Liste der Stolpersteine in Dirmstein
In der Liste der Stolpersteine in Dirmstein sind alle Stolpersteine aufgeführt, die der Künstler Gunter Demnig im Rahmen seines Projektes Stolpersteine am 27. März 2009 in der Ortsgemeinde Dirmstein (Rheinland-Pfalz) verlegt hat. Die Gedenksteine erinnern an Menschen, die in der Zeit des Nationalsozialismus Opfer von Deportation und/oder Ermordung wurden.
Alle zehn Steine liegen auf dem Bürgersteig vor dem Haus Mitteltor 3 (⊙ ); dort, links neben dem Alten Rathaus, wohnte die Mehrzahl der neun jüdischen Opfer. Direkt neben ihren Steinen wurde derjenige für den Briten Cyril William Sibley eingesetzt; er konnte nicht an der mutmaßlichen Stelle des Mordes (⊙ ) verlegt werden, weil diese in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Ausfallstraße nach Offstein (Landesstraße 455) überbaut wurde.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1933, zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus, lebten in Dirmstein 15 jüdische Bürger und ein sogenannter „jüdischer Mischling zweiten Grades“.[1] Elf von ihnen gehörten zur Großfamilie Hirsch, deren Oberhaupt Salomon Hirsch zusammen mit Adolf Liebmann auch Gemeindevorsteher war.[2]
Obwohl Karoline Hirsch 1934 in die Niederlande emigriert war, fiel sie 1942 dem Holocaust zum Opfer.[3] Familie Liebmann mit ihrer neunjährigen Tochter gelang 1937 die Flucht nach Argentinien.[4] Frieda Hirsch emigrierte im gleichen Jahr ebenfalls dorthin, konnte aber ihren neunjährigen Sohn David nicht nachholen, den sie bei den Großeltern zurückgelassen hatte.[4]
Die 1940 noch in Dirmstein verbliebenen acht Juden, die sämtlich den Nachnamen Hirsch trugen, wurden bei der Wagner-Bürckel-Aktion ins Lager Gurs deportiert. Dort, in Südfrankreich, konnten 1941 unabhängig voneinander David Hirsch, inzwischen 13 Jahre alt, sowie die weitläufig mit ihm verwandten Elisabeth Klara Hirsch und deren Tochter Ella fliehen. Die beiden Frauen emigrierten in die USA, wohin schon Ellas älterer Bruder Julius – wahrscheinlich 1938 – ausgereist war.[5] David Hirsch folgte 1947 seiner Mutter von der Schweiz aus nach Argentinien.[6] Die restlichen fünf Verschleppten fielen dem Holocaust zum Opfer; zwei starben bereits in Gurs, die drei Überlebenden wurden zwei Jahre später ins KZ Auschwitz transportiert und kamen unmittelbar nach der Ankunft in die Gaskammer.[1]
Am 21. Februar 1945, kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, überlebte Cyril William Sibley, Sergeant der britischen Royal Air Force, als Besatzungsmitglied den Abschuss seines Flugzeugs über Dirmstein, wurde jedoch anschließend Opfer eines sogenannten Fliegermordes durch Adolf Wolfert, den Dirmsteiner Ortsgruppenleiter der NSDAP, und dessen Mittäter Georg Hartleb.
