Ognissanti (Florenz)
San Salvatore di Ognissanti oder kürzer Ognissanti[1] ist eine franziskanische Kirche in Florenz in Italien. Sie wurde durch die Ordensgemeinschaft der Humiliaten gegründet und ist dem Erlöser und allen bekannten (und unbekannten) Heiligen und Märtyrern geweiht.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kirche war Teil einer Klosteranlage, die 1251 durch Humiliaten, die 1239 aus Alessandria in der Lombardei nach Florenz gekommen waren, gegründet wurde. Dieser Orden von Laien, der Männern und Frauen offenstand, hatte sich zu Armut und körperlicher Arbeit verpflichtet. Hauptsächlich stellten sie Produkte aus Wolle sowie Glas her. In der Toskana ließen sie sich zuerst 3 km nordwestlich von Florenz (bei San Donato in Polverosa im heutigen Stadtteil Novoli) nieder. Der folgende Umzug an den unmittelbaren Stadtrand hatte vor allem praktische Gründe: Hier mündete der kleine Fluss Mugnone in den Arno, was den Betrieb von für die Arbeit benötigten Wassermühlen ermöglichte und zudem das Zum Färben der Stoffe benötigte Wasser lieferte. Um die Wasserkraft noch besser ausnutzen zu können, errichteten die Ordensangehörigen das heute noch bestehende Wehr Pescaia di Santa Rosa und ein Netz von Kanälen. Durch die Errichtung von Häusern für die Arbeiter entstand ein kleines Viertel um die Klosteranlage. Dies hatte Folgen für den Einfluss der Humiliaten in der Stadt. Bereits Ende des 13. Jahrhunderts wurden ihnen Positionen in der städtischen Verwaltung angeboten. Reiche Familien in der Umgebung bedachten das Kloster mit Spenden.
Im 16. Jahrhundert schwand der Einfluss der Humiliaten (nicht zuletzt, weil Seide die Wolle mehr und mehr verdrängte), und die Franziskaner übernahmen 1571 auf Betreiben Cosimos I. Kirche und Kloster, da ihr ursprüngliches Kloster 1529 bei der Belagerung durch Truppen Karls V. stark beschädigt worden war. Sie übertrugen bedeutende Reliquien aus ihrem bisherigen Sitz auf dem Monte alle Croci (auf einem Hügel südlich des Arno, dort steht bis heute die Kirche San Salvatore al Monte) in ihr neues Kloster, u. a. ein Gewand des heiligen Franziskus, und errichteten die beiden Kreuzgänge, die sie von Jacopo Ligozzi und Giovanni da San Giovanni mit Fresken über das Leben des heiligen Franziskus ausmalen ließen. Ab 1602 wurden zudem Porträts bedeutender Ordensmitglieder angebracht.
Nach einer ersten Schließung 1810 wurde das Kloster endgültig 1866 aufgelöst. Seit 1923 dienen die Räumlichkeiten als Polizeistation. Die Kreuzgänge, der Kapitelsaal und das Refektorium sind ein Museum. Eine kleine franziskanische Gemeinschaft lebt heute wieder vor Ort.
Baubeschreibung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Kirche wurde zwischen 1251 und 1260 fertiggestellt. Durch die erwähnten Spenden konnten die Humiliaten ihre anfänglich sehr einfache Kirche mit großen Kunstwerken ausstatten. So schmückte die großformatige Madonna mit Kind von Giotto (heute in den Uffizien) ursprünglich den Hochaltar dieser Kirche. Restaurierungsarbeiten an einem Kruzifix im linken Querschiff führten zu der Erkenntnis, dass auch dieses Werk Giotto zugeschrieben werden kann. In der Sakristei hängt ein Kreuzigungs-Fresko von Taddeo Gaddi, gemalt zwischen 1355 und 1360.
In der Kirche sind Fresken von 1480 von Sandro Botticelli und Domenico Ghirlandaio erhalten. Die bedeutenden Bilder, die sich ursprünglich nebeneinander zu Beginn der Apsis befanden, hängen heute im Hauptschiff einander gegenüber und stellen die Heiligen Augustinus und Hieronymus, die beide am Ende des 4., Anfang des 5. Jahrhunderts lebten, in ihren Studierzimmern dar. Beim Wechsel des Standorts wurden sie in den Randbereichen leicht beschädigt. Die beiden Bilder zeigen deutliche Unterschiede.
