Omer Bartov

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Omer Bartov (2014)

Omer Bartov (hebräisch עֹמֶר בַּרְטוֹב; * 1954 in En HaChoresch, Israel) ist Historiker und Professor für Holocaust- und Völkermordstudien an der Brown University in Providence, Rhode Island, USA.[1][2] Bartov gehört zu den „weltweit führenden Holocaust-Forschern“[3] und gilt als maßgebender Experte für Völkermordstudien;[4] er ist Autor zahlreicher Bücher zur Thematik.

Jugend und Ausbildung

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Omer Bartov wurde 1954 im Kibbuz En HaChoresch als Sohn des Schriftstellers Chanoch Bartov geboren. Er wuchs in Tel Aviv auf und besuchte dort das Neue Gymnasium. Nach Beendigung seiner schulischen Ausbildung absolvierte er das israelische Militär und wurde im Jahre 1973 zum Offizier befördert. Nach vier Jahren quittierte er den Militärdienst und begann ein Geschichtsstudium an der Universität Tel Aviv, das er im Jahre 1979 summa cum laude abschloss. Anschließend setzte Bartov sein Studium am St Antony’s College in Oxford fort, das er 1983 mit der Promotion über den deutschen Krieg gegen die Sowjetunion beendete.

Forschung und Lehrtätigkeit

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Nach Abschluss seines Studiums lehrte Bartov zunächst an den amerikanischen Universitäten in Princeton und Harvard. Danach wechselte er 1985 als Alexander-von-Humboldt-Stipendiat an das Militärgeschichtliche Forschungsamt nach Freiburg, wo er auf Manfred Messerschmidt traf. Die Zusammenarbeit mit Messerschmidt und vor allem dessen Studie Die Wehrmacht und der NS-Staat prägten Bartov in seiner weiteren Arbeit.[5] Heute forscht und lehrt Professor Bartov an der Brown University, Rhode Island.

Seine eigene Forschungstätigkeit konzentrierte Bartov zunächst ebenfalls auf die Gleichschaltung der deutschen Wehrmacht im Dritten Reich, ehe er sich mit den Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Osteuropa beschäftigte. Später untersuchte er Verbindungen zwischen den Auswirkungen des Ersten Weltkrieges und den rassistischen Verbrechen im Zweiten Weltkrieg sowie die Geschichte und die Hintergründe des Holocaust.

Bartov arbeitete[6] an einem Projekt (Arbeitstitel Buczacz: The Life and Death of a Multiethnic Town) mit dem Ziel, gruppendynamische Prozesse zu analysieren, die ethnisch motivierten Gräueltaten zu Grunde liegen. In Butschatsch, dem Geburtsort seiner Mutter, wurden ethnische Säuberungen durch das nationalsozialistische Deutschland und später durch ukrainische Nationalisten begangen. 2007 erschien sein Buch Erased: Vanishing Traces of Jewish Galicia in Present-Day Ukraine.

Politisches Engagement

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Bartov ist Mitverfasser der Petition „The Elephant in the Room. Jews Fight for Justice“ von August 2023, die von rund 2900 Personen, darunter zahlreichen meist jüdischen Wissenschaftlern, Geistlichen und Personen des öffentlichen Lebens aus Israel und den USA unterzeichnet wurde. Nach dieser Petition werde es „für Juden in Israel keine Demokratie geben, solange Palästinenser unter einem Apartheidregime, als das es israelische Juristen charakterisiert haben, leben“.[7][8][9]

Er ist Mitverfasser (zusammen mit Shira Klein) der „Petition Response to October 7“ vom Oktober 2023, die Israel vor dem Hintergrund des Terrorangriffs der Hamas das Selbstverteidigungsrecht einräumt, aber gleichzeitig zum Ende der Gewalt in Gaza und zu einem Ende des Siedlungsbaus in den Palästinensischen Autonomiegebieten aufruft.[10][9]

Zum russischen Überfall auf die Ukraine

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Bartov, dessen Mutter aus Butschatsch in der heutigen Ukraine stammte, sprach sich Ende Juli 2022, nach dem russischen Überfall auf die Ukraine, für Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Die Ukraine sei das „Gegenbeispiel für Putin [...], für das, was er nicht will“. Sie habe eine Kultur und Sprache, die „ganz nah an Russland“ seien, sei aber ein demokratischer Staat. Putins Begründung, die Ukraine zu entnazifizieren, bezeichnete er als „Lüge“.[3]

Zum Krieg in Israel und Gaza 2023

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Am 10. November 2023 äußerte sich Bartov in einem Artikel für The New York Times zur Frage des Völkermordvorwurfs, der im Zuge des Kriegs in Israel und Gaza 2023 gegen Israel erhoben wurde. Dabei trennte Bartov das Kriegsverbrechen ethnischer Säuberungen von dem des Völkermordes. Nach Bartovs Sicht zum damaligen Zeitpunkt erfüllten die Ereignisse zwar den Tatbestand des Völkermordes nicht, doch warnte er davor, dass Äußerungen israelischer Politiker und Militärs, die auf eine „genozidale Absicht“ hindeuten, in Taten umschlagen könnten. Bartov zog dabei die Parallele zum Holocaust, bei dem das ursprüngliche Ziel der Nationalsozialisten, die europäischen Juden zu deportieren, sich schließlich in einen Genozid gewandelt hatte.[2]

