Neue Frau (Feminismus)

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Selbstportrait (als Neue Frau) von Frances Benjamin Johnston 1896
Gibson-Girls nehmen Mann unter die Lupe (1903)

Der Begriff Neue Frau (englisch New Woman) war eine feministische Idealvorstellung von einem veränderten Rollenverhältnis von Frau und Mann, die im ausgehenden 19. Jahrhundert entstand und einen bedeutenden Einfluss auf den Feminismus im 20. Jahrhundert hatte.

Entstehung des Begriffs

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Der Ausdruck Neue Frau wurde durch den Schriftsteller Charles Reade in seinem Roman A Woman Hater geprägt, der ursprünglich als Fortsetzungsroman im Blackwood’s Magazine abgedruckt worden war und dann 1877 in drei Bänden als Buch erschien. 1894 benutzte die irische Schriftstellerin Sarah Grand in einem wichtigen Artikel den Ausdruck Neue Frau, um die unabhängigen Frauen zu charakterisieren, die einen radikalen Wandel anstrebten. Und als Antwort darauf benutzte die englische Schriftstellerin Maria Louisa Rame (Pseudonym Quida) diesen Ausdruck als Überschrift eines Folgeartikels.[1] Der Ausdruck wurde populär durch den britisch-amerikanischen Schriftsteller Henry James, der ihn benutzte, um die zunehmende Anzahl der feministischen, gebildeten und unabhängigen Karrierefrauen in Europa und in den Vereinigten Staaten zu beschreiben.[2]

Das Bestreben der Frau, ihr Leben eigenständig und unabhängig zu gestalten, betraf nicht nur das eigene Bewusstsein. Es schloss auch einen äußeren Wandel bei Verhaltensweisen und Kleidung ein. Durch die Aktivität von Frauen als Radfahrerin beispielsweise erhöhten sie die Möglichkeit, sich weiträumiger und aktiver mit der Welt und ihren Gegebenheiten auseinanderzusetzen.[3] Die Neue Frau überwand die Einschränkungen, die ihr durch eine männerdominierte Gesellschaft jahrhundertelang auferlegt waren. Literarisch kam die Neue Frau zum Beispiel in den Stücken des Dramatikers Henrik Ibsen (1828–1906) vor.

Die Neue Frau in Deutschland

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Mit der Gründung des Deutschen Frauenvereins 1865 wurden unter Führung von Luise Otto-Peters erstmals Rechte von Frauen eingefordert. Zentrale Anliegen waren das Wahlrecht für Frauen sowie deren Gleichberechtigung beim Zugang zu Bildung und Berufsausübung. Später wurden diese Bestrebungen durch die Frauenrechtlerin Anita Augspurg ergänzt um das Postulat einer Sexualmoral, die der von Männern gleichgestellt war.[4] Proletarische Aktivistinnen wie Clara Zetkin und Adelheid Popp erweiterten den Begriff der Neuen Frau um Forderungen nach einer grundlegenden Veränderung des Gesellschaftssystems im Kaiserreich.

Der Erste Weltkrieg brachte für die Frauen in Deutschland große Veränderungen in ihrem Alltagslebens mit sich. Solange die Männer an der Front standen, mussten die Frauen deren Aufgaben in Gesellschaft und Berufswelt übernehmen. Viele Weltkriegsteilnehmer kehrten nicht mehr zurück oder waren nach Kriegsende körperlich versehrt und traumatisiert. Zu Hause trafen sie auf Frauen, die seit Jahren die Eigenverantwortung für sich, die Familie und die Wirtschaft übernommen hatten. Der Neuen Frau war in dieser Zeit eine ganz neue Art von Selbstbestimmung zugekommen, auch in Fragen von Partnerschaft und Sexualität. Vor allem in den Großstädten hatte ein Wandel der Sexualmoral stattgefunden, die sich in einer nie gekannten Freizügigkeit äußerte. Zu Beginn der Weimarer Republik stieg die Scheidungsrate in Deutschland spürbar an. Dies betraf sowohl die in den Kriegsjahren hastig geschlossenen Ehen als auch solche von langer Dauer.[5]

Den entscheidenden Impuls in Deutschland erhielt der Begriff nach Einführung des Frauenwahlrechts 1919 sowie im Zuge des Aufkommens spezifisch von Frauen ausgeübter Angestelltenberufe in der sich entwickelnden Dienstleistungsbranche der 1920er Jahre, wodurch sich die Rolle der Frau grundlegend veränderte.[6][7] Frauen wurden dadurch zu Mitgestalterinnen in den neu geschaffenen Demokratien Europas, sie waren Konsumentinnen, berufstätig, sportlich-aktiv und traten zunehmend selbstbewusst und eigenständig in Erscheinung. Viele machten sich in der Kunst- und Kulturszene einen Namen.

Die Illustrierte Das Leben, die von 1923 bis 1935 in der deutschen Presselandschaft relevant war, galt zeitweise als Aushängeschild der Emanzipationsbewegung Neue Frau. Sie transportierte durch eine betont freizügige Berichterstattung das Image von Frauen in selbstbewusster Attitude, als Motorradfahrerin, Tänzerin oder als Gesellschaftsdame in manchmal frivolen und lasziven Posen.[8] Weitere Illustrierte mit Bezug auf den Themenkreis Neue Frau waren Die Dame und Elegante Welt. Hier waren Stilelemente wie Bubikopf, Zigaretten mit Verlängerer bei Frauen, knielange Röcke, Glockenhüte, spitz zulaufende Modeschuhe sichtbar.[9]

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden viele zuvor erkämpfte Errungenschaften aufgehoben. Die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Politik und Gesellschaft war unerwünscht; ihnen wurde das passive Wahlrecht entzogen. In der faschistischen Ideologie galten ausschließlich Männer als geeignet, Politiker zu werden. Frauen waren auf ihre Rolle als Mütter reduziert; das Wichtigste war, dem NS-Staat Kinder zu schenken. Damit verbunden war das Mutterkreuz als höchste Form gesellschaftlicher Anerkennung. Beruflich erwünscht waren Frauen allenfalls in Berufen, die traditionellerweise mit Pflege, Erziehung und Haushalt zu tun hatten.[10] Selbstbestätigung konnten Frauen aber durch sportliche Spitzenleistungen erlangen; einzelne profilierten sich zudem als Pilotinnen und Filmschaffende.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die Arbeitskraft der Frau in der Rüstungsproduktion ausgenutzt sowie in allen Berufen, in denen Männer durch ihre Kriegsverwendung ausfielen. Nach 1945 trugen Frauen als Trümmerfrauen zum Wiederaufbau des Landes entscheidend bei. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wurde durch Initiative von politisch engagierten Frauen der entscheidende Art. 3 Abs. 2 durchgesetzt: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Die Neue Frau im englischen Sprachraum

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Their First Quarrel („Ihr erster Streit“), eine Illustration (1914) von Charles Dana Gibson. Das Gibson Girl war eine glamouröse Version der Neuen Frau

Der Schriftsteller Henry James war einer der Autoren, die den Ausdruck New Woman im englischen Sprachraum populär machten. Er verkörperte sie durch Titelfiguren wie Daisy Miller oder Isabel Archer aus seinem Roman Portrait of a Lady. Nach Ansicht der Historikerin Ruth Bordin versuchte James mit dem Ausdruck Neue Frau, die in Europa lebenden Ex-Amerikanerinnen zu beschreiben: Wohlhabende, gutsituierte Frauen, die auf Basis ihres Wohlstands ein unabhängiges Leben führten, das sie eigenverantwortlich handeln ließ. Der Begriff bezog also sich auf Frauen, die sowohl auf der persönlichen und gesellschaftlichen wie auch auf der wirtschaftlichen Ebene emanzipiert agierten.[11]

Höhere und berufliche Bildung

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Die Geologin Florence Bascom war eine dieser typischen Neuen Frauen. Sie erwarb 1893 als erste Frau einen Doktorgrad an der Johns Hopkins University und wurde 1894 als erste Frau in die Geological Society of America gewählt.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts konnten Frauen zunehmend höhere Bildungsabschlüsse erreichen. Immer mehr Frauen legten das Abitur ab; der Anteil an Akademikerinnen stieg an. Frauen ergriffen zunehmend Berufe, die zuvor ausschließlich Männern vorbehalten waren: Sie wurden Juristinnen, Ärztinnen, Journalistinnen und Hochschullehrerinnen.

Mit fortschreitender wirtschaftlicher Entwicklung entstanden neue Angestellten-Berufe, die Frauen Zugang zu Erwerbstätigkeiten im Geschäftsleben und in der Verwaltung eröffneten. Der Frauenanteil an den beruflich Tätigen außerhalb der Landwirtschaft nahm in allen wirtschaftlich entwickelten Ländern kontinuierlich zu.

Wahlrecht für Frauen

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Die Einführung des Frauenwahlrechts wurde in Großbritannien erst durch jahrzehntelangen politischen und gesellschaftlichen Druck seitens der Bewegung der Suffragetten im Jahre 1928 in gleichem Umfang wie die Männer durchgesetzt.[12]

In Neuseeland war zuvor das Wahlrecht für Frauen bereits 1893, in Australien im Jahr 1902 eingeführt worden.[13]

Sexualität und gesellschaftliche Erwartungen

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Ein satirisches Foto mit dem Titel Waschtag der Neuen Frau (1901)

Selbstständigkeit und Unabhängigkeit waren grundlegende Ziele für die Frauen am Ende des 19. Jahrhunderts.

Historisch gesehen ist es eine Binsenwahrheit, dass die Frauen in gesetzlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht immer abhängig waren von ihrem Ehemann, von männlichen Verwandten oder sozialen und mildtätigen Einrichtungen. Die Entwicklung der Möglichkeiten zur zu Bildung und beruflicher Karriere für Frauen im späten 19. Jahrhundert bedeutete – ähnlich wie die neuen gesetzlichen Rechte auf Eigentum (wenn auch noch nicht das Wahlrecht) – dass sie eine neue Stellung der Wahlfreiheit einnehmen konnten, wenn es um die Auswahl der Heirats- und Sexualpartner ging. Die Neue Frau legte großen Wert auf ihre sexuelle Autonomie; aber diese war schwer in die Tat umzusetzen, da die Gesellschaft sich noch laut missbilligend äußerte, wenn es um irgendwelche Anzeichen von weiblicher Leichtfertigkeit ging. Jede sexuelle Aktivität außerhalb der Ehe wurde bei den Frauen im Viktorianischen Zeitalter als unmoralisch beurteilt.

Veränderungen im Scheidungsrecht im späten 19. Jahrhundert ließen eine Neue Frau entstehen, die eine Scheidung überleben konnte, mit unversehrter wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Eine zunehmende Zahl von geschiedenen Frauen heirateten wieder. Die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Ansehens bei der Wahrnehmung ihrer legalen Möglichkeiten, die immer noch von vielen als unmoralisch eingeschätzt wurden, wurde für die Neue Frau eine Herausforderung. In den Romanen von Henry James war klar, dass seine Heldinnen – wie frei sie sich auch fühlten bei der Ausübung ihrer intellektuellen und sexuellen Selbstständigkeit – am Ende doch einen Preis für ihre Entscheidungen zahlen mussten.

Klassenunterschiede

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Die Neue Frau war das Ergebnis des wachsenden Ansehens der Hochschulbildung und der gehobenen Berufe bei Frauen, die zur privilegierten oberen Klasse der Gesellschaft gehörten. Zur Jahrhundertwende war Universitätsausbildung an sich bei Männern immer noch ein Zeichen des Wohlstands. Weniger als 10 Prozent der Leute in den Vereinigten Staaten hatten eine solche Hochschulausbildung.

Die Frauen, die an die Hochschulen gingen, gehörten im Allgemeinen zur weißen Mittelklasse. Folglich wurden die Frauen der Arbeiterklasse, die Farbigen und die Immigrantinnen im Wettlauf zur Erreichung des feministischen Modells im Stich gelassen. Autorinnen, die diesen Randgruppen angehörten, kritisierten diese Tatsache oft. Obwohl sie die Unabhängigkeit der Neuen Frau anerkannten und respektierten, konnten sie die Tatsache nicht ignorieren, dass die Standards für eine Neue Frau des „Fortschrittszeitalters“ zum größten Teil nur von Frauen der weißen Mittelklasse erreicht wurden.[14]

Literatur und Schöne Künste

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Plakat mit Alla Nazimova als Hedda Gabler (1907)

Ein paar Beispiele sollen verdeutlichen, wie man sich in der Literatur und im Theater mit den Problemen auseinandergesetzt hat, die das neue Rollenmodell der Neuen Frau mit sich brachte.

