Muttertag (Roman)
Der Kriminalroman Muttertag ist der 9. Band aus der Bodenstein-Kirchhoff-Reihe der deutschen Schriftstellerin Nele Neuhaus, der in der Taunusregion um Frankfurt spielt.
Handlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 18. April 2017 wird in Königstein-Mammolshain die Leiche des verwitweten Fabrikanten Theodor Ernst Reifenrath (* 1930, 87 Jahre), dem Geschäftsführer von E. Reifenrath & Cie. – Taunus-Mineralbrunnnen Gesellschaft seit 1858, mit Schädelbasisbruch tot gefunden. Außerdem entdeckt man seinen halb verdursteten Malinois-Hund, der aus Hunger unter einer Betonplatte menschliche Knochen zum Vorschein gebracht hat. Sie gehören drei Frauen, wobei bei den Untersuchungsarbeiten der Spurensicherung noch eine Vierte in einem Brunnenschacht geborgen wird. Sie stellt sich am Ende als Theodors Ehefrau Rita (* 1927) heraus, die 1995 verschwand und offensichtlich erschossen wurde. Die Todesursache der anderen drei Frauen ist Ertrinken.
Das K11-Team um Oliver von Bodenstein und Pia Sander ermittelt die Identitäten der Mordopfer: Mandy Simon († 20), Disponentin (verschwunden am 11./12. Mai 1991 in Mannheim-Neckarau), Annegret Münch († 32), Stewardess (verschwunden am 9. Mai 1993) und Jutta Schmitz († 42), Controllerin (10. Mai 1996).
Die Polizei findet heraus, dass das Ehepaar Reifenrath auf ihrem Grundbesitz, einem ehemals von Nonnen geführten Kinderheim, später von den Nationalsozialisten übernommen, in den 1960er Jahren[1] Pflegekinder aufgenommen hatte. Nicht aus Nächstenliebe, sondern um vom Jugendamt Unterhaltsgeld zu beziehen. Dabei soll Rita Reifenrath ungehorsame Kinder mit sadistischen Methoden bestraft haben. Dazu gehörten z. B. das Untertauchen in der Badewanne, bis das Opfer dachte, es würde ertrinken, das Einsperren in die Tiefkühltruhe, in ein Erdloch oder das Verbringen der Nacht mit durchnässter Kleidung auf dem Flur. Rita Reifenrath galt als manisch-depressiv und die äußerlich intakte Ehe mit Theo als "Psycho-Hölle". Sie hatte ihren Ehemann über 40 Jahre lang systematisch erniedrigt und gedemütigt. In dieser hasserfüllten Atmosphäre wuchsen das leibliche Kind der Reifenraths und die Pflegekinder auf. Zudem bildeten sich Hierarchien aus. Fridtjof und Joachim genossen Privilegien, erhielten ein Einzelzimmer, ein Commodore Amiga und eine bessere Schulbildung auf dem Gymnasium.
Eines der Pflegekinder war Claas Reker, der sich als Ältester und Stärkster an der Züchtigung und Erniedrigung der anderen Kinder beteiligte. Er wurde im Alter von 15 Jahren Zeuge, wie am 10. Mai 1981 die kleine Nora Bartels im Waldteich Froschpfuhl ertränkt wurde. Reker, der als elternloses Heimkind sofort verdächtigt wurde, ist seit diesem traumatischen Erlebnis schwer gezeichnet und verbringt einen Großteil seines Lebens in der Psychiatrie. Später findet er eine Anstellung als Hilfsarbeiter im Fraport/Flughafen Frankfurt. Dort wird er vom K11-Team verhört, da man ihn wegen Mord an Reifenrath verdächtigt. Dies erhärtet sich jedoch nicht. Anstattdessen gerät der Enkel Fridtjof Reifenrath wegen Fingerabdrücken auf einer Pistole, mit der Rita Reifenrath erschossen wurde, in dringenden Tatverdacht. Seine Mutter starb in Berlin an einer Heroinüberdosis und das Kind wurde von seinen Großeltern in Mammolshain aufgenommen.
