Me (Mythologie)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der sumerischen Mythologie sind die Me (Keilschrift: 𒈨, ME, zu lesen: me, Aussprache: me, Akkadisch: parṣu[1]) göttliche Erlasse oder göttliche Anleitungen, gesellschaftliche Institutionen und Übereinkünfte, aber auch Technologien und Verhaltensweisen betreffend. Die Me bilden nach sumerischer Vorstellung die Grundlage der menschlichen Zivilisation.

Begriffsklärung

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man kann die Me als Menge von Regeln betrachten, die bestimmten Gottheiten und kulturellen Erscheinungen zugeordnet sind. In der sumerischen Vorstellungen sorgen die Me dafür, dass diese Erscheinungen für alle Zeit nach dem göttlich vorgesehenen Plan ablaufen. Sie sind deshalb auch unveränderlich[2]. Oft, aber keinesfalls immer, repräsentieren die Me Errungenschaften, die heute als positiv bewertet sind. Sie sind die "Summe der Zivilisation"[3] und können als eine Art erste Analyse dessen angesehen werden, was die eigene Kultur ausmacht[4].

Während die Me einerseits abstrakte Konzepte und göttliche Attribute sind, können sie wie konkrete Objekte verliehen werden, die man anziehen kann oder auf die man sich stellen kann[5]. Manche entsprechen physischen Gegenständen (Zepter, Musikinstrumente), andere sind Fertigkeiten (Schriftkunst, Korbflechten), wieder andere abstrakte Konzepte (Königtum, Prostitution). In einer modernen Tradition werden die Me als auf Tafeln eingeschrieben betrachtet, auch wenn in der Hauptquelle für Informationen über die Me, dem Mythos von Inanna und Enki, keine solchen Tafeln genannt werden.

Die Me im Mythos von Inanna und Enki

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In diesem Mythos verbringt die Göttin Inanna eine Nacht Bier trinkend mit dem Gott Enki. Im betrunkenen Zustand verspricht er ihr die Me. Inanna belädt ihr Schiff damit und bringt sie trotz Verfolgung durch Enkis Boten am nächsten Tag zu den Menschen in die Stadt Unug (Uruk)[6], deren Stadtgöttin sie ist.

Die Me werden im Mythos von Enki und Inanna viermal aufgezählt. Die Keilschrifttafeln sind nicht gut erhalten, und nicht alle Me sind in ihrer Bedeutung klar oder überliefert, aber es gibt wohl um die hundert davon. Genaue Zahlen variieren (64[7] bzw. 94[8] bzw. bis zu 110[9]).

Zu den Me gehören unter anderem[10]:

  • Heldentum, Kraft, Unehrenhaftigkeit, Rechtschaffenheit, das Plündern von Städten, das Klagelieder-Anstimmen, Herzensfreude.
  • Lügenhaftigkeit, das aufständische Land, Frieden, Nomadentum, das Unterwegs-Sein und der feste Wohnsitz.
  • verschiedene Handwerke: des Tischlers, Kupferschmieds, Schreibers, Schmieds, Sattlers, Walkers, Baumeisters, Mattenflechters.
  • Verstand, Wissen, Waschungsriten, Kohlenglutanhäufen, Schafstall, Ehrfurcht, Spannung, Schweigen
  • Feuer entfachen, Feuer löschen, harte Arbeit, Familie
  • Streit, Siegesgeschrei, Ratgeben, Beraten, Rechtsprechung, Entscheidung
  • Schwert, Keule, schwarzes Kleid, buntes Kleid, Nackenfrisur
  • Geschlechtsverkehr, Küssen, Prostitution
  • lautes Rufen, Verleumdung, Schmeichelei

In der Populärkultur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Im Roman The Moon's Fire-Eating Daughter von John Myers Myers stiehlt der Protagonist in einer Umdichtung des Mythos von Inanna und Enki zusammen mit Inanna die Me, insbesondere das Me der Schreibkunst, um selbst Dichter werden zu können.
  • Im Science-Fiction-Roman Snow Crash von Neal Stephenson spielen die Me die Rolle einer Art sprachlicher Software, die von den Priestern an die Bevölkerung ausgeteilt wird; in der sumerischen Ursprache werden durch das Anhören Hirnfunktionen umprogrammiert.
  • In Computerspielen wie Civilization (Sid Meier 1991) oder dem Brettspiel Civilization (Francis G. Tresham 1980) wird die Entwicklung früher Kulturen mit einem Technologiebaum nachvollzogen, dessen Elemente ähnliche kulturelle Errungenschaft wie die Me darstellen.
  • Jeremy Black, Anthony Green: Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. London 1992.
  • Gertrud Farber-Flügge: Der Mythos "Inanna und Enki" unter besonderer Berücksichtigung der Liste der me. Biblical Institute Press. Vol. 10 of Studia Pohl, Dissertationes scientificae de rebus orientis antiqui. Rome 1973.
  • Samuel Noah Kramer: The Sumerians: Their History, Culture, and Character. The University of Chicago Press, Chicago 1963. ISBN 0-226-45238-7
  • Samuel Noah Kramer und John Maier: Myths of Enki, the Crafty God. Oxford University Press, New York 1989.
  • Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes – Kulte, Mythen, Epen. Stuttgart 2004.
  • Willem H. Ph. Römer: "Mythen und Epen in sumerischer Sprache." In: Willem H. Ph. Römer, Dietz Otto Edzard (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 3, Lieferung III. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, ISBN 3-579-00074-8.
  • Inana and Enki Englische Übersetzung der Keilschrift-Quellen am ETCSL (The Electronic Text Corpus of Sumerian Literature, University of Oxford, England)

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Jeremy Black, Anthony Green: Gods, Demons and Symbols of Ancient Mesopotamia. London 1992, S. 130
  2. Samuel Noah Kramer und John Maier: Myths of Enki, the Crafty God. Oxford University Press, New York 1989, S. 57.
  3. Brigitte Groneberg: Die Götter des Zweistromlandes – Kulte, Mythen, Epen. Stuttgart 2004, S. 140.
  4. Samuel Noah Kramer: The Sumerians: Their History, Culture, and Character. The University of Chicago Press, Chicago 1963, S. 116.
  5. Gertrud Farber-Flügge: Der Mythos "Inanna und Enki" unter besonderer Berücksichtigung der Liste der me. Biblical Institute Press. Vol. 10 of Studia Pohl, Dissertationes scientificae de rebus orientis antiqui, Rome 1973; S. 197.
  6. Willem H. Ph. Römer: "Mythen und Epen in sumerischer Sprache." In: Willem H. Ph. Römer, Dietz Otto Edzard (Hrsg.): Texte aus der Umwelt des Alten Testaments. Band 3, Lieferung III. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 1993, S. 402.
  7. Kramer 1963, S. 116.
  8. Kramer und Maier 1989, S. 67.
  9. Farber-Flügge, S. 100.
  10. Farber-Flügge, S. 21ff und S. 55ff.