Nikolai Karlowitsch Swanidse

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Nikolai Swanidse (2019)

Nikolai Karlowitsch Swanidse (russisch Николай Карлович Сванидзе; * 2. April 1955 in Moskau, † 11. September 2024 ebenda) war ein russischer Fernsehjournalist mit georgischen Wurzeln. Er arbeitete als politischer Kommentator des staatsnahen Telekanals Rossija und moderierte das Fernsehmagazin Serkalo.[1]

Swanidse ist nach seinem Großvater, dem kommunistischen Parteifunktionär Nikolai Samsonowitsch Swanidse, der in Zeiten des Großen Terrors im Jahr 1937 erschossen worden war, benannt worden.[2] Er schloss ein Studium der Geschichte an der Moskauer Universität 1977 ab und arbeitete danach am Institut für Kanada und die USA der Russischen Akademie der Wissenschaften. Beim Fernsehen begann er 1991, seit 1992 war er Kommentator der Nachrichtensendung Westi.

Im Februar 1997 ernannte ihn Boris Jelzin zum Leiter der staatlichen russischen Medienholding WGTRK, diesen Posten bekleidete er bis Mai 1998.[3] Den russischen Fernsehzuschauern wurde er als Moderator der Magazine Kontrasty, Podrobnosti und später von Serkalo bekannt.[4] Kritikern galt Swanidse zur Zeit Jelzins als treuer Anhänger des Kreml.[5][6]

Von 2003 bis 2013 war Swanidse Autor und Moderator einer Reihe von Dokumentationsprogrammen genannt „Historische Chroniken mit Nikolai Swanidse“ im staatlichen Fernsehsender „Rossija“ mit dem Schwerpunkt Geschichte Russlands.[7] Im 2008 gehörte er zu den Gründern der Partei Gerechte Sache.

Bei seinem Votum beim Treffen des Menschenrechtsrates des Präsidenten im Oktober 2017 hielt er fest, der Staat dürfe nicht die Gesellschaft spalten; die Suche nach Feinden oder allen möglichen fünften Kolonnen oder Agenten sei Aufgabe der speziellen Dienste. Der Staat habe vielmehr die Aufgabe, die konstitutionellen Werte und bürgerlichen Freiheiten zu hüten, die Repression der Behörden entspreche nicht deren Verfassungsauftrag.[8]

Swanidse schrieb, dass Russland 2022 in Wahrheit einen Krieg gegen den Westen führe, mit „Hass auf den Westen, totalem, zivilisatorischem und kulturellem Widerstand dagegen“.[9] Solches Anti-Westlertum drücke sich in Russland aus durch das Primat des Staates über das Individuum; die Macht des Regimes soll damit keiner Kontrolle mehr unterworfen sein und die Herrschenden unabsetzbar. Dazu komme die Verschmelzung von Macht und Eigentum, kurz ein totalitärer Staat mit dekorativen Institutionen und einer ebenso dekorativen Verfassung. Dies sei die „Rückkehr zu den schrecklichen Regimen des 20. Jahrhunderts; ihr Hauptmerkmal ist nicht einmal die blutige Willkür der Macht, sondern eine fröhliche militaristische Massenpsychose.“[10] Auf die Frage nach dem Grund für den Krieg antwortete Swanidse, Putin sei falsch informiert gewesen und hätte einen „leichten, ohrenbetäubenden, feierlichen Sieg“ erwartet und eine Erhöhung seines Status in der Welt.[11]

Über russische Zeitungsleser:

„Unsere Gäste aus den USA und den europäischen Ländern verstehen vielleicht nicht, wovon ich rede. Aber der klassische russische Leser ist es nicht gewohnt, eine Vielfalt an Meinungen zu haben. Er ist gewohnt, dass man ihm eine Meinung auf dem Tablett serviert. Es ist ermüdend, eine Auswahl zu haben, weil man dann denken muss.“

Swanidse auf dem 59. World Newspaper Congress Juni 2006 in Moskau[12]

Über seine Hilfe beim letzten Wahlkampf Jelzins:

„Wir arbeiten mit Jelzins Mannschaft zusammen und stellen sicher, dass wir eine gute Kameraperspektive haben, wenn wir den Präsidenten zeigen. Ich würde ihn gerne betrunken zeigen, aber nicht jetzt. Ehrlichkeit muss bis später warten.“[13]