Der Augustinus von Botticelli ist im Begriff, etwas zu schreiben, wirkt aber entrückt. Sein Blick ist in weite Ferne gerichtet, und die ergriffen auf die Brust gelegte Hand scheint anzudeuten, dass er gerade eine Vision empfängt. Diese steht im Zusammenhang mit der Uhr, die im Rücken des Augustinus sichtbar ist. Deren Zeiger steht zwischen XXIIII (= 14) und I (= 1). Die 14. Stunde markiert dabei die Zeit des Sonnenuntergangs; damit wird auf ein konkretes Ereignis im Leben des Augustinus angespielt. Er berichtet, dass er an einem Abend bei Sonnenuntergang über das Glück der Heiligen nachgedacht und den Plan gefasst habe, Hieronymus diese Gedanken zu schreiben. Da sei ihm Hieronymus in einer Vision erschienen und habe ihm bedeutet, dass man dieses Glück nicht beschreiben, sondern nur erfahren könne. Später erfährt Augustinus, dass Hieronymus genau zu diesem Zeitpunkt gestorben war.[2]
Bemerkenswert sind ferner einige Details: Am Sturz über dem Heiligen prangt das Wappen der auftraggebenden Familie Vespucci; auf dem Tisch steht hinter dem Lesepult eine aufwendig verzierte Mitra – ein Hinweis auf Augustinus' Bischofsamt im nordafrikanischen Hippo. Im aufgeschlagenen Buch im Regal hinter Augustinus sind die meisten Worte unleserlich bis auf ein paar Sätze, in denen sich Botticelli über einen entlaufenen Mönch lustig macht.
Das Hieronymus-Bild von Ghirlandaio zeigt deutliche Einflüsse der altniederländischen Malerei[3], besonders des gleichnamigen Bildes von Jan van Eyck, welches sich damals im Besitz der in Florenz herrschenden Familie Medici befand. Wie dieser stellt Ghirlandaio eine Fülle von Details dar, die Einblicke in die Lebenswirklichkeit dieser Zeit (Brille, Schere, Löschpulver) erlauben. Die Datierung des Bildes wird ermöglicht durch die im Schreibpult in römischen Zahlen eingravierte Jahreszahl. Neben zahlreichen Gefäßen und Schachteln entdeckt man im Regal auch den Kardinalshut von Hieronymus, Zeichen seines hohen kirchlichen Amtes. Hieronymus' Blick ist direkt auf den Betrachter gerichtet; die lesbaren hebräischen, griechischen und lateinischen Schriftzeichen geben einen Hinweis darauf, dass der Heilige gerade an der Vulgata (Übersetzung der Bibel in die lateinische Sprache) arbeitet.
Botticelli, dessen Geburtshaus und dessen Atelier im Stadtviertel um die Kirche standen, ist hier in der Nähe der von ihm verehrten Simonetta Vespucci begraben. (Ein runder Stein mit seinem echten Namen Alessandro di Mariano di Vanni Filipepi in einer Kapelle des rechten Querschiffs markiert sein Grab.) Diese junge Florentinerin hatte ihm nach Meinung zahlreicher Experten u. a. bei seinen Bildern Die Geburt der Venus und Primavera Modell gestanden. Ebenfalls in der Kirche begraben ist Caroline Bonaparte, jüngste Schwester Napoleons. Als Ehefrau Joachim Murats war sie sieben Jahre lang Königin des Königreichs Neapel.
In der Vespucci-Kapelle in der Kirche hängt ein weiteres Fresko von Ghirlandaio aus dem Jahr 1472: Es stellt die Madonna della Misericordia (Schutzmantelmadonna) dar, die die Mitglieder der Stifter-Familie Vespucci beschützt. Diese Geste geht auf den im Mittelalter vor allem in Nordeuropa verbreiteten Rechtsbrauch zurück, nach dem Adlige verfolgten Personen Asyl gewähren konnten, indem sie sie mit ihrem Mantel bedeckten.[4] Im Bild von Ghirlandaio steht Maria auf einem Sockel, dessen Inschrift besagt, dass die Welt von der Barmherzigkeit Gottes erfüllt ist. Unter den abgebildeten, nach Geschlechtern getrennten Familienmitgliedern befindet sich auch der namengebende Amerika-Erforscher Amerigo Vespucci als Kind (links hinter Maria). Sein gleichnamiger Großvater ist hier begraben.[5]
Um 1627 wurde die Kirche durch den Baumeister Bartolomeo Pettirossi nahezu vollständig im Barockstil umgebaut und gehört damit zu den ersten Beispielen dieses Stils in der ansonsten von der Renaissance geprägten Stadt Florenz. Bei diesen Arbeiten wurde auch die Apsis erneuert. Hier wurde ein neuer Hochaltar aufgestellt, der mit in der damaligen Zeit in Florenz sehr geschätzten Pietra-dura-Mosaiken verziert wurde. Die illusionistische Ausmalung des Gewölbes erfolgte erst 1770.
