Pierre Poilievre

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Pierre Poilievre (2023)

Pierre Marcel Poilievre (* 3. Juni 1979 in Calgary, Alberta) ist ein kanadischer Politiker. Er ist seit 2004 Abgeordneter im Unterhaus von Kanada und seit 2022 der Parteiführer (Leader) der Conservative Party of Canada und damit auch Oppositionsführer. Er war davor bereits Minister unter Premierminister Stephen Harper zwischen 2013 und 2015 sowie zwischen 2017 und 2022 Schattenminister. Poilievre gehört dem wirtschaftsliberalen Flügel seiner Partei an.

Frühes Leben und Ausbildung

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Poilievre wurde 1979 in Alberta als Kind der 16-jährigen Highschool-Schülerin Jacqueline Farrell geboren.[1] Seine leibliche Mutter lernte er allerdings erst mit 20 kennen, da diese ihn zur Adoption freigab. Er wurde kurz nach seiner Geburt von dem Lehrerehepaar Marlene und Donald Poilievre (der Fransaskois ist) adoptiert, was seinen frankokanadischen Namen erklärt, obwohl seine leibliche Mutter irischer Abstammung war. Später adoptierte das Ehepaar auch seinen jüngeren biologischen Halbbruder Patrick. Beide wurden in einer Vorstadt von Calgary groß. Pierre spielte in seiner Jugend Hockey und war Wrestler und Taucher.[2] Poilievres Adoptiveltern, die 1971 geheiratet hatten, trennten sich, als er ein Teenager war. Sein Vater, Donald, outete sich später als homosexueller Mann.[3]

Pierre Poilievre besuchte die Henry Wise Wood High School und begann sich in seiner Jugend für Politik zu interessieren.[3] Poilievre engagierte sich in der Reform Party und der Progressive Conservative Association of Alberta und nahm an Versammlungen beider Parteien teil. Im Alter von 16 Jahren machte Poilievre Wahlkampf für die Reform Party. Als Teenager arbeitete Poilievre bei Telus als Inkassobeauftragter, indem er Unternehmen anrief. Später arbeitete er kurzzeitig als Journalist für Alberta Report, ein konservatives Wochenmagazin.[4] An der University of Calgary studierte er internationale Beziehungen (IB), bevor er 2002 begann für Stockwell Day von der Partei Canadian Alliance (dem Nachfolger der Reform Party) zu arbeiten, ohne sein Studium abgeschlossen zu haben. Er erwarb seinen Bachelor in IB später online über die Athabasca University 2008.[5]

Politische Karriere

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Im Jahr 2003 gründete Poilievre zusammen mit seinem Geschäftspartner Jonathan Denis, der Jahre später Kabinettsminister in Alberta wurde, ein Unternehmen namens 3D Contact Inc. Ihr Unternehmen war im Bereich politische Kommunikation, Meinungsumfragen und politische Forschungsdienstleistungen aktiv, bevor es seine Tätigkeit einstellte.[6] Nach der Gründung kandidierte Poilievre als Abgeordneter für die Conservative Party of Canada, die kurz zuvor aus einem Zusammenschluss der Canadian Alliance und der Progressive Conservative Party of Canada entstanden war. Bei der kanadischen Unterhauswahl 2004 wurde er für den Wahlkreis Nepean—Carleton in Ontario als Hinterbänkler ins Unterhaus gewählt. Mit nur 25 Jahren war er dabei gemeinsam mit Andrew Scheer der jüngste konservative Abgeordnete im Parlament. Nach seiner Wiederwahl bei den Unterhauswahlen 2006 wurde er von Premier Stephen Harper zum Parlamentssekretär gemacht. Mit weiteren Wiederwahlen 2008 und 2011 wurde Poilievre zu einem aufsteigenden Stern innerhalb der Partei. Im Juli 2013 wurde Poilievre nach einer Kabinettsumbildung von Premier Harper zum Minister für demokratische Reform gemacht. Ein Amt, welches er knapp zwei Jahre ausübte, bevor er zwischen Februar und November 2015 kurzzeitig Minister für Arbeit und soziale Entwicklung war.[7]

Bei der Unterhauswahl 2015 wurde Poilievre erneut ins Parlament gewählt, diesmal für den Wahlkreis Carleton.[7] Die Konservativen verloren allerdings ihre Mehrheit und Justin Trudeau von der Liberal Party wurde neuer Premierminister. In der Opposition wurde Poilievre im Schattenkabinett Schattenminister mit u. a. Zuständigkeit für Finanzen. Poilievre wurde 2019 erneut in das 43. kanadische Parlament gewählt, diesmal mit einem größeren Stimmenvorsprung als bei seinem Sieg 2015.[8] Nach Andrew Scheers Rücktritt als Parteiführer der Konservativen galt Poilievre zunächst als einer der Spitzenkandidaten für seine Nachfolge. Poilievre zog eine Kandidatur in Erwägung und begann, ein Wahlkampfteam zusammenzustellen, gab jedoch am 23. Januar 2020 bekannt, dass er nicht kandidieren werde, da er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen wolle.[9]