Commons: Nikolai Svanidze – Sammlung von Bildern
  • Николай Сванидзе. In: peoples.ru. 12. September 2024; (russisch).
  • Boris Schumatsky: Nikolai Swanidse: „Wenn man nur ein Buch liest, dann hält man es natürlich für unersetzlich.“ In: goethe.de. Januar 2010, archiviert vom Original am 23. Januar 2011; (deutsch, Interview mit Nikolai Swanidse über das umstrittene Lehrwerk „Geschichte Russlands 1917–2009“).
  • Николай Сванидзе. In: rutv.ru. Archiviert vom Original am 28. August 2008; (russisch, Swanidses Biografie).
  • Artjom Pirogowski (Артем Пироговский), Gruppe Q (Группа Q) u. a.: Ложь Сванидзе. In: contr-tv.ru. Archiviert vom Original am 28. Februar 2010; (russisch, „Swanidses Lüge“ auf dem TV-kritischen russischen Weblog contr-tv.ru).
  1. Mitglieder der Gesellschaftskammer: Aus russlandweiten gesellschaftlichen Verbänden kooptiert, 15. November 2005. (pdf; 258 kB) In: Russlandanalysen der Forschungsstelle Osteuropa. Nr. 87, 27. Januar 2006, S. 4–8, hier S. 7, abgerufen am 12. September 2024.
  2. Warwara Rajskaja (Варвара Райская): Николай Сванидзе. In: 24smi.org. 12. September 2024, abgerufen am 12. September 2024 (russisch).
  3. Николай Сванидзе. In: rutv.ru. Archiviert vom Original am 28. August 2008; abgerufen am 12. September 2024 (russisch).
  4. Denis Lobkow (Денис Лобков): Николай Сванидзе: Как вы пришли на телевидение? In: Алфавит. Nr. 10, 12. Dezember 2010, abgerufen am 12. September 2024 (russisch, wiedergegeben auf peoples.ru).
  5. Artem Pirogowski (Артем Пироговский): Момент лжи с Николаем Сванидзе, или Ритуальные танцы на костях Империи. In: contr-tv.ru. 1. Februar 2006, archiviert vom Original am 4. November 2006; abgerufen am 13. September 2024 (russisch).
  6. Aleksandr Buzgalin: 1999 Russian Presidential election: Just begun or already over? In: Prism. 5,20, 17. Dezember 1999, archiviert vom Original am 17. Oktober 2006; abgerufen am 13. September 2024 (englisch).
  7. Alexander Melman (Александр Мельман): Год 2013-й. Сванидзе. In: mk.ru. 24. Januar 2013, abgerufen am 13. September 2024 (russisch).
  8. Заседание Совета по развитию гражданского общества и правам человека. In: kremlin.ru. 30. Oktober 2017, abgerufen am 13. September 2024 (russisch): „Государство не должно раскалывать общество, поощряя поиск врагов, всевозможных пятых колонн, агентов. Это, в конце концов, дело профильных ведомств и спецслужб. Государство должно стоять на страже конституционных ценностей, то есть гражданских свобод.
  9. Nikolai Swanidse: Обыкновенный фашиZм. О культуре тоталитарной злобы и истоках путинского режима. In: The Insider. 1. April 2022, abgerufen am 13. September 2024 (russisch): „Теперь еще и война. Война с Украиной, а на самом деле — с Западом. Ненависть к Западу, тотальное, цивилизационное, культурное противостояние ему…
  10. Nikolai Swanidse: Обыкновенный фашиZм. О культуре тоталитарной злобы и истоках путинского режима. In: The Insider. 1. April 2022, abgerufen am 13. September 2024 (russisch, über die Kultur der totalitären Bosheit und die Ursprünge des Putin-Regimes).
  11. Silke Bigalke: Scharfe Putin-Kritik aus Moskau: ‚Wir gleiten in einen sehr gefährlichen Staat ab‘. In: tagesanzeiger.ch. 14. Dezember 2022, archiviert vom Original am 9. April 2023; abgerufen am 13. September 2024.
  12. The Russian Media: From Dictatorship to Democracy? In: moscow2006.com. Juni 2006, archiviert vom Original am 22. November 2006; abgerufen am 12. September 2024 (englisch): „Our guests from the United States and European countries may not understand what I’m talking about, but the classic Russian reader is not used to having a variety of opinion, he’s used to having one opinion handed to him on a platter. It is fatiguing to have a choice because you have to think.“
  13. Zitiert nach: Michael Kramer: Russia ‘96: The people choose. In: Time magazine. 27. Mai 1996, abgerufen am 12. September 2024 (englisch).