Lettisches Okkupationsmuseum

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Gebäude des Okkupationsmuseums
Denkmal der lettischen Schützen vor dem Museum

Das Lettische Okkupationsmuseum (lett. Latvijas Okupācijas muzejs) ist ein Museum in Lettlands Hauptstadt Riga, die „Dokumentation des Traumas einer dreifachen Okkupation“.[1] Es ist dem halben Jahrhundert von 1940 bis 1991 gewidmet, als Lettland 1940–1941 von der Sowjetunion, dann bis 1944 vom Nationalsozialistischen Deutschland und anschließend erneut von der Sowjetunion besetzt war. Das Museum wird jährlich von mehr als 100.000 Personen besucht.[2] Damit ist es das besucherstärkste Museum des Landes.

Das Museum befindet sich in einem 1970/1971 errichteten Bau am Rathausplatz in der Altstadt Rigas.[3] Der Architekt war Dzintars Driba (1928–1993).[4] Bis zur Wiederherstellung von Lettlands Unabhängigkeit (1990/1991) war es das Museum der Roten Lettischen Schützen, denen das Denkmal der lettischen Schützen vor dem Museum gewidmet ist.[5]

Anfang 1993 fanden sich 11 Privatpersonen zusammen und gründeten eine Stiftung zum Aufbau eines Okkupationsmuseums. Am 1. Juli 1993 wurde eine erste, behelfsmäßige Ausstellung in Räumen des Museums der Roten Lettischen Schützen eröffnet.[2] Nach wie vor wird das Museum rechtlich von dem aus der Stiftung hervorgegangenen Verein Okkupationsmuseum getragen, ideell und finanziell von der großen Anteilnahme lettischer Bürger.[6] Zu den regelmäßigen Unterstützern zählen u. a. der Verein Daugavas Vanagi und der Chor Daugavas vanadzes.[7] Seit 1997 erhält das Museum einen staatlichen Zuschuss. Die Spenden bleiben jedoch die Haupteinnahme.[8]

Die Dauerausstellung

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Die Dauerausstellung ist chronologisch aufgebaut:[9]

Sonderausstellungen (Auswahl)

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In den Jahren von 2005 bis 2007 dokumentierte das Okkupationsmuseum das Schicksal deportierter Familien durch die Aufnahme von mehr als 2000 Interviews mit Überlebenden und deren Angehörigen.[11] Eine Auswahl dieser Lebensgeschichten wurde in einer Sonderausstellung öffentlich gemacht.

Von 2011 bis 2014 zeigte das Okkupationsmuseum die vielbeachtete Sonderausstellung Rumbula. Nozieguma anatomija. 1941 (Rumbula. Anatomie eines Verbrechens 1941) über den Massenmord an lettischen und deutschen Juden im November und Dezember 1941 im Wald von Rumbula.[12] Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Museum „Juden in Lettland“ und wurde maßgeblich von Marģers Vestermanis gestaltet.[13]

Der Erweiterungsbau

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Seit 2001 berieten die lettische Regierung, die Stadtverwaltung Riga, die Museumsleitung und weitere Fachleute über einen dringend benötigten Erweiterungsbau. Der 1925 in Riga geborene, in den USA lebende Architekt Gunnar Birkerts, der die Lettische Nationalbibliothek geplant hatte, legte einen 2008 approbierten Entwurf vor, demzufolge der dunkle Quader des einstigen Museums der Roten Lettischen Schützen durch einen hellen, die wiedergewonnene Freiheit symbolisierenden Quader verlängert werden sollte. Da die Finanzierung ungesichert war, ruhten die Pläne. Zudem gab es eine Kontroverse darüber, ob das bestehende Gebäude als Baudenkmal im Äußeren unverändert zu erhalten sei. In diesem Sinne plädierten mehrere bekannte lettische Architekten: Es sei ein Monument des sowjetischen Modernismus. Das staatliche Denkmalamt hingegen hatte keine Bedenken und genehmigte die Pläne für den Anbau, ebenso der Rat für den Erhalt und die Entwicklung der Altstadt von Riga. Die Stadtverwaltung Riga erteilte jedoch keine Baugenehmigung.

Im September 2016 beschloss die Saeima eine Novelle des Gesetzes über das Okkupationsmuseum, wodurch die Planungshoheit dem Ministerium für Umweltschutz und Regionalentwicklung übertragen wurde. Damit wurde der Weg frei gemacht, das Vorhaben wieder aufzunehmen.[14] Während des Umbaus zeigte das Museum seine Ausstellung im Gebäude der ehemaligen US-Botschaft (Raiņa bulvāris 7).[15] Von September 2018 bis Ende 2021 entstand der Neubau; Anfang 2022 wurde die neue Dauerausstellung eingerichtet. Am 30. Mai 2022 eröffnete Staatspräsident Egils Levits das erweiterte Museum.[16]

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Matthias Knoll, Valters Nollendorfs (Hg.): Latvija zem Padomju Savienības un nacionālsociālistikās Vācijas varas, 1940–1991 / Lettland unter sowjetischer und nationalsozialistischer Herrschaft. Eine Darstellung des Lettischen Okkupationsmuseums. Latvijas 50 gadu okupacijas muzeja fonds, Riga 1998, ISBN 9984-9332-0-2 (lettisch und deutsch).
  • Gundega Michel, Valters Nollendorfs: Das Lettische Okkupationsmuseum Riga. In: Volkhard Knigge, Ulrich Mählert (Hg.): Der Kommunismus im Museum. Formen der Auseinandersetzung in Deutschland und Ostmitteleuropa. Böhlau, Köln 2005, ISBN 978-3-412-20705-2, S. 117–130.
  • Rebekka Blume: Das lettische Okkupationsmuseum. Das Geschichtsbild des Museums im Kontext der Diskussionen über die Okkupationszeit in der lettischen Öffentlichkeit. Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, Bremen 2007.
  • Valters Nollendorfs: Das Lettische Okkupationsmuseum und Public History: Einsichten und Aussichten. In: Svetlana Bogojavlenska, Jan Kusber (Hg.): Tradition und Neuanfang. Forschungen zur Geschichte Lettlands an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Kleine Festschrift für Erwin Oberländer. Lit, Berlin und Münster 2014, ISBN 978-3-643-12732-7, S. 203–223.
Commons: Lettisches Okkupationsmuseum – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. Sonja Zekri: Ausweitung der Diskurszone. Das Okkupationsmuseum in der lettischenn Hauptstadt Riga dokumentiert das Trauma einer dreifachen Besetzung. In: Süddeutsche Zeitung, 31. März 2004.
  2. a b History auf der Webseite des Museums, abgerufen am 5. November 2016.
  3. Jānis Lejnieks: Rīgas centrs – problēmas un risinājumi. In: Jānis Zilgalvis, Kristiāna Ābele (Hg.): Arhitektūra un māksla Rīgā: Idejas un objekt (Reihe Materiāli Latvijas mākslas vēsturei). Herausgegeben vom Institut für Kunstgeschichte der Universität Lettlands. Neputns, Riga 2004, ISBN 9984-729-54-0, S. 163–169, hier S. 168–169 (lettisch, Übersetzung des Aufsatztitels: Rigas Stadtmitte – Probleme und Lösungen).
  4. Alexander Neyland, Marģers Vestermanis, Māra Ozoliņa und andere: Großer Stadtführer durch Riga. Riga 1992, S. 35.
  5. Im Schatten von Hanse und rotem Stern. Lettlands Transformation gedeiht trotz spärlichen Mitteln. In: Neue Zürcher Zeitung, 19. Oktober 2000, S. 6.
  6. Katja Wezel: Geschichte als Politikum. Lettland und die Aufarbeitung nach der Diktatur. Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV), Berlin 2016, ISBN 978-3-8305-3425-9, S. 34.
  7. Museumsführer, deutsche Fassung, Ausgabe 2015.
  8. Katja Wezel: Geschichte als Politikum. Lettland und die Aufarbeitung nach der Diktatur. Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV), Berlin 2016, S. 220.
  9. Valters Nollendorfs: Das Lettische Okkupationsmuseum und Public History: Einsichten und Aussichten. In: Svetlana Bogojavlenska, Jan Kusber (Hg.): Tradition und Neuanfang. Forschungen zur Geschichte Lettlands an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Lit, Berlin und Münster 2014, S. 203–223, hier S. 216–221.
  10. Valters Nollendorfs: Das Lettische Okkupationsmuseum und Public History: Einsichten und Aussichten. In: Svetlana Bogojavlenska, Jan Kusber (Hg.): Tradition und Neuanfang. Forschungen zur Geschichte Lettlands an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Lit, Berlin und Münster 2014, S. 203–223, hier S. 218.
  11. Katja Wezel: Geschichte als Politikum. Lettland und die Aufarbeitung nach der Diktatur. Berliner Wissenschafts-Verlag (BWV), Berlin 2016, S. 263.
  12. Izstāde „Rumbula. Nozieguma anatomija.1941“, abgerufen am 5. November 2016 (lettisch).
  13. Okupācijas muzejs sveic Marģeri Vestermani 90. jubilejā (Memento des Originals vom 5. November 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/okupacijasmuzejs.lv, abgerufen am 5. November 2016 (lettisch).
  14. Pressemitteilung des Museums vom 27. September 2016: The Reconstruction Project of the Museum is Back on Track, abgerufen am 5. November 2016.
  15. Lettisches Okkupationsmuseum: Dauerausstellung, abgerufen am 25. Oktober 2017.
  16. Jānis Kincis, Madara Līcīte: Oficiāli atklāta atjaunotā Okupācijas muzeja ekspozīcija, 30. Mai 2022, abgerufen am 4. Juli 2024.
  17. Preisträger (Memento des Originals vom 5. November 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.stab-ch.org, abgerufen am 5. November 2016.

Koordinaten: 56° 56′ 49,5″ N, 24° 6′ 22,9″ O