Mariae Namen (Hanau)

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Mariä Namen in Hanau. Erkennbar die hell/dunkle Schichtung der rechten Gebäudeecke vom Ursprungsbau
Die Kirche unmittelbar nach ihrer Erbauung (um 1850)
Foto von 1860/1865 aus südöst­licher Richtung, etwa vom Paradeplatz
Ausschnitt aus dem vorangegangenen Bild

Die katholische Stadtpfarrkirche Mariae Namen ist die älteste römisch-katholische Kirche und Kirchengemeinde in Hanau. Seit 2021 ist sie die Pfarrkirche für die Großgemeinde St. Klara und Franziskus, Hanau[1].

Das Kirchengebäude wurde in den Jahren 1842–1850 mit einer Bauunterbrechung von 1843 bis 1848 in neugotischem Stil errichtet. Die ursprüngliche Front wurde weitgehend durch den Wechsel von dunklen und roten Lagen aus Sandstein gestaltet und imitierte damit die von der Romanik bis in die Renaissance in Italien verwendeten polychromen Inkrustations-Fassaden. Architekten waren Julius Eugen Ruhl und Johann Caspar Stawitz. Es war das erste römisch-katholische Kirchengebäude in der Stadt nach der Reformation. Baugrundstück war der ehemalige Obstgarten der Grafen von Hanau, der Bangert, die ursprüngliche Adresse und im Volksmund auch heute noch: „Im Bangert“, auch wenn die offizielle Anschrift heute Dechant-Theodor-Weidner-Platz lautet.

Nachdem die Grafschaft Hanau Ende des 16. Jahrhunderts unter Graf Philipp Ludwig II. von Hanau-Münzenberg letztlich die reformierte Variante der Reformation angenommen hatte, mussten auch alle Untertanen diese Konfession annehmen, denn es galt: cuius regio, eius religio. Erst ab 1787 erlaubte der damalige Landesherr, Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel den Gläubigen römisch-katholischer Konfession Gottesdienste abzuhalten. Das geschah zunächst in einem kleinen Betsaal in der Gärtnerstraße. 1809 wurde der römisch-katholischen Gemeinde Hanaus die Hospitalkirche zur Verfügung gestellt.[2] Ob sie die Hospitalkirche aber genutzt hat, scheint zweifelhaft, da der römisch-katholische Gottesdienst auch 1811 noch in der Gärtnerstraße stattfand.[3] Ab 1841 wurde damit begonnen, die erste eigene Kirche zu errichten. Die Baugeschichte war schwierig: Ursprünglich plante Julius Eugen Ruhl eine dreischiffige Basilika. Den halbfertigen Bau beschädigte am 14. Januar 1843 jedoch ein Sturm, woraufhin die Baustelle zunächst jahrelang ruhte und die Kirche dann 1848 bis 1850 kostengünstiger als Hallenkirche nach Plänen von Johann Caspar Stawitz vollendet wurde.[4]

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche in den Luftangriffen auf Hanau erneut teilzerstört. Die heutige Kirche ist ein modernisierter, vereinfachter Wiederaufbau aus dem Jahr 1952 durch Albert Boßlet, dem der Historismus offensichtlich sehr fremd war. Der gestreiften Fassade lagerte er eine nüchtern-sachliche Fassade vor, die das ursprüngliche Streifenmuster nahezu vollständig verbirgt.

1981 wurde die heutige Kassettendecke eingebaut und die Verglasung im Kirchenschiff erneuert. 1999 wurde eine neue Sakristei in modernem Stil angefügt, die sich stockwerkshoch außen um den gesamten Chor legt.

Die Kirche ist ein Kulturdenkmal aufgrund des Hessischen Denkmalschutzgesetzes aus künstlerischen, geschichtlichen und städtebaulichen Gründen.[5]

Die große, französisch-symphonische Orgel wurde 1989 von der Orgelbaufirma Gebrüder Oberlinger (Windesheim) erbaut. Initiator war Regionalkantor Raimund Murch, von welchem auch die Disposition stammt. Das Instrument hat 56 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen elektrisch. Das Instrument dient insbesondere auch zu Konzertzwecken.[6]

I Grand Orgue C–g3

1. Montre 16′
2. Bourdon 16′
3. Montre 08′
4. Bourdon 08′
5. Flûte harmonique 0 08′
6. Gambe 08′
7. Prestant 04′
8. Flûte 04′
9. Doublette 02′
10. Cornet V 08′
11. Fourniture IV 0223
12. Mixtur V 0113
13. Bombarde 16′
14. Trompette 08′
15. Clairon 04′
II Positif C–g3
16. Bourdon 8′
17. Salicional 8′
18. Prestant 4′
19. Flûte 4′
20. Nasard 223
21. Doublette 2′
22. Tierce 135
23. Larigot 113
24. Cymbale IV 0 1′
25. Trompette 8′
26. Cromorne 8′
Tremulant
III Récit (schwellbar) C–g3
27. Bourdon 16′
28. Principal 08′
29. Bourdon 08′
30. Gambe 08′
31. Voix céleste 08′
32. Prestant 04′
33. Flûte octaviante 04′
34. Octavin 02′
35. Cornet III 0223
36. Plein jeu V 02′
37. Basson 16′
38. Trompette harmonique 0 08′
39. Hautbois 08′
40. Voix humaine 08′
41. Clairon 04′
Tremulant
Chamades C–g3
42. Chamade 00 16′
43. Chamade 08′
44. Chamade 04′