In der 1637 nach Plänen von Matteo Nigetti errichteten Fassade fällt über dem durch zwei Säulen betonten Portal ein Terrakotta-Relief ins Auge (Krönung Mariens), das lange Zeit als Werk der Künstlerfamilie della Robbia galt, heute aber Benedetto Buglioni zugeschrieben wird. Die beiden von einem Giebel überfangenen Stockwerke werden durch flache Pilaster gegliedert, die die umgekehrte klassische Säulenordnung (im Erdgeschoss korinthische, im Stockwerk darüber ionische, im Giebel dorische Kapitelle) zeigen. Sie flankieren durch bauplastischen Schmuck verzierte Fenster und Nischen, für die ursprünglich Statuen vorgesehen waren.
Rechts von der Fassade erhebt sich ein schmaler Campanile aus dem 13. und 14. Jahrhundert; auf der anderen Seite der Kirche liegt der Zugang zum Kreuzgang.
Das letzte Abendmahl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Außer den Bildern in der Kirche freskierte Ghirlandaio 1480 an der hinteren Wand des Refektoriums, das sich zwischen den beiden Kreuzgängen befindet, eine Darstellung des letzten Abendmahls (im selben Raum hat sich an der linken Wand die Vorzeichnung erhalten), die vermutlich das gleichnamige Bild Leonardo da Vincis in Mailand beeinflusst hat. Ghirlandaios Werk markiert einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Aufhebung der Grenze zwischen Real- und Bildraum. Der gemalte Abendmahlsraum scheint als Fortsetzung des Betrachterraumes gleichsam betretbar. Die tatsächlichen Gewölbe des Refektoriums setzen sich im Bild fort, die Mittelkonsole gilt gleichermaßen der realen wie der gemalten Architektur.
Die natürliche Lebensgröße der Figuren unterstützt die Identifizierungsmöglichkeit des Betrachters mit den Gestalten. Im Hintergrund öffnet sich die Wand scheinbar in den Klostergarten, in dem Pflanzen und Vögel mit ebensolcher Detailtreue gemalt sind wie der Pfau an der rechten Schmalwand. Wie begeistert seine Zeitgenossen von diesem Werk waren, zeigt die Tatsache, dass Ghirlandaio zwei Jahre später mit einer Wiederholung für das Refektorium von San Marco beauftragt wurde.[6]
Galerie
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Giotto: Kruzifix
-
Gaddi: Kreuzigung
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Nach der Kirche hat das ganze Stadtviertel seinen Namen.
- ↑ Rolf Toman (Hg), Die Kunst der italienischen Renaissance, Köln 1994, S. 278.
- ↑ Rolf C. Wirtz, Florenz, Köln 1999, S. 260.
- ↑ Rolf C.Wirtz, ebd., S. 263.
- ↑ Als Amerika bei einer seiner Entdeckungsfahrten eine Bucht im heutigen Brasilien erkundete, nannte er sie San Salvatore di Ognissanti, auf portugiesisch San Salvador de Todos os Santos: Dies könnte der Ursprung des heutigen Namens der Stadt Salvador und der Bucht Bahia de Todos os Santos sein. Nach anderen Quellen geht jedoch die Benennung von Bucht und Stadt nicht auf die Florentiner Familienkirche der Vespuccis, sondern auf den Tag der Entdeckung am 1. November (Allerheiligen) zurück.
- ↑ Bildbeschreibung aus http://www.florentinermuseen.com/musei/ognissanti_refektorium.html
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Antonio Paolucci (Hrsg.): Kirchen in Florenz. Hirmer, München 2003, ISBN 3-7774-9960-9.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten: 43° 46′ 21,2″ N, 11° 14′ 45,5″ O