Im Bereich der Bühne und des Dramas sah das späte 19. Jahrhundert solche „Neue-Frauen-Stücke“ wie Henrik Ibsens Dramen Nora oder Ein Puppenheim (1879) und Hedda Gabler (1890), Henry Arthur Jones Stück The Case of Rebellious Susan (1894) und George Bernard Shaws umstrittene Dramen Frau Warrens Gewerbe (1893) und Candida (1898). Der Karikaturist Max Beerbohm machte in dieser Hinsicht einen bezeichnenden Scherz, indem er schrieb: „The New Woman sprang fully armed from Ibsen’s brain“ (deutsch „Die Neue Frau entsprang in voller Rüstung dem Gehirn Ibsens.“ Wohl eine Anspielung auf die Geburt der Athena.)[15]

In Bram Stokers Roman Dracula wird an einigen Stellen die Neue Frau erwähnt. Die weiblichen Hauptfiguren diskutieren die veränderten Rollen der Frau, insbesondere der Neuen Frau. Mina Harker verkörpert mehrere charakteristische Eigenschaften der Neuen Frau. Sie kann Schreibmaschine schreiben und vernünftig deduktiv argumentieren – zum Amüsement der männlichen Figuren. Lucy Westrenra überlegt, ob die Neue Frau nicht mehrere Männer gleichzeitig heiraten könnte, was wiederum ihre Freundin Mina schockiert. Feministische Untersuchungen von Dracula betrachten die männliche Angst vor der Frauenfrage und der weiblichen Sexualität als zentrale Probleme des Buchs.[16]

In der Weimarer Republik und im Österreich der Zwischenkriegszeit wurde die Neue Frau in zahlreichen Werken der Literatur dargestellt, z. B. von Paula Schlier (Petras Aufzeichnungen oder: Konzept einer Jugend nach dem Diktat der Zeit, 1926), Joe Lederer (Das Mädchen George, 1928), Marieluise Fleißer (Mehlreisende Frieda Geier, 1931) und Irmgard Keun (Gilgi – Eine von uns, 1931; Das kunstseidene Mädchen, 1932). Die Juristin Elsa Herrmann (1893–1957) veröffentlichte 1929 ihr Sachbuch So ist die neue Frau.[17]

Charles Dana Gibson, The Reason Dinner Was Late, (dt. Der Grund, warum das Dinner sich verspätete) 1912

Am Ende des 19. Jahrhunderts stellte Charles Dana Gibson die Neue Frau in seinem Gemälde The Reason Dinner was Late dar; es ist „a sympathetic portrayal of artistic aspiration on the part of young women“ (dt. eine einfühlsame Darstellung künstlerischen Ehrgeizes auf Seiten junger Frauen). Die junge Frau malt einen zu Besuch weilenden Polizisten und das Abendessen muss warten.[18][19]

Um die Jahrhundertwende herum waren 88 Prozent der Abonnenten von unzähligen Magazinen und Zeitschriften Frauen. Sobald Frauen ein Teil der Künstlergemeinschaft geworden waren, beschäftigten die Verleger Frauen, damit diese die Illustrationen kreierten, die die Welt aus der Perspektive der Frau abbildeten.[20]

„The new woman, in the sense of the best woman, the flower of all the womanhood of past ages, has come to stay — if civilization is to endure. The sufferings of the past have but strengthened her, maternity has deepened her, education is broadening her — and she now knows that she must perfect herself if she would perfect the race, and leave her imprint upon immortality, through her offspring or her works.“

Winnifred Harper Cooley: The New Womanhood

(deutsch: Die Neue Frau, im Sinne der besten Frau, der Blüte aller Weiblichkeit der vergangenen Zeiten, kann man sich nicht mehr wegdenken, wenn uns die Zivilisation ebenfalls erhalten bleibt. Die Leiden der Vergangenheit haben sie nur gestärkt, die Mutterschaft hat sie tiefgründiger gemacht, die Bildung hat ihren Horizont erweitert; und sie weiß nun, dass sie vollkommen werden muss, wenn sie die Menschheit vervollkommnen und so ihren Prägestempel auf der Unsterblichkeit hinterlassen will, durch die Nachkommen oder ihre Werke.)