Bartov bezog sich auf verschiedene Äußerungen, wie etwa von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu,[11] der unter anderem den Krieg in Gaza mit der biblischen Aufforderung zur völligen Vernichtung des Volkes der Amalekiter in Verbindung brachte (Deuteronomium 25,17-19 EU). Der pensionierte israelische Generalmajor Giora Eiland erklärte: „Der Staat Israel hat keine andere Wahl, als Gaza zu einem Ort zu machen, der vorübergehend oder dauerhaft unbewohnbar ist. […] Die Schaffung einer schweren humanitären Krise in Gaza ist ein notwendiges Mittel, um das Ziel zu erreichen.“ Der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant erklärte: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere, und wir handeln entsprechend“. Bartov wertet diese Aussage als Hinweis auf eine Dehumanisierung mit „genozidalen Echos“.[2]

Bartov resümiert: „Und so können wir zwar nicht behaupten, dass das Militär explizit auf palästinensische Zivilisten abzielt, funktional und rhetorisch betrachtet könnten wir jedoch Zeugen einer ethnischen Säuberungsaktion sein, die sich schnell zu einem Völkermord entwickeln könnte, wie es in der Vergangenheit mehr als einmal geschehen ist. [...]. Wenn wir wirklich glauben, dass uns der Holocaust eine Lektion darüber erteilt hat, wie wichtig – oder wirklich, wie notwendig – es ist, unsere eigene Menschlichkeit und Würde zu bewahren, indem wir die der anderen schützen, ist jetzt die Zeit, aufzustehen und unsere Stimmen zu erheben, bevor die Führung Israels es und seine Nachbarn in den Abgrund stürzt. Es gibt immer noch Zeit, Israel davon abzuhalten, dass seine Handlungen zu einem Völkermord werden. Wir können keinen Moment länger warten.“[2]

Im November 2023 appellierte Bartov neben anderen Historikern und Erstunterzeichnern eines Offenen Briefes, den Terrorangriff der Hamas nicht mit dem Holocaust zu vergleichen. Dies würde die „Ursachen der Gewalt in Israel-Palästina“ verzerren und antiarabischen Rassismus fördern.[12]

Im August 2024 schrieb Bartov in The Guardian, seit spätestens Mai 2024 sei es nicht mehr möglich zu leugnen, dass Israel im Gazastreifen „systematische Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und völkermörderische Handlungen“ begangen habe. Im selben Artikel beschrieb Bartov von ihm bemerkte Parallelen zwischen israelischen Denkweisen über Palästinenser, die er unlängst bei einem Besuch in Israel beobachtet hätte, und dem Feindbild, das deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg gegenüber russischen Juden und Kommunisten gehabt hätten.[13] Laut eines Interview im November 2024 sei der Vorwurf des Völkermords für Bartov inzwischen nachvollziehbarer, da eine mögliche Absicht sowohl in Taten als auch Worten der israelischen Regierung nachvollziehbar sei.[14]

Stipendien und Auszeichnungen

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Aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen erhielt Omer Bartov diverse Stipendien und Auszeichnungen. Dies waren unter anderem:

  • Ernennung zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences (2005)
  • Stipendiat am Zentrum für erweiterte Verhaltensforschung in Stanford, Kalifornien
  • Berlin-Preis-Stipendiat der American Academy in Berlin (2007)
  • John-Simon-Guggenheim-Stipendiat (2003–2004)
  • Stipendiat des Radcliffe-Instituts, Harvard-Universität (2002–2003)
  • Forschungsstipendium der National Endowment of the Humanities (1996–1997)
  • Fraenkel Prize in Contemporary History des Instituts für Zeitgeschichte (1995)
  • Directeur d'études am Maison des Sciences de l'Homme, Paris (1990)

Veröffentlichungen (Auswahl)

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Commons: Omer Bartov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Omer Bartov. Brown University, abgerufen am 14. Juli 2024 (englisch).
  2. a b c d Omer Bartov: Opinion | What I Believe as a Historian of Genocide. In: The New York Times. 10. November 2023, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 14. Juli 2024]).
  3. a b Jan Feddersen: Wir müssen die Ukraine verteidigen. In: Die Tageszeitung, 24. Juli 2022, abgerufen am 19. November 2023 (Interview mit Omer Bartov).
  4. Omer Bartov. The American Academy in Berlin, abgerufen am 19. November 2023: one of the leading authorities on the subject of genocide.
  5. Wehrmachtsausstellung: Können 8 Gutachter ihr Glaubwürdigkeit verleihen?, auf konservativ.de
  6. Department of German Studies, auf brown.edu
  7. Elephant in the room. In: sites.google.com. Abgerufen am 18. November 2023.
  8. German Studies at Brown, auf fr.de
  9. a b Christoph Gunkel: (S+) Nahostkonflikt: Der Historiker Omer Bartov über seine Kritik an Israel. In: Der Spiegel. 8. November 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 8. November 2023]).
  10. Elephant in the room - Response to October 7. In: sites.google.com. Abgerufen am 8. November 2023.
  11. Demnach die Bewohner Gazas einen "enormen Preis" für den Terrorangriff der Hamas zahlen müssen. - What I Believe as a Historian of Genocide - The New York Times (nytimes.com), 10. November 2023, abgerufen am 16. November 2023.
  12. Atina Grossmann, David Feldman, Michael Rothberg, Debórah Dwork, Jane Caplan, Christopher R. Browning, Omer Bartov: An Open Letter on the Misuse of Holocaust Memory | Omer Bartov. 20. November 2023, abgerufen am 28. November 2023 (englisch).
  13. As a former IDF soldier and historian of genocide, I was deeply disturbed by my recent visit to Israel. In: The Guardian. 13. August 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 13. August 2024]).
  14. Genozid-Vorwürfe gegen Israel: „Es geht um die systematische Zerstörung des Gazastreifens“. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 27. November 2024]).
  15. Volltext als PDF verfügbar bei ANNO – Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften online ANNO – AustriaN Newspapers Online
  16. René Schlott: Wie Buczacz zu einer "Stadt der Toten" wurde, Rezension, SZ, 6. April 2021