Provinz Niederschlesien

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Preußische Provinz
Niederschlesien
Flagge Wappen
Flagge der Provinz Niederschlesien Wappen der Provinz Niederschlesien
Lage in Preußen
Rot:Lage der Provinz Niederschlesien
Bestehen 1919–1938, 1941–1945
Provinzhauptstadt Breslau
Fläche 26.615,83 km² (1925)[1]
26.981,33 km² (1941–45)
Einwohner 3.132.328 (1925)[1]
3.227.601 (1933, bezogen auf den Gebietsstand von 1941–45)
Bevölkerungsdichte ca. 118 Ew./km²[1]
Religionen im Jahr 1925:[1]
66,8 % Evangelische
29,6 % Röm.-katholische
1,0 % Sonstige Christen
1,0 % Juden
1,4 % Konfessionslose
0,2 % ohne Angabe
Entstanden aus Provinz Schlesien
Heute Teil von Woiwodschaften Lebus, Oppeln und Niederschlesien (PL) sowie westlich der Oder-Neiße-Linie zu Sachsen und Brandenburg
Karte
Regierungsbezirke in Neder-Silezië (1922)

Die Provinz Niederschlesien entstand nach dem Ersten Weltkrieg im Freistaat Preußen durch Aufteilung der Provinz Schlesien in die zwei neuen Provinzen Niederschlesien (West- und Mittelteil) und Oberschlesien (östliches Drittel).

Vor der Volksabstimmung in Oberschlesien 1921 wurde den Bewohnern Oberschlesiens von deutscher Seite zugesichert, dass sie im Falle eines für Deutschland positiven Votums Autonomie erhalten würden. Zur Diskussion standen dabei zwei Modelle: die Einrichtung eines eigenen Landes Oberschlesien, d. h. die Abtrennung vom Freistaat Preußen oder die Einrichtung einer neuen Provinz Oberschlesien innerhalb Preußens. Letztlich wurde das zweite Modell verwirklicht. Mit dem am 14. Oktober 1919 von der Preußischen Nationalversammlung beschlossenen und am 8. November 1919 in Kraft getretenen Gesetz, betreffend die Errichtung einer Provinz Oberschlesien wurde die bisherige preußische Provinz Schlesien in zwei Provinzen – Niederschlesien und Oberschlesien – geteilt.[2] Die erste Wahl eines Provinziallandtages für Niederschlesien erfolgte am 20. Februar 1921, zusammen mit den Wahlen zu den anderen Provinziallandtagen Preußens.[3]

Für die administrative Teilung Schlesiens in zwei Länder Nieder- und Oberschlesien sprach nicht nur die unmittelbar bevorstehende Volksabstimmung, die die Zugehörigkeit Oberschlesiens zu Preußen und Deutschland in Frage stellte und damit eine eigene Administration Oberschlesiens, gewissermaßen direkt am Ort des Geschehens, sinnvoll erscheinen ließ. Es bestanden auch deutliche kulturelle Unterschiede zwischen beiden Teilen Schlesiens. Während Niederschlesien mit der Landeshauptstadt Breslau konfessionell ganz überwiegend evangelisch war, war Oberschlesien zu mehr als 90 Prozent katholisch. In Niederschlesien machte die polnischsprachige Bevölkerung nur einen kleinen Prozentsatz aus, während sie anteilmäßig in Oberschlesien vor der Teilung Oberschlesiens die Mehrheit bildete. Oberschlesien war stark durch die Montanindustrie geprägt – das Oberschlesische Industrierevier war (ebenfalls vor der Teilung Oberschlesiens) nach dem Ruhrgebiet das zweitgrößte Industriegebiet Deutschlands –, die in Niederschlesien weniger dominierend war.

Gebiet und Bevölkerung

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Niederschlesien wurde aus den beiden Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz gebildet. Die neu gebildete Provinz war mit rund 27.000 km² etwa so groß wie die preußische Rheinprovinz und in Bezug auf die Bevölkerung von rund 3,1 Millionen Einwohnern vergleichbar den preußischen Provinzen Sachsen (3,3 Millionen) und Hannover (3,2 Millionen).[4]

Niederschlesien gehörte zu den stärker industrialisierten Provinzen Preußens. Der relative Anteil der in Industrie und Gewerbe Erwerbstätigen wurde nur noch von Berlin, der Rheinprovinz und der Provinz Sachsen übertroffen (alle folgenden Zahlen aus den Jahren 1924–1926). Die Provinz hatte etwa 270.000 Industriearbeiter und damit etwa die vierfache Zahl wie Oberschlesien aufzuweisen. Die häufiger vertretene Auffassung vom „landwirtschaftlichen Niederschlesien“ und dem „industriellen Oberschlesien“ war daher unzutreffend. Selbst die Zahl der Bergleute war in beiden Provinzen annähernd gleich. Den größten Anteil hatte mit 80.000 Erwerbstätigen die Bekleidungsindustrie, in der alleine in Breslau etwa 30.000 Personen beschäftigt waren. Danach folgten das Baugewerbe mit 78.000 Beschäftigten, die Textilindustrie mit 75.000, Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit 65.000, holzverarbeitende Industrie mit 50.000, Papierindustrie 20.000, Hüttenindustrie 12.000, Lederindustrie 7000 und chemische Industrie 6000. Eine Besonderheit der Industrie Niederschlesiens war, dass sie zu einem erheblichen Teil auf dem Land angesiedelt war, wo oft noch die Nachkommen der traditionellen Leineweber in die Fabriken gingen. Etwa ein Drittel der deutschen Leinwebereien befand sich in Niederschlesien.[5]

Auf dem Gebiet Niederschlesiens lagen etwa 5,8 % der landwirtschaftlichen Fläche und 11 % der Waldfläche Deutschlands. Die Provinz war ein Überschussgebiet für landwirtschaftliche Produkte, insbesondere für Hafer, Weizen, Roggen, Gerste, Kartoffeln und Zuckerrüben. Die Landwirtschaft war vergleichsweise hoch mechanisiert. Im Jahr 1924 waren 30 % aller in Preußen eingesetzten Dampfpflüge in Niederschlesien im Einsatz. In Breslau befand sich die einzige Fabrik für Dampflüge auf dem europäischen Kontinent. Die vergleichsweise hohe Mechanisierung der Landwirtschaft trug auch dazu bei, dass Niederschlesien unter allen Ostprovinzen Preußens mit 30 % (1925) den niedrigsten Anteil an Beschäftigten in der Landwirtschaft hatte.[5]

Oberpräsidenten

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Provinziallandtag

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Provinziallandtag in Niederschlesien 1921–1925
       
Insgesamt 84 Sitze

1921: SPD 51,2 %, 43 Sitze | Zentrum 20,2 %, 17 Sitze | DVP 11,9 %, 10 Sitze | DDP 9,5 %, 8 Sitze | KPD 3,6 %, 3 Sitze | WP 2,4 %, 2 Sitze | USPD 1,2 %, 1 Sitz

Provinziallandtag in Niederschlesien 1925–1929
         
Insgesamt 111 Sitze

1925: SPD 36,0 %, 41 Sitze | DNVP 26,0 %, 29 Sitze | Zentrum 14,7 %, 17 Sitze | DVP 6,2 %, 7 Sitze | DDP 3,8 %, 5 Sitze | KPD 3,5 %, 4 Sitze | WP 3,2 %, 4 Sitze | Bauernpartei 2,4 %, 3 Sitze | DVFP 0,9 %, 1 Sitz

Provinziallandtag in Niederschlesien 1929–1933
        
Insgesamt 110 Sitze

1929: SPD 35,2 %, 39 Sitze | DNVP 22,0 %, 25 Sitze | Zentrum 14,3 %, 16 Sitze | WP 6,1 %, 7 Sitze | DVP 6,1 %, 7 Sitze | NSDAP 5,2 %, 6 Sitze | KPD 3,5 %, 5 Sitze | DDP 3,5 %, 5 Sitze

Provinziallandtag in Niederschlesien 1933
     
Insgesamt 110 Sitze

1933: NSDAP 51,7 %, 57 Sitze | SPD 20,9 %, 24 Sitze | Zentrum 11,2 %, 13 Sitze | DNVP 9,0 %, 10 Sitze | KPD 5,2 %, 6 Sitze

An 100 % fehlende Stimmen: Nicht im Provinziallandtag vertretene Wahlvorschläge.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