Im November 2020 startete Poilievre während der COVID-19-Pandemie eine Onlinepetition gegen den „Great Reset“ des Weltwirtschaftsforums, dem er vorwarf, eine „sozialistische Ideologie“ in Kanada durchsetzen zu wollen.[10]

Nachdem Erin O’Toole am 2. Februar 2022 als Parteiführer abgesetzt wurde, erklärte Poilievre drei Tage später implizit seine Absicht, bei den Wahlen zur Parteiführung anzutreten, indem er erklärte: „Ich kandidiere für das Amt des Premierministers“.[11] Im Wahlkampf für den Parteivorsitz konnte er einen großen Teil der konservativen Abgeordneten für seine Kandidatur gewinnen und erhielt auch Unterstützung von Ex-Premier Harper.[12] Dabei versuchte er sich als „wahrer Konservativer“ von der Konkurrenz abzugrenzen und bezeichnete seinen Rivalen um den Parteivorsitz, Jean Charest, als „Liberalen“.[13] Im September 2022 wurde er von über 70 Prozent der Parteimitglieder zum neuen Parteivorsitzenden gewählt.[14] Als neuer Oppositionsführer stellte er am 12. Oktober sein Schattenkabinett vor, mit über 71 Posten, in denen auch einige seiner ehemaligen Rivalen um den Parteivorsitz waren.[15]

Als Oppositionsführer begann Poilievre den amtierenden Premier Justin Trudeau hart zu attackieren. Am 30. April 2024 wurde Poilievre aus dem Unterhaus verwiesen, nachdem er Trudeau als „Spinner“ (wacko) bezeichnet hatte.[16] Im ersten Jahr seiner Amtszeit hatten die Konservativen in den meisten Meinungsumfragen einen knappen Vorsprung vor den Liberalen. Im Sommer 2023 erlebten die Konservativen jedoch einen sprunghaften Anstieg in den Umfragen, während die Beliebtheit der Liberalen absackte. Ende 2024 lagen die Konservativen klar in Führung, was Poilievre zum Favoriten für das Amt des nächsten Premierministers machte.[17]

Politische Positionen

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Pierre Poilievre wurde als wirtschaftsliberal und libertär bezeichnet und gehört dem wirtschaftsliberalen „Blue Tory“-Flügel seiner Partei an. In seiner Jugend hatte das Buch Kapitalismus und Freiheit von Milton Friedman einen prägenden Einfluss auf Poilievre ausgeübt.[3] Er kündigte an, dass er Kanada zum „freiesten Land der Welt“ machen wolle.[18] Er ist auch ein Anhänger von Kryptowährungen wie Bitcoin[19] und hat sich gegen eine lockere Geldpolitik und hohe Steuern ausgesprochen. Um mehr Häuser zu bauen, sollen bürokratische Hürden abgebaut werden.[20] Der Klimawandel soll durch den Ausbau erneuerbarer Energien und Technologen wie Carbon Capture, aber ohne CO₂-Steuern bekämpft werden.[21][22] Er unterstütze die Proteste des Freedom Convoy gegen eine verpflichtende Corona-Impfung[23] und sprach sich gegen die Abschaffung des Online Harms Act zur Regulierung von Social Media aus, den er als Einschränkung der Meinungsfreiheit ansah.[24] Als die vier wichtigsten Prioritäten, für die er bei den nächsten Wahlen kämpfen will, nannte er 2024: „Steuern kürzen, Häuser bauen. Den Haushalt in Ordnung bringen. Kriminalität stoppen“ (Axe the Tax. Build the Homes. Fix the Budget. Stop the Crime).[25] Sein Politikstil wurde von einigen Beobachtern als „populistisch“ bzw. als „softer Populismus“ eingestuft.[26][27]

Poilievre hat sich für den Zuzug legaler Migranten ausgesprochen, sprach sich jedoch für eine Kürzung der unter Trudeau auf ein Rekordniveau gestiegenen Migration aus. Im August 2024 warf Poilievre Trudeau vor, einen Mehrgenerationenkonsens in Bezug auf die Einwanderung gebrochen zu haben, nachdem Einwanderung in einem Ausmaß erfolgen soll, den der Wohnungsmarkt, der Arbeitsmarkt und das Gesundheitssystem verkraften kann.[28] In der Gesellschaftspolitik sprach er sich für Abtreibungsrechte und die gleichgeschlechtliche Ehe (gegen die er als Abgeordneter gestimmt hatte) aus, lehnte jedoch „woke“ Kulturpolitik ab.[29][30] In der Außenpolitik sprach er sich für die Unterstützung der Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland aus und warnte vor dem Einfluss Chinas in der kanadischen Innenpolitik. Er gilt auch als proisraelisch.