Fridtjof Reifenrath bekommt im Leben die Kurve und wird sogar zum Vorstandsmitglied des renommierten DAX-Unternehmens Deutsche Effecten- und Handelsbank. Bei seiner Verhaftung gesteht Fridtjof, dass es sein betrunkener Großvater war, der seine Frau in Rage erschoss. Bei der Beseitigung der Leiche half ihm das Pflegekind Joachim Vogt. Das K11 vermutet, dass weitere Taten in Verbindung mit dem Serienmord stehen: 1988 Eva Tamara Scholle in Aschaffenburg und 1997 Elke von Donnersberg in Hamburg.
Im Zeitraum von 1998 bis 2011 pausierte die Mordserie, für den die Ermittler keine weitere Anhaltspunkte finden. Die Mordserie setzte 2012 mit Rianne van Vuuren in Gravenbruch wieder ein und führt sich in den Jahren 2013 und 2014 weiter fort. Es ist immer das gleiche Muster: Tat am Muttertag, Frauen in Bekleidung und in Folie eingewickelt. Das K11-Team befürchtet, dass es am 14. Mai, dem Muttertag des Jahres 2017 erneut zu einer Mordtat kommen könnte.
Am 27. April 2017 findet das K11 die Leiche von Claas Reker, der in die Privatwohnung von „Kim“ Katharina Freitag, der Schwester von Pia Sander, eingedrungen und dort ermordet worden war. Am 28. April 2018 fliegen von Bodenstein und Nicola Engel nach Hamburg, um im Umfeld von Gero von Donnersberg, dem Geschäftsführer der Kaffeerösterei Donnersberg & Söhne, zu ermitteln, da seine Ehefrau Elke von Donnersberg im Mai 1997 verschwand. Die Kriminalbeamte finden Elkes Briefe, in denen sie gesteht, dass sie einen außerehelichen Sohn hatte, von dem ihr Mann nichts wusste. Elke hatte 1973 ihr Kind als Pflegekind in die Obhut der Reifenraths in Mammolshain abgegeben und es regelmäßig am Muttertag besucht. Im Jahr 1980, als ihre Mutter in Frankfurt starb, hatte sie ihre Besuche aufgegeben.
Es kommt ein weiterer Mordfall in Verbindung, der sich im August 1987 auf Kreta ereignete, als die französische Rucksacktouristin Magalie Beauchamp ermordet wurde. Zur gleichen Zeit feierten im gleichen Gebiet Fridtjof Reifenrath, Joachim Vogt und andere ihr bestandenes Abitur. Die K11-Ermittler finden heraus, dass alle Mordopfer die Gemeinsamkeit haben, dass sie ihr Kind in Stich ließen und offenbar dafür "bestraft wurden". Pia Sander findet heraus, dass ihre Schwester Kim während ihres Studiums in Frankfurt eine leidenschaftliche Affäre mit Fridtjof Reifenrath hatte, in den sie sehr verliebt war. Fridtjof hingegen hatte das Mädchen lediglich sexuell ausgenutzt. 1994 traf ihn Kim auf einer Party wieder, auf der er sie zutiefst demütigte, indem er seine Verlobung mit einer anderen Frau öffentlich machte. Kim betrinkt sich; Joachim nutzt ihren hilflosen Zustand aus und vergewaltigt sie.
Alles deutet darauf hin, dass Joachim Vogt der Serientäter ist. Bei einer Durchsuchung seines Hauses in Wildsachsen findet man typische Trophäen eines Serienmörders, wie Haarsträhnen oder einem Schlüsselbund, welche den Opfern abgenommen wurde. Die Polizei und das angeforderte SEK will Vogt auf seinem Arbeitsplatz, dem Flughafen Frankfurt, überraschen. Es kommt zu einem Showdown in den Katakomben, nachdem Vogt die IT-Systeme des Flughafens sabotiert hat. Vogt wird angeschossen und gibt das Versteck von zwei Frauen, die er versteckt hält, nur nach einem Trick preis.