„I hate that phrase "New Woman". Of all the tawdry, run-to-heel phrases that strikes me the most disagreeably. When you mean, by the term, the women who believe in and ask for the right to advance in education, the arts, and professions with their fellow-men, you are speaking of a phase in civilisation which has come gradually and naturally, and is here to stay. There is nothing new or abnormal in such a woman. But when you confound her with the extremists who wantonly disown the obligations and offices with which nature has honored them, you do the earnest, progressive women great wrong.“

Emma Wolf: The Joy of Life

(deutsch: Ich hasse die Phrase Neue Frau. Sie erscheint mir die abzulehnendste aller geschmacklosen, wieder verschwindenden Ausdrücke zu sein. Wenn damit, durch diesen Ausdruck, die Frauen gemeint sind, die an das Recht glauben und um das Recht bitten, in der Bildung, der Kunst und im Berufsleben mit ihren männlichen Kollegen gleichermaßen vorwärts zu kommen, so spricht man von einer Phase der Zivilisation, die sich allmählich und natürlich entwickelt hat und die bleiben wird. Es ist nichts Neues oder Unnormales in einer solchen Frau. Aber wenn man sie verwechselt mit den Extremisten, die auf gefährliche Weise die Verpflichtungen und Aufgaben ablehnen, mit der die Natur sie ausgezeichnet hat, dann tut man den ernsten, fortschrittlichen Frauen großes Unrecht.)

Schon Emma Wolf hatte im obigen Kommentar das Problem angesprochen, dass die Entwicklung zur selbstständigen und selbstbewussten Neuen Frau eine Phase in der Entwicklung der Zivilisation sei, die bleiben würde. Nach beiden Weltkriegen ließ sich die Entwicklung zur Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau nicht mehr verhindern, nur zeitweise behindern oder hemmen. Dieser Prozess geht im 21. Jahrhundert weiter; weltweit ist die Frau noch weit von der Geschlechtergerechtigkeit entfernt, und selbst in den hochentwickelten Demokratien kämpft die Moderne Frau weiterhin um die volle Gleichberechtigung und Chancengleichheit.

Flapper der 1920er Jahre

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Flapper: Frau als flatternder Schmetterling? (1922)

Das Aufkommen der modeorientierten und an Partys teilnehmenden Flapper in den 1920er Jahren markierte zwar das Ende der „Ära der Neuen Frau“ (welche nun auch als Erste Welle des Feminismus bezeichnet wird), aber die Entwicklung führte nicht zum alten Zustand zurück.

Louise Brooks als elegante Flapperin

Trotz aller Skandale, für die die meist recht jungen Flappers sorgten, setzte die Mode sich in gemäßigter Form auch bei respektablen älteren Frauen durch. Die wichtigsten Neuerungen, die bald von allen modebewussten Frauen übernommen wurden, waren Kurzhaarschnitte und die Abschaffung des Korsetts. Und einige Schauspielerinnen, die am engsten mit der Flapper-Mode in Verbindung gebracht werden, Clara Bow, Louise Brooks und Colleen Moore, waren durch ihre Filmrollen Vorbilder für das Massenpublikum, das damals in die Kinos strömte.

Trotz ihrer Popularität überlebten Mode und Lebensstil der Flapper nicht die Weltwirtschaftskrise, die im Herbst 1929 begann. In der ökonomisch schweren Zeit der 1930er Jahre war in Nordamerika und auch in Europa für die Lebenslust und den Hedonismus der Flappers kein Platz mehr. Dennoch kommt diesen in vielerlei Hinsicht das Verdienst zu, die moderne Frau geschaffen und als dauerhaftes Element in die westliche Welt eingeführt zu haben.

Die Moderne Frau

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Die Entwicklung der Modernen Frau ist ein eigenes Kapitel, das weit über das Thema der Neuen Frau am Ende des 19. Jahrhunderts hinausführt. Zu diesem Zeitpunkt war die Neue Frau nichts anderes als der erste Schritt zur Entwicklung der Modernen Frau. Und diese Entwicklung ist selbst in den hochentwickelten Demokratien der westlichen Welt noch nicht an ein natürliches und befriedigendes Ende gekommen.

Dabei geht es nicht nur um Mode und Lebensstil, sondern um die Themen Selbstbestimmung der Frau vor und innerhalb der Ehe, um gleiche Bildungs- und Berufschancen für Mädchen und Frauen, um den Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und um vieles andere mehr. Das Frauenwahlrecht ist fast überall eingeführt.

Wiktionary: Feminismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Carolyn Christensen Nelson: A New Woman reader. fiction, articles, and drama of the 1890s. Broadview Press, Peterborough, Ont.; Orchard Park, NY 2001, ISBN 978-1-55111-295-4 (englisch).
  • Martha H. Patterson: Beyond the Gibson Girl. reimagining the American new woman, 1895-1915. University of Illinois Press, Urbana 2005, ISBN 978-0-252-03017-8 (englisch).
  • Sheila Rowbotham: A Century of Women. the history of women in Britain and the United States. Penguin Books, New York 1999, ISBN 978-0-14-023282-0 (englisch).
  • Martha H. Patterson: The American new woman revisited. Rutgers University Press, New Brunswick 2008, ISBN 978-0-8135-4295-9 (englisch).