Im Dezember 2017 heiratete Poilievre die Venezolanerin Anaida Galindo, eine Senatsassistentin, in einer Zeremonie in Portugal. Eine gemeinsame Tochter wurde 2018[31] und eine Sohn 2021 geboren.[32]

Poilievre ist zweisprachig und spricht fließend Englisch und Französisch.[33] Poilievres frankophoner Adoptivvater, Donald, brachte ihm die französische Sprache bei.[34]

Commons: Pierre Poilievre – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Rahim Mohamed: Poilievre's 'good timing' put him at the centre of conservatism for decades. In: National Post. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  2. Shannon Proudfoot: Why is Pierre Poilievre so angry? 10. März 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  3. a b c The making of Pierre Poilievre, conservative proselytizer. In: The Globe and Mail. 16. September 2022 (theglobeandmail.com [abgerufen am 24. Dezember 2024]).
  4. Pierre Poilievre: The Minister of Nepean-Carleton. In: Ottawa Citizen. 17. Februar 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  5. Five things you didn’t know about Pierre Poilievre. In: Toronto Star. 24. Mai 2024, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  6. Canadian Press: Pierre Poilievre: Quick facts about the Conservative leadership candidate. In: Lethbridge News Now. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  7. a b Roles - Pierre Poilievre House of Commons
  8. Pierre Poilievre re-elected in Carleton. In: CBC. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  9. Pierre Poilievre says he’s not seeking Conservative leadership, cites family reasons - National | Globalnews.ca. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (amerikanisches Englisch).
  10. Trudeau UN speech sparks ‘Great Reset’ conspiracy. In: Fact Check. 19. November 2020 (afp.com [abgerufen am 24. Dezember 2024]).
  11. Conservative MP Pierre Poilievre says he is running for prime minister. In: Globalnews.ca. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (amerikanisches Englisch).
  12. Stephen Harper says Pierre Poilievre has the best chance to win the next federal election CBC
  13. Conservative leadership candidate Jean Charest says claims he's a Liberal are 'ludicrous'. 12. März 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  14. Charest returning to the private sector after Poilievre's crushing victory. In: CBC. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  15. Pierre Poilievre preaches small government, appoints big shadow cabinet. 15. Oktober 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  16. Leyland Cecco: Canada: bitter clash in parliament over Trudeau ‘wacko’ jibe. In: The Guardian. 1. Mai 2024, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 24. Dezember 2024]).
  17. Canada’s Conservatives are crushing Justin Trudeau. In: The Economist. ISSN 0013-0613 (economist.com [abgerufen am 24. Dezember 2024]).
  18. Pierre Poilievre says he wants to make Canada the “freest country in the world”. 4. April 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  19. Poilievre personally holds investment in Bitcoin as he promotes crypto to Canadians. 17. Mai 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  20. Charest pledges to boost supply as Conservative leadership rivals stake out positions on housing CBC
  21. Pierre Poilievre promises to scrap carbon tax at Saskatoon campaign stop. 3. März 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  22. Decoding the freedom-loving firebrand who wants to be Canada's next PM. In: Politico. 6. April 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  23. Poilievre’s Big Bet on Convoy-Loving Politics. Abgerufen am 24. Dezember 2024.
  24. Poilievre pledges to repeal online streaming bill, says it gives power to ‘woke’ agency. In: The Globe and Mail. 9. März 2023 (theglobeandmail.com [abgerufen am 24. Dezember 2024]).
  25. Pierre Poilievre: Axe the Tax. Build the Homes. Fix the Budget. Stop the Crime. 19. April 2024, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  26. What Kind of Populist is Pierre Poilievre? - Policy Magazine. 19. Februar 2024, abgerufen am 24. Dezember 2024 (amerikanisches Englisch).
  27. Stuart Thomson: How Pierre Poilievre's 'soft populism' is riding a global wave of voter frustration. In: National Post. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  28. Visitors to Canada can no longer apply for work permits from within the country. 29. August 2024, abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  29. ‘Woke’ vs. ‘Warrior’? Poilievre Aims, Shoots and Misses. Abgerufen am 24. Dezember 2024.
  30. LILLEY: Poilievre promises to end woke culture in military. In: Totonto Sun. Abgerufen am 24. Dezember 2024 (englisch).
  31. MP Pierre Poilievre announces birth of baby girl | Ottawa Citizen. 13. Februar 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  32. Pierre Poilievre auf x.com. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. November 2024; abgerufen am 24. Dezember 2024.
  33. «Le mariage gai est un succès», dit Pierre Poilievre | La Presse. 5. April 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024.
  34. Pascal Vachon: Pierre Poilievre devient le nouveau chef du Parti conservateur. 11. September 2022, abgerufen am 24. Dezember 2024 (kanadisches Französisch).