Maria Gaetana Agnesi

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Maria Gaetana Agnesi

Maria Gaetana Agnesi (* 16. Mai 1718 in Mailand; † 9. Januar 1799 ebenda) war eine italienische Mathematikerin und Philanthropin im Zeitalter der Aufklärung. Sie untersuchte und veröffentlichte unter anderem die Versiera der Agnesi.

Maria Gaetana Agnesi wurde in eine wohlhabende Familie von Intellektuellen und Kaufleuten geboren. Ihr Vater Pietro Agnesi war Mathematik-Professor,[1] ihre Mutter die italienische Adelige Anna Fortunata Brivio aus der Familie Brivius de Brokles. Neuere Quellen bezeichnen es als unklar[2] oder unzutreffend[3], dass ihr Vater Professor war; alle Quellen stimmen aber darin überein, dass er (auch) Textilkaufmann war.

Frontispiz von Instituzioni analitiche (1748)

Maria Gaetana Agnesi war das älteste von insgesamt 21 Kindern. Insbesondere ihr Vater förderte ihre mathematische Begabung und verhalf ihr zu einer guten Ausbildung. Maria galt als Wunderkind. Im Alter von neun Jahren hielt sie frei eine einstündige lateinische Rede, in der sie das Recht der Frau auf Bildung diskutierte, welches damals umstritten war.[4][5][6] Im Alter von nur elf Jahren konnte sie sieben Sprachen sprechen.[7] Von Zeitgenossen wird sie im Alter von circa 20 Jahren als ein junges Mädchen von „schlichtem und sanften Wesen“ beschrieben, das jedoch in der Lage war, auf Latein jedes beliebige Thema der Philosophie oder Mathematik zu diskutieren.[8] Ab ihrer Jugend soll Agnesi an Somnambulismus, Neurasthenie und Veitstanz erkrankt gewesen sein.[9] Nach dem Tod der Mutter wünschte die 21-Jährige ins Kloster zu gehen, um der häuslichen Sorge um ihre 20 Geschwister zu entkommen. Doch nach Protest ihrer Lehrer und Versprechungen des Vaters, dass sie gewissen gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht nachkommen müsse, änderte sie ihre Meinung.[10] Ein Jahrzehnt lang widmete sie sich der Mathematik und den Wissenschaften.

1748 wurde ihr Werk Instituzioni analitiche (Grundlagen der Analysis) veröffentlicht, das sie der österreichischen Herrscherin Maria Theresia widmete. Aufgrund dieser Publikation wurde Agnesi im selben Jahr in die Akademie der Wissenschaften von Bologna aufgenommen[11] und zwei Jahre später von Papst Benedikt XIV. zur Professorin der Universität Bologna ernannt. Sie hat dort jedoch nie gelehrt, obwohl ihre bekannte Zeitgenossin, die Physikerin Laura Bassi, sie mehrmals darum bat.

Als Maria Agnesi 34 Jahre alt war, starb ihr Vater. Fortan gab sie die Wissenschaft zugunsten ihres Glaubens und karitativer Aktivität auf. Sie studierte Katholische Theologie und kümmerte sich um Arme und Kranke. Zunächst lebte sie noch im Hause ihrer Eltern, später mietete sie ein Haus, in dem sie Obdachlosen Unterkunft gewährte. 1771 übernahm sie die Leitung eines Altenheims für Frauen. 28 Jahre lang widmete sie sich dieser Einrichtung, die im Jahre ihres Todes 450 Bewohnerinnen beherbergte.

Gedenktafel in Varedo

Ihre Schwester Maria Teresa Agnesi Pinottini war eine in ihrer Zeit bekannte und erfolgreiche Komponistin und Musikerin (Gesang und Cembalo). Im Gegensatz zu der zurückgezogen lebenden, kirchlich orientierten Schwester Maria Gaetana wird sie als galant und mondän beschrieben.

Auf einer Gedenktafel in Varedo steht (frei übersetzt):

In diesem väterlichen Haus lehrte die begabte Mathematikerin Maria Gaetana Agnesi, half den Armen, und fand Ruhe für ihre Studien. Durch ihre Anregung spendete ihre Schwester Paolina ihr Haus und die Grundstücke den chronischen Patienten in Mailand. Zusammen erstrahlen die beiden Namen in dem Ruhm, der alles andere übertrifft.
1718 – 1799 1731 – 1825
Der Rat des Hospital-Instituts 1889

„Das Ziel des Christen ist der Ruhm Gottes. Ich hoffe, dass meine Studien den Ruhm Gottes vermehrt haben, dadurch, dass sie nützlich waren für andere, und dass sie von Gehorsam geleitet waren, denn das war der Wille meines Vaters. Jetzt habe ich bessere Wege gefunden, um Gott zu dienen und anderen nützlich zu sein.“