Gedenken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit einer Reihe von Veranstaltungen gedachte Dirmstein in der zweiten Märzhälfte 2009 der Opfer des Naziregimes.[7] Den zentralen historisch-literarischen Gedenkabend anlässlich der Stolpersteinverlegung am 27. März 2009 gestalteten die Dirmsteiner Autoren Jürgen Bich, Albert H. Keil, der zudem für die Moderation verantwortlich war, Walter Landin sowie Otfried K. Linde.[8] Ehrengast der Gemeinde war David Hirsch (1928–2019) als einziger damals noch Lebender von den deportierten Juden Dirmsteins, der aus Argentinien angereist war.[6] Zwei Tage vor der Feier hatte er sich in Dirmstein mit Paul Niedermann, seinem fast gleichaltrigen Fluchtgefährten von 1941, getroffen.[9]
Stolpersteine
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verlegeort | Name | Inschrift | Verlegedatum | Bild | Anmerkungen |
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Mitteltor 3 | Cyril William Sibley | In Dirmstein ermordet 21. Feb. 1945 Cyril W.Sibley Jg. 1923 englischer Soldat Luftwaffe |
27. März 2009 | geboren am 10. Oktober 1923 in Merthyr Tydfil,[10] Großbritannien nach Flugzeugabschuss Opfer eines Fliegermordes durch Adolf Wolfert und Georg Hartleb[11] | |
Mitteltor 3 | Salomon Hirsch | Hier wohnte Salomon Hirsch Jg. 1875 deportiert 1940 Gurs ermordet 1942 in Auschwitz |
27. März 2009 | geboren am 13. Oktober 1875 in Birkenau (Odenwald)[12] Ehemann von Dina Hirsch | |
Dina Hirsch | Hier wohnte Dina Hirsch geb. Strauss Jg. 1872 deportiert 1940 Gurs tot im Lager 27.10.1941 |
27. März 2009 | geboren am 14. April 1872 in Dirmstein[13] Ehefrau von Salomon Hirsch | ||
Sarah Strauss | Hier wohnte Sarah Strauss Jg. 1874 deportiert 1940 Gurs tot im Lager 16.11.1940 |
27. März 2009 | geboren am 21. Juli 1874 in Dirmstein[14] Schwester von Dina Hirsch Hinweis: Abweichung zwischen Steininschrift und Bundesarchiv bei Vorname (Sarah/Sara) und Geburtsjahr (1874/1875) | ||
Irma Hirsch | Hier wohnte Irma Hirsch Jg. 1905 deportiert 1940 Gurs ermordet 1942 in Auschwitz |
27. März 2009 | geboren am 24. August 1905 in Dirmstein[15] Tochter von Salomon und Dina Hirsch | ||
Lilli Hirsch | Hier wohnte Lilli Hirsch Jg. 1909 deportiert 1940 Gurs ermordet 1942 in Auschwitz |
27. März 2009 | geboren am 16. Mai 1909 in Dirmstein[16] Tochter von Salomon und Dina Hirsch | ||
David Hirsch | Hier wohnte David Hirsch Jg. 1928 deportiert 1940 Gurs Flucht 1941 überlebt in Schweiz |
27. März 2009 | [17] | geboren am 15. Mai 1928 in Mainz[18] Sohn von Frieda Hirsch, Enkel von Salomon und Dina Hirsch 1947 Auswanderung aus der Schweiz nach Buenos Aires, Argentinien[19] 2005 und 2009 Besuche in Dirmstein[20][6] verstorben 2019 in Buenos Aires | |
Karoline Hirsch Korrektur[3] |
Hier wohnte Karoline Hirsch Jg. 1892 deportiert 1940 Gurs 1942 Auschwitz ermordet 28.8.1942 |
27. März 2009 | geboren am 15. August 1892 in Dirmstein[3][21] Verwandtschaftsverhältnis unbekannt Hinweis: Schreibung des Vornamens auch „Carolina“ | ||
Elisabeth Klara Hirsch | Hier wohnte Elisabeth Klara Hirsch geb. Lorch Jg. 1866 deportiert 1940 Gurs Flucht 1941 überlebt in USA |
27. März 2009 | geboren am 13. April 1866 in Laumersheim[18] Mutter von Julius und Ella Hirsch 3. November 1941 Flucht nach Südfrankreich 1942 Auswanderung in die USA verstorben 1958 in Brookline (Mass.)[5] | ||
Ella Hirsch | Hier wohnte Ella Hirsch Jg. 1899 deportiert 1940 Gurs Flucht 1941 überlebt in USA |
27. März 2009 | geboren am 5. September 1899 in Dolgesheim[18] Tochter von Elisabeth Klara Hirsch 3. November 1941 Flucht nach Südfrankreich 1942 Auswanderung in die USA verstorben am 3. Februar 1975[22] in Brookline (Mass.)[5] |
In Dirmstein ohne Stolperstein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verlegeort | Name | Inschrift | Verlegedatum | Bild | Anmerkungen |
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Rosa Hirsch geb. Seufert |
geboren am 13. März 1903 in Dirmstein[23] Verwandtschaftsverhältnis unbekannt 1939 Umzug nach Wiesbaden, dann Holzhausen über Aar 11. Juni 1942 von Frankfurt aus ins Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet |
Emigrierte Juden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Name | Geburtsort | Geburtstag | Bild | Anmerkungen |
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Frieda Hirsch | Dirmstein | 19. September 1907 | Tochter von Salomon und Dina Hirsch 8. Juli 1937 Auswanderung nach Argentinien[4] verstorben in Buenos Aires[24] | |
Julius Hirsch | Dolgesheim | 15. August 1896 | Sohn von Elisabeth Klara Hirsch 1938 Auswanderung nach Brookline (Mass.), USA[5] verstorben im April 1969 in Malden (Mass.)[22] | |
Adolf Liebmann | Dirmstein | 25. September 1890 | Ehemann von Emilia Liebmann 1. Juni 1937 Auswanderung nach Argentinien[4][25] weitere Lebensdaten unbekannt | |
Emilia Liebmann | Kirchheim an der Weinstraße | 27. Juni 1892 | Ehefrau von Adolf Liebmann 1. Juni 1937 Auswanderung nach Argentinien[4][25] weitere Lebensdaten unbekannt | |
Gertrud Liebmann | Ludwigshafen am Rhein | 25. Juni 1928 | Tochter von Adolf und Emilie Liebmann 1. Juni 1937 Auswanderung mit den Eltern nach Argentinien[1] weitere Lebensdaten unbekannt |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Michael Martin: Juden in Dirmstein. In: Michael Martin (Hrsg.): Dirmstein – Adel, Bauern und Bürger. Chronik der Gemeinde Dirmstein. Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße 2005, ISBN 3-9808304-6-2, S. 327–338.
- Ortsgemeinde Dirmstein (Hrsg.): „Dirmstein erinnert sich“. Tage des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Dirmstein 2009 (Online [PDF; 336 kB] Redaktion: Albert H. Keil).
- Hannes Ziegler: Dirmstein im Nationalsozialismus. In: Michael Martin (Hrsg.): Dirmstein – Adel, Bauern und Bürger. Chronik der Gemeinde Dirmstein. Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung, Neustadt an der Weinstraße 2005, ISBN 3-9808304-6-2, S. 197 ff.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c Michael Martin: Juden in Dirmstein. In: Dirmstein – Adel, Bauern und Bürger. Chronik der Gemeinde Dirmstein. 2005, S. 327–338.
- ↑ Die Synagoge in Dirmstein. alemannia-judaica.de, abgerufen am 1. Februar 2010.
- ↑ a b c Entgegen den Angaben in der Ortschronik und der darauf basierenden Aufschrift auf dem Stolperstein wurde Karoline Hirsch nicht 1940 von Dirmstein nach Gurs deportiert; denn sie war bereits am 6. Februar 1934 in die Niederlande emigriert. Nach deren Okkupation durch die deutsche Wehrmacht (1940) wurde Hirsch am 15. August 1942 aufgespürt, zwei Tage lang in Westerbork eingesperrt und dann nach Auschwitz verschleppt. Später wurde der 28. August 1942 als Todesdatum festgehalten.
