Marina schminkt Luciano
Marina schminkt Luciano |
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Franz Gertsch, 1975 |
Acryl auf Baumwolle, Malerei nach Fotografie |
234 × 346 cm |
Museum Ludwig, Köln |
Marina schminkt Luciano ist ein Gemälde von Franz Gertsch aus dem Jahr 1975; es zählt zu dessen Hauptwerken.[1]
Bildbeschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das 234 × 346 cm große fotorealistische Gemälde, das zur Sammlung des Museums Ludwig in Köln gehört,[2] zeigt einen Mann und eine Frau. Auf den ersten Blick scheint es, als könnte die Frau ein Mann sein und umgekehrt („Travestie“[3]), da sie ihre Haare streng nach hinten gekämmt hat, was ihr aus der Perspektive des Betrachters den Anschein verleiht, als trage sie einen Männerhaarschnitt. Der Mann hingegen hat mehr als schulterlanges Haar, das er zudem noch offen trägt, und eine Unterscheidung aufgrund Gesichtsmerkmalen wird unmöglich gemacht durch das starke, sehr grelle Make-up (sehr viel Rouge, blau angemalte Augenbrauen mit über die Schläfen auslaufenden Enden, knallrote Lippen bei ihr; dagegen sehr intensiv betonte Lippen, extrem dunkle Augen, mit Strichen verlängerte Wimpern und schwarze Augenbrauen bei ihm). Marina trägt eine Jacke, deren Muster durch viele Sterne in blau und weiß sowie Streifenmuster in rot und weiß stark der amerikanischen Flagge ähnelt, und sie beugt sich über Luciano, der ihr bereitwillig den Kopf entgegenhält, damit sie ihre „Arbeit“ an ihm vollenden kann. Der Hintergrund bietet einen starken Kontrast dazu. Die „Farben“ sind weiß und beige; das einzig wirklich Farbige ist das Mäandermuster der im rechten Teil des Bildes zu sehenden Kacheln.
Die Kompositionslinien des Hintergrundes laufen vertikal: die Außenlinie der Schranktür, die Fliesenfuge, die Leitung/das Rohr. Bei Marina und Luciano allerdings verlaufen die Konturen überwiegend schräg; der Kopf Marinas, der wie eine Verlängerung der Rückenlinie wirkt, der Unterarm, sogar die gebeugten Finger der schminkenden Hand, die Linie zwischen Lucianos Kinn und Haaransatz, die eine optische Fortführung des Unterarms ist, laufen alle parallel zueinander und quer zu den Kompositionslinien des Hintergrundes.
Die beiden Personen sind Marina Sibbe und ihr damaliger Freund, der Künstler Luciano Castelli, den Gertsch oft malte, nachdem Jean-Christophe Ammann ihn mit der Luzerner Bohème bekannt gemacht hatte.[4][5]
Technik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die den Bildern vorangegangenen Fotografien werden mit einem Projektor an die Wand geworfen und dann abgemalt. Was Franz Gertsch hierbei von Kollegen unterscheidet, die ähnliche Verfahren anwenden, ist, dass er statt Farbpistole schmale Pinsel verwendet, so dass sein Verfahren an den Pointillismus[6] erinnert.
Entstehungszeitraum und Zusammenhang
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1969 fand Gertsch mit dem Bild Huaa...!, das er dementsprechend auch als Werk Nr. 1[5] bezeichnete, zu seinem neuen Verfahren, nach fotografischen Vorlagen zu arbeiten. War Huaa...! aber noch nach einer Vorlage entstanden, die Gertsch in einer Zeitschrift gefunden hatte, so arbeitete er später mit eigenen Aufnahmen und Motiven aus dem Familien- und Freundeskreis. Die an sich banalen Sujets und Schnappschüsse werden durch die großen Dimensionen und die aufwändige Maltechnik überhöht. Zu den bekannten Werken aus dieser Phase gehören Medici und die Serie über Luciano Castelli und dessen Freundeskreis, die Gertsch in den Jahren 1971 bis 1977 schuf.[7][8] Dazu zählen z. B. auch Gaby und Luciano und At Luciano’s House (beide von 1973),[5] die wie das 1975 entstandene Gemälde Marina schminkt Luciano mit Acryl auf ungrundierter Baumwolle[3] gemalt wurden. Dass Gertsch „das Gemaltsein der Dinge“[5] mitmalt, unterscheidet ihn von anderen Fotorealisten und von Künstlern wie Gerhard Richter. Um 1978 wechselte Gertsch seine bevorzugten Motive und wandte sich dem Einzelporträt zu;[5] damit war die Phase, zu der Marina schminkt Luciano gehört, beendet.
Ausstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Durch die Ausstellung von Medici auf der documenta 5 1972 in Kassel waren Gertsch und seine fotorealistischen Gemälde schlagartig international bekannt geworden.[5][7] Sein 1975 entstandenes Bild Marina schminkt Luciano war nun bedeutend genug, um umgehend in die Sammlung des Kunsthistoriker-Ehepaars Irene und Peter Ludwig aufgenommen zu werden, und ist seit 1976 Leihgabe an das Kölner Museum Ludwig.[3] 1993 wurde es in einer Darstellung der Sammlung der Eheleute im Nürnberger Germanischen Nationalmuseum gezeigt („Ludwigs Lust. Die Sammlung Irene und Peter Ludwig“), 1995 im Kölner Museum Ludwig selbst („Unser Jahrhundert“). Weitere Museen mit Dauerleihgaben des Ehepaars sind
- das Ludwig Forum für Internationale Kunst in Aachen – Heimatstadt Irene Ludwigs und Stammsitz des von ihrem Urgroßvater begründeten und von Peter Ludwig ausgebauten Unternehmens Trumpf Schokolade, Ausstellung s. u. –
- und das Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien; in diesem war das Gemälde 2006/2007 anlässlich einer Doppelausstellung zu Gertsch zu sehen, die im „Mumok“ und in der Wiener Albertina stattfand.[6]
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Mumok Wien
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National Portrait Gallery London
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Musée d’art moderne de la Ville de Paris
1998 wurde das Bild in der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig, schließlich außerhalb des deutschen Sprachraums 2000/2001 in der National Portrait Gallery in London („Painting the Century. 101 Portrait Masterpieces 1900–2000“) und 2002 im Musée d’art moderne de la Ville de Paris („Urgent Painting“) ausgestellt.[3]
Zum 75. Geburtstag des Malers wurde eine Wanderausstellung Franz Gertsch – die Retrospektive konzipiert,[9] die 2005/2006 gleichzeitig im Kunstmuseum Bern und im Museum Franz Gertsch[1] in Burgdorf bei Bern gastierte – Marina schminkt Luciano wurde dabei in letzterem gezeigt[9] –, dann (mit Marina schminkt Luciano) 2006 im Aachener → Ludwig Forum[5][7][10][11] und schließlich in der Kunsthalle Tübingen.[12]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Reinhard Spieler unter Mitarbeit von Samuel Vitali (Hrsg.): Letzte Tage: Franz Gertsch – die Retrospektive. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2005, ISBN 978-3-7757-1661-1 (Text von Joachim Jäger, Peter J. Schneemann, Reinhard Spieler, Samuel Vitali u. a.; Katalog der Wanderausstellung).[11][10]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Daten und Literatur zum Werk, Reproduktionen im Rheinischen Bildarchiv („Kulturelles Erbe Köln“)
- C. Funke: Franz Gertsch, Marina schminkt Luciano. „Bild der Woche“: 17. Woche – 17. April bis 3. Mai 2009. In: museenkoeln. Abgerufen am 14. Januar 2017 (Wiederholung von 1998).
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Letzte Tage: Franz Gertsch – die Retrospektive. Museum Frank Gertsch, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 14. Januar 2017; abgerufen am 14. Januar 2017 (vgl. #Literatur). Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Die Sammlung des Museum Ludwig. Museum Ludwig, abgerufen am 14. Januar 2017.
- ↑ a b c d Daten zum Gemälde im Rheinischen Bildarchiv.
- ↑ Reinhard Spieler (Hrsg.): Letzte Tage: Franz Gertsch – die Retrospektive. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2005, ISBN 978-3-7757-1661-1, Biographie Luciano Castelli, S. 270.
- ↑ a b c d e f g Desto ferner blickt sie zurück. Das Geheimnis des Offenbaren – Retrospektive Franz Gertsch in Aachen. In: k.west – Magazin für Kunst Kultur Gesellschaft. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 14. Januar 2017; abgerufen am 14. Januar 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ a b Brigitte Borchhardt-Birbaumer: Hier wird der Alltag zur Mission. Albertina und Mumok feiern den Schweizer Hyperrealisten Franz Gertsch in einem Ausstellungs-Paarlauf. In: Wiener Zeitung. 18. Oktober 2006, abgerufen am 14. Januar 2017.
- ↑ a b c Andreas Ammer: Momente für die Ewigkeit. Das Ludwig Forum in Aachen zeigt Franz Gertschs atemberaubende Bilder in einer großen Retrospektive. In: WDR-Kulturweltspiegel. 2. April 2006, archiviert vom am 12. April 2008; abgerufen am 12. Februar 2017.
- ↑ Sandi Paucic: Gertsch, Franz. Langfassung. In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz. 2011, abgerufen am 11. Februar 2017.
- ↑ a b Franz Gertsch. Die Retrospektive. Kunstmuseum Bern, abgerufen am 14. Januar 2017.
- ↑ a b Datensatz des Gemeinsamen Verbundkatalogs.
- ↑ a b Datensatz der Deutschen Nationalbibliothek.
- ↑ Franz Gertsch. Die Retrospektive. Kunsthalle Tübingen, abgerufen am 14. Januar 2017.