkoeffizienten lauten
Damit kann der Green-Lagrange-Verzerrungstensor berechnet werden: