Pourtalès
Pourtalès ist eine aus Frankreich in das preußische Neuenburg in der Schweiz geflohene und dort geadelte Hugenottenfamilie.
Herkunft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Pourtalès (Aussprache: [purta'lɛs]), aus dem südlichen Frankreich stammende, seit der Aufhebung des Edikts von Nantes zu Neuenburg in der Schweiz ansässige evangelische Familie, deren Stifter Jeremias Pourtalès am 14. Februar 1750 von Friedrich dem Großen in den preußischen Adelsstand erhoben wurde.
Sein Sohn Jakob Ludwig von Pourtalès (* 9. August 1722 zu Neuenburg) eröffnete 1753 ein Handelshaus in Neuenburg und machte es binnen kurzer Zeit zu einem der geachtetsten in der Handelswelt. Er begründete in seinem Heimatland sowie anderwärts industrielle Etablissements aller Art und hinterließ bei seinem Tod (20. März 1814) ein Vermögen von 40 Millionen Franken. Seine drei Söhne wurden am 9. Dezember 1815 vom König Friedrich Wilhelm III. in den preußischen Grafenstand erhoben.
Der älteste Sohn, Ludwig, Graf von Pourtalès (* 14. Mai 1773), Stifter der Linie Pourtalès-Sandoz (er war mit Elisabeth von Sandoz-Rottin verheiratet), war Präsident und Staatsrat im Fürstentum Neuenburg sowie Oberinspektor der schweizerischen Artillerie und starb am 8. Mai 1848. Er hatte 1842 das 469 ha[1] große brandenburgische Gut Laasow erworben (wo Jaques Alfred Graf von Pourtales 1856 ein neues Gutshaus im Schweizer Villenstil errichten ließ). Dessen ältester Sohn, Ludwig August, Graf von Pourtalès (* 17. März 1796) war preußischer außerordentlicher Staatsrat und Oberstleutnant der Artillerie im Fürstentum Neuenburg. Er überfiel am 3. September 1856 das Schloss in Neuenburg, um die königliche Regierung wiederherzustellen. Als das Unternehmen scheiterte, entfloh er über den See, wurde aber auf Freiburger Gebiet verhaftet und erst freigelassen, nachdem Preußen auf seine Souveränitätsrechte in Neuenburg verzichtet hatte. Er starb am 7. Juni 1870 in Neuenburg. Sein Bruder, Karl Friedrich Graf von Pourtalès-Steiger (* 10. Juni 1799), königlich preußischer Oberst a. D., erwarb 1842 das schlesische Schloss Glumbowitz. Als Oberinspektor der Milizen im Fürstentum Neuenburg führte er am 3. September 1856 Royalistenscharen nach Le Locle und La Chaux-de-Fonds, wurde zum Rückzug nach Neuenburg genötigt und geriet verwundet in Gefangenschaft, wurde aber später ebenfalls amnestiert und starb am 5. Juni 1882 in der Villa Mettlen bei Muri im Kanton Bern.
Der zweite Sohn Jakob Ludwigs, James Alexander de Pourtalès-Gorgier, begründete die Linie Pourtalès-Gorgier. Er war preußischer Diplomat und ein bekannter Antikensammler. 1813 kaufte er die Seigneurerie in Gorgier im Kanton Neuenburg und ergänzte damit seinen Namen. 1834 kaufte er das Rittergut Gotha in Nordsachsen, das er sechs Jahre später seinem ältesten Sohn Heinrich überließ; dieser verkaufte 1857 Gotha und 1879 das Schloss Gorgier. Der Sohn Edmond (1828–1895) erbte die Villa des Vaters in Paris; er heiratete 1857 Mélanie Renouard de Bussière (1836–1914), eine umschwärmte Schönheit am Hof Kaiser Napoleons III. Mit ihr führte er in Paris einen literarischen Salon. 1887 erbte Mélanie von ihrem Vater das Straßburger Gut Robertsau, das den Namen Château de Pourtalès erhielt. In der Zeit des Fin de Siècle führte sie dort im Elsass einen Salon, in dem gekrönte Häupter und die Spitzen der europäischen Gesellschaft verkehrten.