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Als Folge des Zweiten Weltkrieges wurden 1945 die Landesteile Niederschlesiens östlich der Oder-Neiße-Linie unter polnische Verwaltung gestellt, wobei die deutschsprachige Bevölkerung fast vollständig vertrieben wurde. Der kleine Teil westlich der Lausitzer Neiße, der allerdings – mit Ausnahme des Dorfes Pechern – historisch ein Teil der Oberlausitz war, nicht zum Kernland Niederschlesiens gehörte und diesem erst nach 1815 durch die preußische Verwaltungsreform angeschlossen wurde, gehört heute zu den deutschen Ländern Sachsen und Brandenburg. Es handelt sich um das Gebiet um Görlitz, Hoyerswerda, Rothenburg, Weißwasser, Niesky, Ruhland und Ortrand (siehe auch Niederschlesischer Oberlausitzkreis und Landkreis Oberspreewald-Lausitz). Seit 1999 gibt es eine polnische Woiwodschaft Niederschlesien, die teilweise mit dem historischen Niederschlesien übereinstimmt.

Provinz Schlesien: 37.013 km²; 4.846.333 Einwohner (Mai 1939)

Begriff nach 1945

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Die Verwendung des Landschaftsnamen Schlesien oder Niederschlesien für die Gebiete westlich der Lausitzer Neiße war bis 1989/1990 in der DDR offiziell nicht erwünscht und nur bis 1968 im Namen Evangelische Kirche von Schlesien gebräuchlich. Danach untersagte die DDR-Führung der Landeskirche den Gebrauch des Begriffs und sie nannte sich Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes.

Der 1990 gegründete Landesverband Sachsen der Jungen Union nennt sich Junge Union Sachsen & Niederschlesien. Die Evangelische Kirche des Görlitzer Kirchengebietes nahm 1992 den neuen Namen Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz (EKsOL) an.

1994 entstand nach der Landkreisreform in Sachsen der Niederschlesische Oberlausitzkreis aus den Kreisen Görlitz-Land, Niesky und Weißwasser. Im August 2008 ging er im neuen Landkreis Görlitz auf. Nach einer Reform der polizeilichen Verwaltungsstrukturen in Sachsen entstand 2005 aus der Zusammenlegung der Polizeidirektionen Bautzen und Görlitz die Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien. Diese wurde zum 1. Januar 2013 in Polizeidirektion Görlitz umbenannt. Das Sächsische Kulturraumgesetz hat einen Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien für die kommunale kulturelle Zusammenarbeit definiert.[6]

Die Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz fusionierte am 1. Januar 2004 mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zur Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Der CVJM-Landesverband Schlesische Oberlausitz e. V. hat seinen Sitz in Görlitz.

Ferner spielte mehrere Jahre der Niederschlesische Fußballverein Gelb-Weiß Görlitz 09 in der Sachsenliga.

Auch die Sparkasse im Landkreis Görlitz trägt den Namen Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien, die Volksbank firmiert unter Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien e. G. und die Verkehrsbetriebe heißen korrekt Niederschlesische Verkehrsgesellschaft mbH. Diese fährt im Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien.

Commons: Niederschlesien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b c d Preußisches Statistisches Landesamt (Hrsg.): Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Preußen. Band 23, 1927, Anhang I. Fläche, Wohnbevölkerung und Zugehörigkeit zu Religionsgemeinschaften nach den endgültigen der Volkszählungen vom 16. Juni 1925 in den Freistaaten Preußen und Waldeck, S. 238 (Digitalisat an der Schlesischen Bibliothek in Kattowitz).
  2. Gesetz, betreffend die Errichtung einer Provinz Oberschlesien. In: Preußische Gesetzsammlung. Nr. 47, 1919, S. 169–171 (Digitalisat bei der Biblioteka Jagiellońska).
  3. Gesetz, betreffend die Errichtung einer Provinz Oberschlesien. verfassungen.de, abgerufen am 30. November 2024.
  4. Wilhelm Matull: Ostdeutschlands Arbeiterbewegung, Abriss ihrer Geschichte, Leistung und Opfer. In: Ostdeutsche Beiträge aus dem Göttinger Arbeitskreis. Band LIII. Holzner Verlag, 1973, Niederschlesien, S. 85–144 (Digitalisat bei der Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF]).
  5. a b Hermann Freymark: Schlesiens Wirtschaft - eine deutsche Lebensfrage. In: Schriften der Industrie- und Handelskammer Breslau. Band 10, 1927 (zitiert in Maul, 1973).
  6. Text des Sächsischen Kulturraumgesetzes