Pédale C–f1
45. Soubasse 00 32′
46. Montre 16′
47. Violon 16′
48. Soubasse 16′
49. Flûte 08′
50. Violoncelle 08′
51. Bourdon 08′
52. Prestant 04′
53. Flûte 04′
54. Bombarde 16′
55. Trompette 08′
56. Clairon 04′

Die Stadtpfarrkirche Mariae Namen besitzt das größte und umfangreichste katholische Geläute und gleichzeitig das Tontiefste Geläute neben der Marienkirche der Stadt Hanau. Das Geläute wurde in verschiedenen Abschnitten vervollständigt, zuletzt 1995 zum 50. Jahrestag der Zerstörung Hanau am 19. März 1945, am Heiligen Josephstag durch die besonders wohlklingende große Glocke Gloria Dei. Das Gesamtgeläute erklingt nach dem Salve Regina erweitert mit Oberoktave, das in dieser Tonlage nur selten in Deutschland anzutreffen ist. Ein beeindruckender Klang der besonders zu erwähnen ist, wenn an einem Hochfest die große Glocke über die Dächer der Stadt Hanau erklingt.

Nr.
 
Name
 
Gießer, Gussort
 
Gussjahr
 
Gewicht
(kg)
Durchmesser
(mm)
Nominal
(HT-1/16)
Funktion (Solo)
 
1 Gloria Dei
Zur Ehre Gottes
Glockengießerei Albert Bachert, Heilbronn 1994 2730 1670 c1 -9 Festtagsglocke (Vorzeichen), Tod eines Papstes, Bischof oder Geistlichen
2 Salvator mundi
Erlöser der Welt
Eifeler Glockengießerei Hans-August Mark, Brockscheid 1980 1250 1240 e1 -10 Sterbestunde Jesu (Freitags 15:00 Uhr)
3 Salve regina mater misericordiae
Sei gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit
Eifeler Glockengießerei Johannes Mark, Brockscheid 1971 750 1050 g1 -6 Angelus, Wandlung
4 Sursum corda
Empor die Herzen
Glockengießerei Alfred Bachert, Bad Friedrichshall-Kochendorf 1970 500 920 a1 -6 Messglocke (Vorzeichen)
5 Sancti angeli custodes
Heilige Schutzengel
Glockengießerei Albert Bachert, Heilbronn 1994 401 841 h1 -9 Taufglocke
6 Requiescant in pace
Sie mögen ruhen in Frieden
Glockengießerei Heinrich Ulrich, Apolda 1925 260 760 c2 +4 Totenglocke (Gemeindemitglieder)

Zu den verschiedenen Zeiten und Anlässen des Kirchenjahres ertönen in der Läuteordnung festgelegte Motive.

  • Auth: Der Bau der ersten katholischen Kirche in Hanau. In: Hanau Stadt und Land. Ein Heimatbuch für Schule und Haus. Hanau 1954, S. 467–470.
  • Caroline Krumm: Kulturdenkmäler in Hessen – Stadt Hanau = Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Kulturdenkmäler in Hessen. Wiesbaden 2006, S. 179f. ISBN 3-8062-2054-9.
  • Siegfried Lohr: Planungen und Bauten des Kasseler Baumeisters Julius Eugen Ruhl 1796–1871. Ein Beitrag zur Baugeschichte Kassels und Kurhessens im 19. Jahrhundert. Masch. Diss. Darmstadt [1982].
  • Fried Lübbecke: Hanau. Stadt und Grafschaft. Köln, 1951, S. 367ff.
Commons: Stadtpfarrkirche Mariae Namen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Fusionsurkunde der PfarreienAmtsblatt des Bistums Fulda Nr. 111 vom 12. Dezember 2020, abgerufen am 2. Januar 2021.
  2. Fried Lübbecke: Hanau. Stadt und Grafschaft. Köln, 1951, S. 367.
  3. Hanauer Geschichtsverein (Hrsg.): Mit Hebelius Potter rund um das alte Hanau – Eine Zeitreise zurück in das Jahr 1810. = Hanauer Historische Hefte 1. Hanau 2010, S. 34ff.
  4. Lohr, S. 217f.
  5. Krumm, S. 180.
  6. Bistum Fulda: Die Disposition der Orgel von Mariae Namen in Hanau.

Koordinaten: 50° 8′ 8,3″ N, 8° 54′ 53,5″ O