Der dritte Sohn Jakob Ludwigs, Friedrich, Graf von Pourtalès (* 23. Februar 1779; † 30. Januar 1861) war preußischer Wirklicher Geheimer Rat und Oberzeremonienmeister. Sein ältester Sohn, Graf Albert von Pourtalès (* 10. September 1812) war Mitglied des preußischen Herrenhauses und Wirklicher Geheimer Rat sowie 1850/51 Botschafter in Konstantinopel und 1859 preußischer Gesandter zu Paris, als unmittelbarer Vorgänger von Otto von Bismarck; Er starb am 18. Dezember 1861 ohne männliche Erben. Haupt dieser dritten Linie der Pourtalès wurde sein Bruder, Graf Wilhelm (* 7. Juni 1815).[2]
Die Nachfahren der Gutsbesitzer der Begüterungen in der Niederlausitz, auf Laasow (Vetschau/Spreewald) und auf Schloss Neudöbern, lebten nach der Bodenreform in Bayern und Holstein, große Teile der Gesamtfamilie unter anderem in der Schweiz, in Frankreich und den USA.[3]
Wappen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Grafen von Pourtalès führen einen quadrierten Schild mit einem Herzschild. Im ersten und vierten Feld in Blau auf grünem Boden silberner Pelikan mit drei silbernen Jungen, die er mit seinem Herzblut nährt, 2 und 3 in Rot zwei silberne Sparren; Herzschild: in Rot ein offenes silbernes Tor (Portal). Der Hauptschild ist mit einer neunperligen Krone bedeckt; auf derselben stehen drei gekrönte Helme. Auf dem rechten ist ein weißer Adlerflügel angebracht; auf der Krone des mittlern steht ein schwarzer Adler, ein Kleinod um den Hals tragend, auf dem dritten aber eine roth spitze Mütze, mit den beiden Sparren belegt und mit drei silbernen Straußenfedern geschmückt. — Unter dem Hauptschild ist ein blaues Spruchband gezogen, auf dem mit goldenen Buchstaben der Wahlspruch: „Quid non dilectis“ ("was[tut man] nicht [alles] für die Lieben") steht. Schildhalter sind zwei goldene Löwen.
Personen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Jeremias (von) Pourtalès, 1750 von Friedrich dem Großen geadelt
- Jakob Ludwig von Pourtalès = Jacques Louis de P. (1722–1814), Kaufmann, Industrieller, 1799 reichster Mann auf dem Gebiet der heutigen Schweiz[4]
- (Julius Heinrich Carl) Friedrich (I.) von Pourtalès (1779–1861), Oberzeremonienmeister des preußischen Königs
- Albert von Pourtalès (1812–1861), Diplomat
- Auguste de Pourtalès (1840–1918), Maler und Kunstsammler
- Bernard de Pourtalès (1870–1935), Segler und Olympiasieger
- Edmond de Pourtalès (1828–1895), schweizerisch-französischer Bankier, Offizier und Parlamentarier
- Edouard de Pourtalès-Pury (1802–1885), Schweizer Landschaftsmaler
- Friedrich (II.) von Pourtalès (1853–1928), Diplomat
- Guy de Pourtalès (1881–1941), Schriftsteller
- Hélène de Pourtalès (1868–1945), Seglerin und Olympiasiegerin
- Hermann de Pourtalès (1847–1904), Segler und Olympiasieger
- James Alexander de Pourtalès-Gorgier (1776–1855), Kammerherr des preußischen Königs
- Louis de Pourtalès (1773–1848), Politiker, Diplomat, Offizier und Tagsatzungsgesandter
- Louis-François de Pourtalès (1823–1880), schweizerisch-amerikanischer Meeresgeologe und Meeresbiologe
- Karl Alphons Graf von Pourtalès (1861–1930), 1900–1919 Landrat des Landkreises Calau aus Laasow (Vetschau/Spreewald)
- Mélanie de Pourtalès, geb. Renouard de Bussière (1836–1914), Pariser Salonnière, siehe Mélanie Renouard de Bussière
- Manfred Graf von Pourtalès (1912–1974), SS-Hauptsturmführer, kath. Priester, Pfarrer in Neheim, Dechant und Domkapitular in Paderborn
- Wilhelm Graf von Pourtalès (1865–1952), auf Neudöbern, Landsyndikus der Niederlausitz
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Schloss Oberhofen am Thunersee, erworben 1844 durch Friedrich (1779–1861) und Albert von Pourtalès (1812–1861)
- Villa Mettlen
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Leopold von Zedlitz-Neukirch, Neues Preussisches Adels-Lexicon oder genealogische und diplomatische Nachrichten den in der preussischen Monarchie ansässigen oder zu derselben in Beziehung stehenden fürstlichen, gräflichen, freiherrlichen und adeligen Häusern, mit der Angabe ihrer Abstammung, ihres Besitztums, ihres Wappens und der aus ihnen hervorgegangenen Militärpersonen, Helden, Gelehrten und Künstler. Vierter Band P–Z, Leipzig 1837, S. 50., Ergänzungen S. 462 ff.
