Präsidentschaftswahl in Indien 1969

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Die Präsidentschaftswahl in Indien 1969 war die fünfte Wahl des Staatspräsidenten in Indien seit der Unabhängigkeit und fand am 16. August 1969 statt. Es handelte sich um eine vorgezogene Wahl, da der 1967 gewählte Zakir Hussain überraschend am 3. Mai 1969 im Amt verstorben war. Bei der Wahl offenbarte sich ein Machtkampf innerhalb der Kongresspartei zwischen Premierministerin Indira Gandhi und ihren innerparteilichen Gegnern. Letztlich gewann der Kandidat Indira Gandhis, V. V. Giri die Wahl.

Stimmgewicht der Abgeordneten aus den Bundesstaaten[1][2]
Bundesstaat Stimmgewicht
Andhra Pradesh 125
Assam 94
Bihar 146
Gujarat 123
Haryana 94
Jammu und Kashmir 59
Kerala 127
Madhya Pradesh 109
Madras 144
Maharashtra 146
Mysore 109
Nagaland 8
Orissa 125
Punjab 107
Rajasthan 110
Uttar Pradesh 174
Westbengalen 125

Die Amtszeit des 1967 gewählten Präsidenten Zakir Hussain hätte noch bis zum Jahr 1972 gedauert. Nach seinem unerwarteten Tod am 3. Mai 1969 übernahm zunächst verfassungsgemäß der Vizepräsident V. V. Giri (Kongresspartei) die Weiterführung der Amtsgeschäfte.

In der Kongresspartei war zunächst nicht klar, wer als Nachfolgekandidat nominiert werden sollte. Seit einiger Zeit gab es Spannungen zwischen der alten Machtelite der Kongresspartei, die vor allem durch das sogenannte „Syndikat“ (the Syndicate), einer Gruppe von regionalen Kongresspartei-Führern (K. Kamaraj, S. Nijalingappa, S. K. Patil, Atulya Ghosh und Neelam Sanjiva Reddy), personifiziert wurde und den „Jungtürken“ (Young Turks), einer Gruppe von jüngeren, linksgerichteten Politikern, die die Premierministerin Indira Gandhi unterstützten. Das „Syndikat“ sah die Gelegenheit, der ungeliebten Premierministerin eine politische Niederlage beizubringen und nominierte auf der Sitzung des Central Parliamentary Board der Kongresspartei am 11. Juli 1969 in Bangalore mit Stimmenmehrheit von 4:2 gegen die Stimme Indiras den früheren Kongresspartei-Präsidenten Neelam Sanjiva Reddy, der bekanntermaßen kein Gefolgsmann von Indira Gandhi war. Indira hatte angesichts des 100. Geburtsjahres Mahatma Gandhis mit Jagjivan Ram einen Dalit als Kandidaten vorgeschlagen, wurde aber bei der Abstimmung nur von Fakhruddin Ali Ahmed unterstützt.[3][4]

Nach der Nominierung Reddys trat V. V. Giri, der ebenfalls als Kandidat im Gespräch gewesen war, am 20. Juli 1969 von seinem Amt als (Vize-)Präsident zurück und kündigte seine Kandidatur als unabhängiger Kandidat an. Verfassungsgemäß übernahm danach der Chief Justice des obersten Gerichts Muhammad Hidayatullah das Amt des Staatspräsidenten kommissarisch.[5]

Ein weiteres Thema auf der Sitzung in Bangalore war die Verstaatlichung der Banken in Indien. Dieses in der Öffentlichkeit populäre Projekt wurde durch Indira Gandhi vorangetrieben und auf der Sitzung durch das Kongresskomitee abgesegnet, da das „Syndikat“ in dieser Frage gespalten war. Der Interims-Präsident Giri unterschrieb vor seinem Rücktritt noch das Gesetz zur Bankenverstaatlichung. Die Linksparteien (Kommunisten Linkssozialisten und bei beiden sozialistischen Parteien SSP und PSP) erklärten ihre Unterstützung der Kandidatur Giris. Auch die in Opposition zur Kongresspartei stehenden Dravida Munnetra Kazhagam in Tamil Nadu und Akali Dal im Punjab sowie kleinere Parteien, die sich in den Jahren zuvor von der Kongresspartei abgespalten hatten, riefen zur Wahl von Giri auf.[4][6] In der Kongresspartei forderten einzelne Stimmen, eher den vermeintlich „progressiven“ Giri, anstelle des von der Parteiführung nominierten „reaktionären“ Reddy zu wählen. Kongress-Parteipräsident S. Nijalingappa rief zu strikter Parteidisziplin in dieser Frage und zur Wahl Reddy auf und traf ein Abkommen mit den beiden konservativen Oppositionsparteien Jan Sangh and Swatantra, bei dem diese zusicherten, bei der anstehenden Wahl ihre Zweite-Präferenz-Stimmen an Reddy zu vergeben. Als ihren gemeinsamen Kandidaten der ersten Wahl stellten Jan Sangh, Swatantra und Bharatiya Kranti Dal (in Uttar Pradesh) den früheren Finanzminister unter Nehru, C. D. Deshmukh, auf.