- ↑ a b c d e Archiv der Gemeinde Dirmstein: Auswanderungsregister. 1708–1812 lückenhaft, 1812–1905 sorgfältig, 1905–1937 lückenhaft. In: Dirmstein – Adel, Bauern und Bürger. Chronik der Gemeinde Dirmstein. 2005, S. 442.
- ↑ a b c d Generallandesarchiv Karlsruhe: Brief. 6. April 2004.
- ↑ a b c Christian Oldekop (col): Fünfte Etappe des Erinnerns. In: Die Rheinpfalz, Lokalausgabe Frankenthaler Zeitung. Ludwigshafen 31. März 2009 (online).
- ↑ „Dirmstein erinnert sich“ – Publikation und Pressedokumentation. Verlag PfalzMundArt, 2009, abgerufen am 5. Juni 2017.
- ↑ David Hirsch: Betrogen um Jugend und Heimat. (PDF; 336 kB) Brief vom 8. Dezember 2000. In: „Dirmstein erinnert sich“. Tage des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ortsgemeinde Dirmstein, März 2009, S. 51 f., abgerufen am 7. Februar 2015 (Dirmstein 26. bis 29. März 2009, Redaktion: Albert H. Keil).
- ↑ Jürgen Bich (bjg): Wir werden 120 Jahre alt. In: Die Rheinpfalz, Lokalausgabe Frankenthaler Zeitung. Ludwigshafen 28. März 2009 (online).
- ↑ Archive Report: Allied Forces. aircrewremembered.com, abgerufen am 12. Juni 2017 (englisch).
- ↑ Marie-Christine Werner: Der englische Flieger. Der Mord an Cyril William Sibley. Mainz 2001 (Typoskript der Sendung des Südwestrundfunks vom 10. Februar 2001, 21 bis 22 Uhr).
- ↑ Eintrag: Hirsch, Salomon. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ Eintrag: Hirsch, Dina. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ Eintrag: Strauss, Sara. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ Eintrag: Hirsch, Irma. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ Eintrag: Hirsch, Lilli. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ Auf dem Bild von links: Arthur Mauer (Gründer des Kulturvereins St. Michael Dirmstein), David Hirsch (Holocaust-Überlebender aus Dirmstein) und Paul Niedermann (Holocaust-Überlebender aus Karlsruhe) am 25. März 2009 in Dirmstein
- ↑ a b c David Hirsch: Betrogen um Jugend und Heimat. (PDF; 336 kB) Brief vom 8. Dezember 2000. In: „Dirmstein erinnert sich“. Tage des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ortsgemeinde Dirmstein, März 2009, S. 3 f., abgerufen am 7. Februar 2015 (Dirmstein 26. bis 29. März 2009, Redaktion: Albert H. Keil).
- ↑ David P. Boder: …Interviews David Hirsch. Illinois Institute of Technology, 26. August 1946, abgerufen am 28. Juni 2017 (Interview mit dem 18-jährigen David Hirsch in Genf).
- ↑ David Hirsch: Betrogen um Jugend und Heimat. (PDF; 336 kB) Brief vom 8. Dezember 2000. In: „Dirmstein erinnert sich“. Tage des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Ortsgemeinde Dirmstein, März 2009, S. 5 f., abgerufen am 7. Februar 2015 (Dirmstein 26. bis 29. März 2009, Redaktion: Albert H. Keil).
- ↑ Eintrag: Hirsch, Karoline (Carolina). In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 22. Januar 2015.
- ↑ a b Roland Paul: E-Mail an User Mundartpoet, von diesem weitergeleitet an User Chronist 47. Hrsg.: Institut für pfälzische Geschichte und Volkskunde, Kaiserslautern. 18. Juli 2011.
- ↑ Eintrag: Hirsch, Rosa. In: Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933–1945. Auf der Website des Bundesarchivs, abgerufen am 27. Juni 2017.
- ↑ Angaben von David Hirsch (Sohn von Frieda Hirsch).
- ↑ a b Im Auswanderungsregister ist „Liebmann“ zu „Liebener“ geworden.