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser. Justus Perthes, Gotha 1872 S.624 f. – 1905, S. 659 f.; Textarchiv – Internet Archive (Redaktion und Druck jeweils im Vorjahr).
- Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser, Teil B (Briefadel). Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft, Ausgaben 1933 und 1939.
- Hans Friedrich von Ehrenkrook, Friedrich Wilhelm Euler, Jürgen von Flotow: Genealogisches Handbuch der Gräflichen Häuser, B (Briefadel) 1960, Band II, Band 23 der Gesamtreihe GHdA. C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1960, S. 312–313. ISSN 0435-2408
- Markus Pohl: Manfred Graf von Pourtalès. Zwei Leben im 20. Jahrhundert. In: Südwestfalen Archiv. Arnsberg 2017, S. 371–385. ISSN 1618-8934
Weitere Literatur
- Neu-Döbern. In: Alexander Duncker (Hrsg.): Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der ritterschaftlichen Grundbesitzer in der preußischen Monarchie nebst den königlichen Familien-, Haus-, Fideicommiss- und Schattull-Gütern. Band 14. Duncker, Berlin 1875, Blatt 821 (zlb.de [Text zwei Seiten danach]).
- Vinzenz Czech, Christiane Salge: Laasow. In: Peter Michael Hahn, Hellmut Lorenz (Hrsg.): Herrenhäuser in Brandenburg und der Niederlausitz. Nicolaische Verlagsbuchhandlung Beuermann, Berlin 2000, ISBN 3-87584-024-0, S. 331–333; gesamt 2 Bände: Einführung und Katalog. Kommentierte Neuausgabe des Ansichtenwerks von Alexander Duncker (1857–1883), 856 S., 275 farbige, 825 SW-Abb.
- Pourtalès. In: Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 16: Plaketten–Rinteln. Bibliographisches Institut, Leipzig / Wien 1908, S. 244 (Digitalisat. zeno.org).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ P. Ellerholz, H. Lodemann, H. von Wedell: General-Adressbuch der Ritterguts- und Gutsbesitzer im Deutschen Reiche. 1. Band: Das Königreich Preussen, Lfg. 1: Die Provinz Brandenburg. Nicolaische Verlags-Buchhandlung R. Stricker, Berlin 1879, S. 36–37, doi:10.18452/377 (hu-berlin.de).
- ↑ Paul Ellerholz, E. Kirstein, Traug. Müller, W. Gerland, Georg Volger: Handbuch des Grundbesitzes im Deutschen Reiche 1896. In: Nach amtlichen und authentischen Quellen bearbeitet (Hrsg.): Standardwerk der Land-und Forstwirtschaft. 3. Auflage. I., Das Königreich Preussen, I. Lieferung, Provinz Brandenburg. Nicolaische Verlags-Buchhandlung R. Stricker, Berlin 1896, S. 16–17 (digi-hub.de).
- ↑ Hans Friedrich von Ehrenkrook: Genealogisches Handbuch der Gräflichen Häuser / B (Briefadel/ nach 1400 nobilitiert) 1960. In: In Gemeinschaft mit dem Deutschen Adelsarchiv (Hrsg.): GHdA, von 1951 bis 2014; Nachfolge des Gotha; Vorgänger des GGH. Band II, Nr. 23. C. A. Starke, 1960, ISSN 0435-2408, DNB 456719679, S. 297–313.
- ↑ SonntagsBlick, 21. Juni 2020, S. 19. ZDB-ID 2630197-0.