Dieses Zusammengehen mit den Konservativen diskreditierte die Kongressparteiführung in den Augen vieler Kongress-Parteigänger. Jüngere, linksgerichtete Abgeordnete der Kongresspartei erklärten, sie wollten bei der Wahl nicht der offiziellen Parteilinie, sondern ihrem Gewissen folgen, woraufhin Parteipräsident Nijalingappa alle Abweichler mit dem Parteiausschluss bedrohte. Indira Gandhi zeigte sich verärgert, dass sie in der Frage der Präsidentschaftsnachfolge durch das „Syndikat“ quasi überrumpelt worden war, wagte es aber nicht, offen gegen Reddy aufzutreten. Sie machte aber öffentlich deutlich, dass sie die Parteidisziplin in dieser Frage für nachrangig hielt.[5]

Am 14. Juli 1969 wurden die Termine der Wahl bekanntgegeben. Bis zum 24. Juli 1969 konnten Kandidatenvorschläge eingereicht werden. Über die Zulassung der Kandidaten wurde am 26. Juli 1969 entschieden und die zur Wahl Zugelassenen hatten noch bis zum 29. Juli 1969 die Möglichkeit, ihre Kandidatur zurückzuziehen. Die eigentliche Wahl fand dann am 16. August 1969 statt und die Auszählung der Stimmen erfolgte am 20. August 1969.[7]

Wahlmodus und Wahl

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Das Wahlkollegium (Electoral College) umfasste formal 4.137 Parlamentarier. Davon kamen 748 aus den beiden Kammern des indischen Parlaments (520 Lok Sabha, 228 Rajya Sabha) und 3.389 aus den Parlamenten der 17 Bundesstaaten. 694 Abgeordnete aus dem Parlament und 3.340 Abgeordnete aus den Parlamenten der Bundesstaaten übten ihr Wahlrecht aus.[1][7] Die Stimmgewichte waren auf Basis des Zensus von 1961 festgelegt worden. Jedes Mitglied von Lok Sabha und Rajya Sabha hatte ein Stimmgewicht von 576 und die Stimmgewichte der Abgeordneten aus den Bundesstaaten bewegten sich zwischen 8 (Nagaland) und 174 (Uttar Pradesh).

24 Kandidatenvorschläge wurden eingereicht, von denen 9 nicht zugelassen wurden. Damit blieben 15 Kandidaten übrig, von denen allerdings nur drei eine reelle Chance hatten, Giri, Reddy und Desmukh.

Die Wahl ergab folgendes Ergebnis:[7]

Kandidat Erste-Präferenz-Stimmen mit Stimmen nachgeordneter Präferenz
abgegebene
gewichtete Stimmen
in Prozent abgegebene
gewichtete Stimmen
in Prozent
V. V. Giri 401.515 48,01 420.077 50,89
Neelam Sanjiva Reddy 313.548 37,49 405.427 49,11
C. D. Deshmukh 112.769 13,48
Chandradatt Senani 5.814 0,70
Furcharan Kaur 940 0,11
Rajabhoj Pandurang Nathuji 831 0,10
Pandit Babu Lal Mag 576 0,07
Ch. Hari Ram 125 0,01
Sharma Manovihari Anirudh 125 0,01
Khubi Ram 94 0,01
Bhagmal 0 0
Krishna Kumar Chatterjee 0 0
Santosh Kumar Kachhwaha 0 0
Ramdular Tripathi Chakor 0 0
Ramanlal Purushottam Vyas 0 0
Gesamt 836.337 100 825.504 100

4.034 Abgeordnete beteiligten sich an der Wahl, was einer Wahlbeteiligung von 97,5 % entsprach. 79 Stimmen waren ungültig.[1] Fünf der 15 Kandidaten hatten keine einzige Stimme erhalten.

Die Wahl wurde nach Rangfolgewahlmodus durchgeführt, d. h. die Abstimmenden hatten die Möglichkeit, auch Kandidaten nachgeordneter (d. h. zweiter, dritter etc.) Präferenz auf den Stimmzetteln zu markieren. Bei der Auszählung der Erste-Präferenz-Stimmen zeigte sich, dass keiner der Kandidaten die Mehrheit erreicht hatte. Giri lag mit 48,01 % in Führung, gefolgt von Reddy mit 37,49 % und Desmukh mit 13,48 %. Alle anderen Kandidaten landeten weit abgeschlagen. Danach wurden, der Wahlordnung folgend, nacheinander die Kandidaten mit der geringsten Erste-Präferenz-Stimmenzahl von den Stimmzetteln eliminiert (die nachfolgenden rückten dann eine Position auf), bis ein Kandidat die Mehrheit der Erste-Präferenz-Stimmen hatte. Dabei zeigte sich, dass Reddy weit mehr Nachgeordnete-Präferenz-Stimmen erhalten hatte als Giri, der die Wahl jedoch knapp mit 50,89 % für sich entscheiden konnte.