Figuren
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Oliver von Bodenstein – Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter des K11
- Pia Sander, ehem. Kirchhoff – Kriminalhauptkommissarin K11
- Dr. Nicola Engel – Kriminaldirektorin, Leiterin des RKI Hofheim
- Kai Ostermann – Kriminaloberkommissar K11
- Kathrin Fachinger – Kriminaloberkommissarin K11
- Cem Altunay – Kriminalhauptkommissar K11
- Tariq Omari – Kriminaloberkommissar K11
- Christian Kröger – Kriminalhauptkommissar Erkennungsdienst
- Stefan Smykalla – Kriminaloberkommissar Pressesprecher K11
- Prof. Dr. Henning Kirchhoff – Leiter Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt am Main
- Dr. Frederik Lemmer – Rechtsmediziner
- Ronnie Böhme – Sektionshelfer
- Dr. Kim Freitag – Forensische Psychiaterin
- Dr. David Harding – Profiler
- Dr. Karl-Heinz Katzenmeier – Nachbar; Uschi Katzenmeier – seine Frau
- Dr. Raik Gehrmann – Tierarzt
- Sandra Reker; Claas Reker – ihr Ex-Mann
- Oberstaatsanwalt Rosenthal
- Dr. Fridtjof Reifenrath
- Martha Knickfuß
- Ramona Lindemann; Sascha Lindemann
- Joachim Vogt – Serienmörder
- Prof. Dr. Martina Siebert – Ärztin und Frau von Joachim Vogt
- Anja Manthey
- Jens Hasselbach – Bediensteter Flughafen Frankfurt
- André Doll
- Britta Ogartschnik
- weitere Personen: Nora Bartels, Fiona Fischer, Ferdinand Fischer, Dr. Christoph Sander, Karoline von Bodenstein, Monika Wahl, Polizeioberkommissar Dennis Cordt, Theodor Reifenrath, Jolanda Scheithauer und Bettina Scheithauer
Sprachstil
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Er lehnte mit dem Rücken am narbigen Stamm der mächtigen Trauerweide, deren Äste ins Wasser des Sees hingen, und genoss das seltene Glück, völlig allein zu sein. Dies war sein Lieblingsort. Hier konnte er ungestört seine Gedanken schweifen lassen.“
Rezensionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Muttertag gleich Todestag: Nele Neuhaus raubt dem Taunus wieder seine Ruhe. „Muttertag“, das klingt nach Familienidylle und geselligem Beisammensein mit Blumen, Pralinen und leckerem Essen. Bestsellerautorin Nele Neuhaus verleiht dem Tag jedoch eine ganz andere Note: die des Grauens.“
Es ist der persönliche Rachefeldzug eines Psychopathen gegen Frauen.[3] Der Kriminalroman Muttertag entführt den Leser in die dunklen Abgründe Hessens.[4] Es geht um einen komplexbeladenen Serientäter, der am Muttertag seine weiblichen Opfer entführt und ertränkt.[4] Taten, die im Zusammenhang der Pflegekinder des Ehepaars Reifenrath stehen. Nele Neuhaus arbeitet mit Erzählsträngen aus drei Perspektiven und einem flüssigen und schnörkellosen Schreibstil.[4] Dazu gehören die Ermittlungsarbeiten des K11 um Bodenstein und Sander, die Geschichte des Täters aus der Ich-Perspektive und die Schweizerin Fiona Fischer, die auf der Suche nach der leiblichen Mutter ist.[4] Das Buch ist als klassischer und gut recherchierter Kriminalroman[5] konzipiert, welcher die Ermittlungsarbeiten des K11 behandelt. Zeitsprünge zwischen den Kapiteln werden mit Datumsangaben gekennzeichnet.[4] Der Spannungsbogen wird bis zum großen Finale und Showdown auf dem Frankfurter Flughafen kontinuierlich aufrechterhalten.
Einordnung in das Werk der Autorin
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nele Neuhaus nennt im Vorwort den Ausspruch des englischen Schriftstellers W. H. Auden:
„Evil is unspectacular and always human, and shares our bed and eats at our own table. - Das Böse ist unspektakulär und stets menschlich, es teilt unser Bett und sitzt mit uns am Tisch.“
Die Autorin war durch die Taten des mutmaßlichen Serienmörders Manfred Seel[6][7] inspiriert, der ebenfalls ein Doppelleben vorspielte, eine Fassade, um seine wahren Neigungen vor den Mitmenschen zu verbergen. Seels Tochter entdeckte Leichenteile in der Garage ihres verstorbenen Vaters, was Nele Neuhaus die Idee für ihren Roman lieferte.
„„Nicht seine Taten waren für mich interessant, sondern die Tatsache, dass dieser Mann hinter einer bürgerlichen Fassade über Jahrzehnte ein Doppelleben geführt hat – einerseits unzählige Frauen bestialisch ermordet hat und zugleich zumindest nach außen ein normales Familienleben geführt hat. Wie kann ein Mensch so etwas schaffen? Wie ist es möglich, dass seine Familie nichts bemerkte? Dies ist mein Ansatz““
Ihre Figuren nehmen sogar direkt und namentlich Bezug auf den mutmaßlichen „Hessen-Ripper“ aus Schwalbach:
„„Die Opfer von Manfred Seel gehörten alle einer Hochrisikogruppe an, an die vergleichsweise leicht heranzukommen ist.“, sagte Bodenstein.“
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Der Titel Muttertag ist im weiteren Sinne die Fortsetzung von Band 8, Im Wald, bei dem jetzt die Ermittlerin Pia Sander im Vordergrund steht.
Verkaufserfolg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nele Neuhaus Muttertag überholte kurz nach Erscheinen im Jahr 2018 den Bestsellerautor Sebastian Fitzek mit Der Insasse vom ersten Platz der Belletristik-Hardcover-Charts.[9][10] Die Premierelesung des Kriminalromans fand am 26. November 2018 in der Stadthalle von Hofheim statt. "Muttertag" gehört damit zu den meistverkauften Büchern[11][12] in diesem Segment.
Verfilmung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Kriminalroman wurde im Jahr 2021 unter dem Titel Muttertag – Ein Taunuskrimi unter der Regie von Felix Herzogenrath verfilmt und erstmals im Februar 2022 auf ZDF ausgestrahlt.
Textausgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Nele Neuhaus: Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi, Band 9). 556 Seiten. Ullstein Hardcover. Berlin 2018. ISBN 978-3-550-08103-3.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Muttertag (Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi 9). Nele Neuhaus. Sie hatten ein Geheimnis. Sie mussten sterben. An einem Sonntag. Ullstein Buchverlage
- Nele Neuhaus: Muttertag. Vorablesen
- Muttertag. Der 9. Fall von Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein. Nele Neuhaus Homepage
Anmerkungen und Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ „Muttertag“: Taunus-Ermittler jagen Serienmörder. Kölner Stadt-Anzeiger. 4. Dezember 2018
- ↑ Muttertag gleich Todestag: Nele Neuhaus raubt dem Taunus wieder seine Ruhe Dr. Anja Braunwarth in Medical Tribune vom 19. September 2019
- ↑ Muttertag von Nele Neuhaus. Linie 11. 19. Dezember 2018
- ↑ a b c d e „Wenn das Böse in die Familie einbricht.“ Nele Neuhaus: Muttertag in Krimi-Couch. Eine Rezension von Carola Krauße-Reim. Januar 2019. Krimi-Couch
- ↑ Nele Neuhaus|Muttertag
- ↑ Nele Neuhaus: Vorlage für nächsten Krimi ist Fall des Hessen-Rippers Manfred Seel. Allgemeine Zeitung. 29. Juni 2018
- ↑ Nele Neuhaus. "Muttertag" heißt der neue Kriminalroman von Nele Neuhaus. Inspirieren ließ sich die Bestsellerautorin von den mysteriösen Morden, die der Schwalbacher Manfred Seel in den 1990er Jahren begangen haben soll. Serienkiller im Taunus. Frankfurter Rundschau. 4. Januar 2019
- ↑ Neuer Taunuskrimi: Fall Manfred Seel hat Nele Neuhaus inspiriert. Frankfurter Neuer Presse. 17. November 2018
- ↑ Buchcharts – die aktuellen Bestsellerlisten. "Muttertag" im November. Börsenblatt. Das Fachmagazin der Buchbranche. 28. November 2018
- ↑ Bestseller 2018. Die meistverkauften Romane des Jahres. Was lohnt sich zu lesen? Hier sind die Top 5 der meistverkauften Romane des Jahres. SPIEGEL-Kultur. 31. Dezember 2018
- ↑ Ludwigshafen. Den ersten Platz unter den meistverkauften Büchern im Dezember nimmt unbestritten Michelle Obamas Autobiografie „Becoming“ ein. Außerdem haben noch zwei Thriller, Sebastian Fitzeks „Der Insasse“ und Nele Neuhaus’ „Muttertag“, beachtliche Verkaufszahlen vorzuweisen.Von Clowns und Zauberern. Die Rheinpfalz. 9. Januar 2019
- ↑ Denis Scheck kommentiert die Top Ten Belletristik. Druckfrisch. Neue Bücher mit Denis Scheck. Das Erste. 27. Januar 2019