Einzelnachweise

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  1. Nach Sally Ledger: The New Woman: Fiction and Feminism at the Fin de Siecle. Manchester University Press, Manchester 1997.
  2. Hugh Stevens: Henry James and Sexuality. Cambridge University Press, 2008, ISBN 978-0-521-08985-2.
  3. Jacob Roberts: Women's work In: Distillations 2017, Band 3,1 S. 6–11 abgerufen am 22. März 2018
  4. Valentina Lehmann: Skandal um Eva. Repräsentationen und Imaginationen weiblicher Delinquenz in Illustrierten Magazinen der Weimarer Republik. Diss. Fakultät für Kulturwissenschaften der Universität Paderborn. In: Studien der Paderborner Komparistik, Band 3, Paderborn 2018, Hrsg. Jörn Steigerwald und Claudia Öhlschläger, Fußnote 154, S. 49.
  5. Susanne Herzog: Die Neue Frau. In: LeMO – Lebendiges Museum Online. 14. September 2014, abgerufen am 11. Juli 2024.
  6. Irmgard Roebling: „Haarschnitt ist noch nicht Freiheit“. Das Ringen um Bilder der Neuen Frau in Texten von Autoren der Weimarer Republik. In: Sabina Becker u. a. (Hrsg.): Frauen in der Literatur der Weimarer Republik. Jahrbuch zur Literatur der Weimarer Republik. Bd. 5, 1999/2000. Band 5. Röhrig, St. Ingbert 2000, S. 13–76.
  7. Sabina Becker: Die literarische Moderne der zwanziger Jahre. Theorie und Ästhetik der Neuen Sachlichkeit. In: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur. Band 27, Nr. 1, 2002, S. 73–95.
  8. https://www.arthistoricum.net/themen/textquellen/illustrierte-magazine-der-klassischen-moderne/die-zeitschriften/das-leben. Abgerufen am 28. Juli 2024.
  9. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/alltagsleben/die-neue-frau.html. Abgerufen am 23. September 2024.
  10. https://www.bpb.de/themen/erster-weltkrieg-weimar/weimarer-republik/277582/grundsaetzlich-gleichberechtigt-die-weimarer-republik-in-frauenhistorischer-perspektive/. Abgerufen am 20. Juni 2024.
  11. Ruth Birgitta Anderson Bordin: Alice Freeman Palmer: The Evolution of a New Woman. University of Michigan Press, 1993.
  12. https://www.deutschlandfunk.de/100-jahre-frauenwahlrecht-in-grossbritannien-das-100.html. Abgerufen am 21. Juni 2024.
  13. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-in-einfacher-sprache/314543/frauenwahlrecht/. Abgerufen am 21. Juni 2024.
  14. Charlotte Rich: Transcending the New Woman: Multiethnic Narratives in the Progressive Era.University of Missouri Press 2009. S. 4, ISBN 978-0-8262-6663-7
  15. The New Woman
  16. Miriam Bjørklund: „To face it like a man“: Exploring Male Anxiety in Dracula and the Sherlock Holmes Canon. Thesis, University of Oslo abgerufen am 28. Juli 2017
  17. Auszüge (DGDB). dazu: Jürgen Nitsche: Dr. Elsa Herrmann, eine streitbare jüdische Frauenrechtlerin, und ihr Buch „So ist die neue Frau“. Nicht nur ein Exkurs zu ihrem Weiblichkeitsentwurf in den späten 1920er Jahren. In: Caris-Petra Heidel (Hrsg.): Jüdinnen und Psyche, Medizin und Judentum. Mabuse Verlag, Frankfurt/M. 2016, S. 77–108.
  18. The Gibson Girl as the New Woman. Library of Congress. abgerufen am 15. März 2014.
  19. Nancy Mowall Mathews. "The Greatest Woman Painter": Cecilia Beaux, Mary Cassatt, and Issues of Female Fame. The Historical Society of Pennsylvania. abgerufen am 15. März 2014.
  20. Laura R. Prieto. At Home in the Studio: The Professionalization of Women Artists in America. Harvard University Press; 2001, ISBN 978-0-674-00486-3. S. 160–161.