V. V. Giri wurde für gewählt erklärt und trat sein Amt als vierter Präsident Indiens seit der Unabhängigkeit am 24. August 1969 an.

Analyse des Abstimmungsverhaltens

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Mehrheiten nach Bundesstaaten (finale Auszählung):
V. V. Giri
N. S. Reddy

Die folgende Tabelle zeigt die Ergebnisse nach Bundesstaaten.[4]

Legislative Gesamt Tatsächlich Abgegebene
Stimmen
Erste Auszählung Zweite Auszählung††
Ungültig Giri Reddy Desmukh Andere Kongress-
Abweichler
Ungültig Giri Reddy
Parlament 748 747 743 9 359 268 101 6 160 8 366 (+7) 360 (+92)
Andhra Pradesh 287 285 281 9 131 118 18 5 80 6 137 (+6) 129 (+11)
Assam 126 113 112 6 48 57 1 0 20 0 48 58 (+1)
Bihar 318 318 317 4 165 111 36 1 5 2 167 (+2) 144 (+33)
Gujarat 168 168 168 1 12 102 51 2 0 7 21 (+9) 139 (+37)
Haryana 81 78 78 0 37 32 8 1 10 1 37 40 (+8)
Jammu und Kashmir 75 71 70 2 58 8 2 0 55 0 58 10 (+2)
Kerala 133 131 128 3 103 15 0 7 0 7 103 15
Madhya Pradesh 296 291 277 4 103 112 54 4 60 5 108 (+5) 160 (+48)
Maharashtra 270 269 268 2 50 201 12 3 0 3 56 (+6) 207 (+6)
Mysore 216 214 214 6 53 135 17 3 0 3 57 (+4) 148 (+13)
Nagaland 52 52 50 7 38 4 0 1 - 1 38 4
Orissa 140 139 133 5 67 15 46 0 15 0 74 (+7) 54 (+39)
Punjab 104 104 101 3 80 10 7 1 20 1 80 17 (+7)
Rajasthan 184 181 180 6 35 98 41 0 10 0 42 (+7) 132 (+34)
Tamil Nadu 234 233 230 6 142 54 22 6 0 8 146 (+4) 70 (+16)
Uttar Pradesh 425 425 423 6 181 138 93 5 75 7 228 (+47) 182 (+44)
Westbengalen 280 279 274 1 248 25 0 0 30 0 248 25

Die tatsächliche Zahl der Abgeordneten war geringer als die theoretische, da einige Sitze vakant waren.
†† In Klammern, die hinzugewonnenen Nachgeordnete-Präferenz-Stimmen.

Es zeigte sich, dass eine große Zahl von Kongresspartei-Abgeordneten aus den Parlamenten der Bundesstaaten nicht der offiziellen Parteilinie gefolgt waren. Etwa 160 Kongresspartei-Abgeordnete des indischen Parlaments hatten ebenfalls nicht dem Wunschkandidaten der Parteiführung ihre Stimme gegeben. In den Bundesstaaten, die nicht von der Kongresspartei dominiert waren (Westbengalen, Kerala und Tamil Nadu) hatte Giri dagegen praktisch alle für ihn erreichbaren Stimmen erhalten.[4] Insgesamt war die Wahl eine schwere Niederlage für das „Syndikat“ und Kongress-Parteipräsident S. Nijalingappa, und die Machtbalance in der Kongresspartei verschob sich zugunsten Indira Gandhis.

Noch im selben Jahr kam es zur Spaltung der Kongresspartei.

Einzelnachweise

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  1. a b c J. K. Chopra: Politics of Election Reforms in India. Mittal Publications, Delhi 1989, ISBN 81-7099-103-X, S. 120f
  2. Report on the Fourth General Elections in India 1967: CHAPTER XIII: THE PRESIDENTIAL AND VICE-PRESIDENTIAL ELECTIONS. (pdf) Election Commission of India, 1967, S. 108ff, abgerufen am 11. April 2015 (englisch).
  3. Srinath Raghavan: Twists & turns of 1969 presidential race still the most sensational. The Times of India, 18. Juni 2012, abgerufen am 13. April 2015 (englisch).
  4. a b c d Zaheer Masood Quraishi: The Indian Presidential Election (1969). The Indian Journal of Political Science, Vol. 31, No. 1 (Januar—März 1970), S. 32–59 JSTOR:41854360
  5. a b T. V. Sathyamurthy: The Crisis in the Congress Party: The Indian Presidential Election. The World Today, Vol. 25, No. 11 (Nov., 1969), S. 478–487 JSTOR:40394209
  6. Robert L. Hardgrave, Jr.: The Congress in India – Crisis and Split. In: Asian Survey. Band 10, Nr. 3. University of California Press, März 1970, S. 256–262, JSTOR:2642578 (englisch).
  7. a b c Election to the Office of the President 2012. (pdf) Indische Wahlkommission, 2012, abgerufen am 18. Februar 2015 (englisch, ausführliche Erläuterung des Wahlverfahrens anhand der Wahl 2012).