Prellerhaus (Ateliergebäude, Dessau)
Prellerhaus wurde das fünfgeschossige Ateliergebäude im Bauhaus-Gebäudekomplex in Dessau genannt. Der Name des Gebäudes wurde beim Umzug des Bauhauses von Weimar nach Dessau von dem gleichnamigen Ateliergebäude in Weimar übernommen, welches nach seinem Erbauer Louis Preller benannt ist.[1]
Beschreibung und Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den ersten Entwürfen von Walter Gropius war dieser Bauteil nicht vorgesehen, er wurde später als sogenannter Atelierbau hinzugefügt. Hintergrund dieser Entscheidung von Walter Gropius war die aus der Not der Nachkriegszeit geborene Erlaubnis, dass Studierende die Ateliers im Prellerhaus in Weimar auch zum Übernachten nutzen durften. Diese Kombination von Wohnen und Arbeiten in einem Raum wurde am Bauhaus ein derart erfolgreiches Konzept, dass auch im neuen Campus in Dessau ein solches Ateliergebäude mit Wohnmöglichkeiten entstehen sollte. Auch die Stadt Dessau hatte wohl ein Interesse daran, Wohnraum für Studierende am Bauhaus zu schaffen und so wurde dieser Bauteil mit den „wohlfahrtseinrichtungen des instituts“ zusätzlich genehmigt.[2]
Das Gebäude wurde so das erste Studentenwohnheim Deutschlands, das in seine Hochschule integriert war. Es hatte einen seinerzeit ungekannten Komfort zu einem erschwinglichen Preis von 20 Reichsmark pro Monat, Reinigung und Gas inklusive: über 20 m² Wohn-Arbeitsfläche, wandbreite Fenster, eine Waschgelegenheit mit fließend kaltem und warmem Wasser, einer Bettnische, Überdecken aus der Bauhaus-eigenen Weberei (die sogenannte Prellerdecke von Gunta Stölzl), Einbauschrank und modernes Mobiliar – ebenfalls aus den Bauhaus-Werkstätten. Auf jeder Etage gab es 7 Ateliers und eine Gemeinschaftsküche an einem Mittelgang. Die Ateliers an der Ostseite hatten jeweils einen kleinen, hervorstehenden Balkon mit niedriger Brüstung, an der Südseite befand sich ein umlaufender Balkon, der von der Küche aus erreichbar war. Im Sockelgeschoss des Hauses gab es Duschen und Bäder, Umkleideräume, eine Turnhalle und eine „elektrische Waschanstalt“.[2] Das Dach des Prellerhauses war begehbar und stand als zusätzliche Fläche für Gymnastikübungen zur Verfügung. Alle Etagen waren mit der Küche im Erdgeschoss über einen Speisenaufzug verbunden.[2]
Jeder Etage war von Hinnerk Scheper ein Farbton zugeordnet worden: Das untere, blaue Geschoss war gewohnheitsgemäß für die Studentinnen der Weberei vorgesehen; die beiden mittleren Etagen (rot und gelb) bewohnten Schüler der anderen Werkstätten und Malklassen; in die oberste, weiße Etage zogen Architekturstudenten ein. Diese Wohnungen waren natürlich begehrt und wurden an Jungmeister und Studierende höherer Semester vergeben.
„die individuellen balkone stellten sich als ideale kommunikationsstationen heraus; der kontakt mit nachbarn konnte von dort aus hergestellt werden, durch zurufe, ohne dass man sich gegenseitig aufsuchen musste“
Fotos von Lucia Moholy, Theodore Lux Feininger, Walter Peterhans dokumentieren das teilweise fröhliche und ausgelassene Treiben der Studierenden auf der Dachfläche und den Balkonen. Die Strukturen der Ostfassade mit den Balkonen waren (und sind noch immer) Objekt von künstlerischen Aufnahmen, zum Beispiel die „dynamischen Raumkonzepte“ von László Moholy-Nagy, die durch ungewöhnliche Perspektiven auf die Flächen und Linien den Betrachters herausfordern[3]. und auch die bekannte Fotografie von Irene Bayer mit den Schatten der Balkone an der weißen Wand.[4]
Diese markante Fassade wurde als Motiv in Malereien, in Skulpturen,[5] zu Installationen[6][7] auf dem Deckblatt von Büchern[8][9] und als Veranstaltungsort künstlerisch verwendet.
1930 ließ Ludwig Mies van der Rohe einige Ateliers in große Klassenräume umbauen, in denen Josef Albers und Wassily Kandinsky unterrichteten. Während der DDR-Zeit, als das Bauhaus das Bildungszentrum des Amtes für Industrielle Formgestaltung beherbergte, wurden im Prellerhaus ein Raum auf jeder Etage zu einem Duschraum umgebaut. 2006 wurde das Haus nach den ursprünglichen Plänen saniert und steht seitdem für Übernachtungen zur Verfügung.
Bekannte Nutzer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stiftung Bauhaus Dessau (Hrsg.): Übernachten am Bauhaus. (Onlineversion [PDF; abgerufen am 4. August 2017]).
- Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar gGmbH (Hrsg.): Bauhaus Reisetagebuch. Weimar Dessau Berlin. Prestel, München London New York 2017, ISBN 978-3-7913-8244-9.
- Partytalk: das Bauhaus A–Z. Prellerhaus. In: art – Das Kunstmagazin. artspezial 100 Jahre Bauhaus. 2019, ISBN 978-3-652-00496-1, S. 90.
- Christiane Kruse: das bauhaus in weimar, dessau und berlin. leben, werke, wirkung. Edition Braus, 2018, ISBN 978-3-86228-173-2.
- Hans Engels: Bauhaus-Architektur 1919–1933. Prestel Verlag, 2018, ISBN 978-3-7913-8480-1.
- Jeannine Fiedler, Peter Feierabend (Hrsg.): Bauhaus. Könemann, 2005, ISBN 978-3-89508-600-7.
- Magdalena Droste: bauhaus. Hrsg.: Bauhaus-Archiv Berlin. Taschen, 2019, ISBN 978-3-8365-6011-5 (mit einem historischen Foto der Ostfassade auf der Titelseite).
- Kirsten Baumann: Bauhaus Dessau. Architecture-Design-Concept. Jovis, Berlin 2007, ISBN 978-3-939633-11-2 (englisch).
- Hans M. Wingler: Das Bauhaus: Weimar, Dessau, Berlin 1919–1933. DuMont, 2008, ISBN 978-3-8321-7153-7.
Einzelnachweise und Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ In einzelnen Quellen wird die Namensgebung auf den Landschaftsmaler Friedrich Preller den Älteren (1804–1878) zurückgeführt, der Studenten eine Unterkunft geboten haben soll, welche später auch die Bauhaus-Studenten genutzt haben sollen. In den biographischen Quellen über Friedrich Preller d. Ä. und auch bei seinem Sohn, Friedrich Preller d. J. (1838–1901) sind keine derartigen Informationen zu finden; hingegen ist die Geschichte des Prellerhauses in Weimar belegt.
- ↑ a b c Walter Gropius (Hrsg.): bauhaus. Nr. 1. Dessau 4. Dezember 1926 (bauhaus-bookshelf.org [abgerufen am 27. Februar 2019]).
- ↑ Ein bekanntes Beispiel: bauhausbalkone mit der Studentin Lou Scheper, die an einem Balkon des Prellerhauses klettert; The History of the Bauhaus Reconsidered. 12. Januar 2017, abgerufen am 28. Februar 2019. , und bauhausbalkone in dessau, 1927. Abgerufen am 28. Februar 2019.
- ↑ Irene Bayer. 1924–1928 Fotografin. Ehemals im ; abgerufen am 28. Februar 2019. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Preller Building at the Bauhaus Foundation, Dessau (als Lego-Bauwerk). Abgerufen am 4. August 2017.
- ↑ Lichtprojektionen beim Farbfest am Bauhaus, Dessau 2011 von Sigrid Sandmann, abgerufen am 4. August 2017.
- ↑ Lichtprojektionen beim 16. Bauhausfest 2014. In Mitteldeutsche Zeitung, 8. September 2013, abgerufen am 4. August 2017.
- ↑ Andreas Hillger: Gläserne Zeit. Ein Bauhaus-Roman. Osburg Verlag, 2013, ISBN 978-3-95510-022-3.
- ↑ Theresia Enzensberger: Blaupause. Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2017, ISBN 978-3-446-25643-9.
Koordinaten: 51° 50′ 22,1″ N, 12° 13′ 40,7″ O