Maria Gaetana Agnesi: zur Frage, warum sie ihre mathematischen Studien aufgab, um sich der Wohltätigkeit zu widmen.[12]
Kurvenkonstruktion
  • Massimo Mazzotti: The World of Maria Gaetana Agnesi, Mathematician of God. Johns Hopkins University Press, Baltimore, MD 2007, ISBN 978-0-8018-8709-3.
  • Antonio Francesco Frisi Elogio storico di Donna Maria Gaetana Agnesi, Reprint der Ausgabe Mailand 1799, herausgegeben und kommentiert von Arnado und Giuseppina Masotti, Mailand 1965.
  • Luisa Anzoletti Maria Gaetana Agnesi, Mailand 1900 (verwendet den Nachlass der Agnesi in der Bibliotheka Ambrosiana).
  • Ulrike Klens: Mathematikerinnen im 18. Jahrhundert: Maria Gaetana Agnesi, Gabrielle-Emilie du Châtelet, Sophie Germain: Fallstudien zur Wechselwirkung von Wissenschaft und Philosophie im Zeitalter der Aufklärung. Centaurus, Pfaffenweiler 1998, ISBN 3-89085-826-0 (Zugleich Dissertation an der Universität Augsburg 1992).
  • Luise F. Pusch, Susanne Gretter (Hrsg.): Berühmte Frauen. Insel, Frankfurt am Main / Leipzig 1999, ISBN 3-458-16949-0, S. 16.
  • Constantin von Wurzbach: Agnesi, Maria Cajetana. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 1. Theil. Universitäts-Buchdruckerei L. C. Zamarski (vormals J. P. Sollinger), Wien 1856, S. 6 f. (Digitalisat).
  • Clifford Truesdell Maria Gaetana Agnesi. In: Archive for History of Exact Science. Band 40, 1989, S. 113–142. Korrekturen und Ergänzungen dazu, Band 43, 1992, S. 385/386
  • Marilyn Bailey Ogilvie: Women in science: antiquity through the nineteenth century: a biographical dictionary with annotated bibliography. 3. Auflage. Cambridge, MA: MIT Press, 1991, ISBN 0-262-65038-X, S. 28–31
  • Della Dumbaugh: Maria Gaetana Agnesi, Notices AMS, März 2019, S. 414–415

Einzelnachweise

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  1. Ogilvie, Marilyn Bailey (1986). Women in science: antiquity through the nineteenth century: a biographical dictionary with annotated bibliography (3. Auflage). Cambridge, Mass.: MIT Press
  2. U. Klens: Vortrag "Maria Gaetana Agnesi und die Hexe", Mainz, 2004
  3. A. Kleinert: Maria Gaetana Agnesi und Laura Bassi - zwei italienische gelehrte Frauen im 18. Jahrhundert, Universität Halle, 2004.
  4. Jean-Pierre Jenny: Von Frauen und Fröschen. Streifzüge durch die Naturwissenschaften des 18. Jahrhunderts in Oberitalien, LIT-Verlag Münster. ISBN 3-643-80204-8, ISBN 978-3-643-80204-0
  5. NZZ, Jean-Pierre Jenny Weibliche Wissenschaft im Jahrhundert der Vernunft: Als der Papst mit klugen Frauen Publicity machte
  6. Lynn M. Osen: "Women in Mathematics", MIT Press, Cambridge, 1975
  7. Marilyn Bailey Ogilvie: Women in science: antiquity through the nineteenth century: a biographical dictionary with annotated bibliography, 3. Auflage. MIT Press, Cambridge, MA 1990, ISBN 0-262-65038-X.
  8. Andreas Kleinert: Maria Gaetana Agnesi und Laura Bassi: Zwei italienische gelehrte Frauen im 18. Jahrhundert. In: Frauen in den exakten Naturwissenschaften, herausgegeben von Willi Schmidt und Christoph J. Sciba. Steiner, Stuttgart, 1990, S. 71–85, ISBN 3-515-05793-5 (= Beiträge zur Geschichte der Wissenschaft und der Technik, Band 21).
  9. Wilhelm Lange-Eichbaum, Wolfram Kurth: Genie, Irrsinn und Ruhm. 2. Auflage. Ernst Reinhardt Verlag, München / Basel 1979, S. 321.
  10. Maria Gaetana Agnesi (1718-1799). Westfälische Wilhelms-Universität Münster, abgerufen am 16. Juli 2022.
  11. Maria Gaetana Agnesi (1718-1799). Westfälische Wilhelms-Universität Münster, abgerufen am 16. Juli 2022.
  12. Massimo Mazzotti: Maria Gaetana Agnesi. Mathematics and the Making of the Catholic Enlightenment. In: Isis. Ausgabe 92, Nr. 4, 2001, S. 682.
  13. Venuskrater Agnesi im Gazetteer of Planetary Nomenclature der IAU (WGPSN) / USGS (englisch)
  14. (16765) Agnesi in der Small-Body Database des Jet Propulsion Laboratory (englisch).
  15. Google-Doodle zum 296. Geburtstag von Maria Gaetana Agnesi, abgerufen am 26. Juni 2016.
  16. Briefmarke der italienischen Post, 2018, abgerufen am 25. März 2019
  17. Briefmarke der Vatikanischen Post, 2018, abgerufen am 25. März 2019
Commons: Maria Gaetana Agnesi – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien