LNWR-Klasse Experiment (Webb)

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LNWR-Klasse Experiment (Webb)
Ouest Nr. 901 • StEG II 200
Lokomotive Nr. 1104 Sunbeam
Lokomotive Nr. 1104 Sunbeam
Lokomotive Nr. 1104 Sunbeam
Nummerierung: LNWR: siehe Liste
Ouest: 901, später 500
StEG: 200, später 2051
Anzahl: 30 (LNWR)
1 (Ouest)
1 (StEG)
Hersteller: Bahneigene Werkstätten in Crewe
Sharp, Stewart
Baujahr(e): 1882–1884
Ausmusterung: 1903–1905
Achsformel: 1AA n3v (2-2-2-0)
Spurweite: 1435 mm (Normalspur)
Gesamtradstand: 5334 mm (ohne Tender)
Dienstmasse: 39 t
Treibraddurchmesser: 2057 mm
Laufraddurchmesser vorn: 1143 mm
Steuerungsart: Joy
Zylinderanzahl: 3
HD-Zylinderdurchmesser: 330 mm
ND-Zylinderdurchmesser: 660 mm
Kolbenhub: 610 mm
Kesselüberdruck: 10,3 bar
Rostfläche: 1,6 m²
Verdampfungsheizfläche: 100,6 m²
Quellen:[1]

Die Experiment-Klasse war eine Baureihe von 30 Dreizylinder-Verbundlokomotiven, die von Francis William Webb für die London and North Western Railway (LNWR) entworfen und zwischen 1882 und 1884 in den bahneigenen Werkstätten in Crewe hergestellt wurden. 1884 wurden zwei baugleiche Lokomotiven für die französische Chemins de fer de l’Ouest (Ouest) und die Österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesellschaft (StEG) gebaut.

Nr. 1120 Apollo

Die von Webb, dem damaligen Chief Mechanical Engineer der LNWR, entworfene Experiment-Klasse war ein groß angelegtes Experiment mit einer Klasse von Express-Verbundlokomotiven, und die erste Maschine wurde dementsprechend benannt.[2]

Die Lokomotiven waren als Dreizylinder-Verbundmaschinen mit zwei ungekuppelten Treibradsätzen ausgeführt und besaßen die seltene Radsatzanordnung 2-2-2-0 (1AA). Die beiden außenliegenden Hochdruckzylinder wirkten dabei auf den hinteren und der innenliegende Niederdruckzylinder auf den vorderen Treibradsatz. Der Verzicht auf die Verwendung von Kuppelstangen verursachte eine erhöhte Schleuderneigung, welche in Kombination mit den voneinander unabhängigen Steuerungen zu Anfahrschwierigkeiten führte. Problematisch war vor allem, dass die Steuerung des Niederdruckzylinders über den vorderen Treibradsatz betätigt wurde. Wenn die Lokomotive nun rückwärts an eine Zuggarnitur gefahren war und angekuppelt hatte, stand die Steuerung des Niederdruckzylinders auf Rückwärtsfahrt. Zum Umsteuern auf Vorwärtsfahrt konnte nur die Steuerung der Hochdruckzylinder vom Führerstand aus umgestellt werden. Beim Öffnen des Reglers erhielten zunächst die Hochdruckzylinder Dampf. Kam der hintere Treibradsatz daraufhin ins Schleudern, stieg der am Niederdruckzylinder anstehende Dampfdruck und dieser begann aufgrund seiner rückwärts ausgelegten Steuerung gegen die Hochdruckzylinder zu arbeiten, wodurch ein Anfahren nicht möglich war. In diesem Falle musste der Lokführer mit einer Brechstange eingreifen, um die Steuerung des Niederdruckzylinders in die richtige Stellung zu bringen.[3][4]

Ab 1884 wurde mit der Dreadnought-Klasse eine größere Variante dieser Bauart gebaut.

Nachdem George Whale 1903 Webb als Chefingenieur ablöste, wurden die Lokomotiven bis 1905 alle ausrangiert und verschrottet.

Nummer Name Werksnummer Baujahr Verschrottet
66 Experiment 2500 1882 1905
300 Compound 2625 1883 1905
301 Economist 2626 1883 1904
302 Velocipede 2627 1883 1905
303 Hydra 2628 1883 1905
305 Trentham 2669 1883 1904
306 Knowsley 2670 1883 1905
307 Victor 2671 1883 1905
520 Express 2672 1883 1905
519 Shooting Star 2673 1883 1905
311 Richard Francis Roberts 2734 1884 1905
315 Alaska 2735 1884 1905
321 Servia 2736 1884 1905
323 Britannic 2737 1884 1905
333 Germanic 2738 1884 1904
353 Oregon 2739 1884 1905
363 Aurania 2740 1884 1905
365 America 2741 1884 1905
366 City of Chicago 2742 1884 1905
310 Sarmatian 2743 1884 1904
1102 Cyclops 2744 1884 1904
1120 Apollo 2745 1884 1905
1104 Sunbeam 2746 1884 1905
1113 Hecate 2747 1884 1904
1111 Messenger 2748 1884 1905
1115 Snake 2749 1884 1905
1116 Friar 2750 1884 1905
1117 Penguin 2751 1884 1904
372 Empress 2752 1884 1905
374 Emperor 2753 1884 1905

Chemins de fer de l’Ouest 901/500

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Ouest Nr. 500

1884 kaufte die französische Chemins de fer de l’Ouest, die noch keinerlei Erfahrungen mit Verbunddampflokomotiven hatte, eine baugleiche Lokomotive dieser Bauart. Die Maschine wurde nach den Plänen der LNWR bei Sharp, Stewart and Company gebaut. Die auffälligste Änderung war die am Kessel befindliche saugenden Speisewasserpumpe. Zudem wurde sie mit Westinghouse-Bremse ausgerüstet.[5] Die Lokomotive bekam bei der Ouest anfangs die Nummer 901 und wurde spätestens 1893 zu 500 geändert. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Nummer 901 anderweitig verwendet. Bereits 1901 wurde sie vom Dienst zurückgezogen und später schrottet.[6][7]

Die Österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesellschaft (StEG) ließ 1884 ebenfalls eine baugleiche Lokomotive bei Sharp, Stewart and Company bauen.[7]

Weitere in Lizenz gebaute Lokomotiven

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Nicht zuletzt wegen des hohen Ansehens Webbs auch im Ausland, bestellten in den Folgejahren noch weitere Bahngesellschaften Lokomotiven die in Lizenz von verschiedenen Lokomotivfabriken gebaut wurden. Diese Maschinen wichen jedoch oft in vielen Details ab und wurden meist an das Design der jeweils schon verwendeten Lokomotiven angepasst. Zudem waren diese Exemplare für verschiedenen Breitspurweiten gebaut.[7]

  • Eine weitere Lokomotive jedoch für die Spurweite von 1676 mm und einigen Anpassungen, bestellte die indische Oudh and Rohilkhand Railway bei Dübs and Company. Diese Lokomotive wurde 1894 in Indien zu einer Lokomotive mit der Achsfolge 1B umgebaut.
  • Bei Dübs and Company entstand 1885 ein weiteres Exemplar in dieser Breitspurweite für die argentinische Ferrocarril Oeste de Buenos Aires. Diese Lokomotive hatte jedoch statt einer einzelnen Vorlaufachse ein vorlaufendes zweiachsiges Drehgestell (Achsanordnung 2AA). Das Triebwerk war durch einen aufklappbaren Kasten verdeckt. Wie lange die Lokomotive mit dem Namen „Mariano Haedo“ im Einsatz war ist nicht bekannt.
  • Ebenfalls 1885 entstand bei Sharp, Stewart and Company eine weitere Maschine mit führendem Drehgestell und dem Namen „Dr. F. N. Prates“ für die brasilianische Companhia Paulista de Estradas de Ferro mit einer Spurweite von 1600 mm.
Commons: LNWR-Klasse Experiment (Webb) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. L&NWR Society (Hrsg.): Passenger Locomotives of the London North Western Railway. 1. August 2018, S. 28 (englisch, Online-Ausgabe).
  2. F W Webb's 3 Cylinder Compound Express Engines. The London & North Western Railway Society, abgerufen am 23. November 2024 (englisch).
  3. Rolf Ostendorf: Ungewöhnliche Dampflokomotiven von 1803 bis heute. Motorbuchverlag, Stuttgart 1978, ISBN 3-87943-406-9, S. 21–22.
  4. LNWR Dreadnough Class. In: Atlas Verlag (Hrsg.): Faszination Eisenbahn - Enzyklopädie der Eisenbahnen. 1997.
  5. Mécanisme de la Locomotive Compound. In: Ch. Dunod (Hrsg.): Revue générale des chemins de fer. Band 7, Nr. 6. Paris Dezember 1884, S. 317–327 (französisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  6. Les machines à deux essieux couplés du réseau de l'Ouest. Abgerufen am 30. November 2024 (französisch).
  7. a b c Die außerenglischen Dreizylinder-Verbundlokomotiven der Bauart Webb. In: Die Lokomotive. Band 10, Oktober 1913, S. 223–233 (Online bei der Österreichischen Nationalbibliothek).