Prozesse gegen Personen der Weißen Rose

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Die Prozesse gegen Personen der Weißen Rose fanden 1943 und 1944 im Dritten Reich statt.

Da gegen Hans und Sophie Scholl und Christoph Probst genügend Beweismaterial vorlag, wurde ihr Prozess vorgezogen.

Vor der Hauptverhandlung

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Der Historiker Hans Günter Hockerts sieht einen starken politischen Einfluss des Gauleiters von München, Paul Giesler, den Prozess schnell, mit Todesstrafen abzuschließen, er wollte sein Renommee sichern. Durch seinen Kontakt zum NSDAP-Funktionär Martin Bormann erreichte er drei Dinge. 1. Befasste sich nicht das eigentlich zuständige Kriegsgericht mit dem Soldaten Probst, sondern der Volksgerichtshof. 2. Der Volksgerichtshof tagte nicht wie üblich in Berlin, sondern zur Beschleunigung und Aburteilung am Ort des Geschehens in München. 3. Konnte Giesler den Auftrag „schnelle Aburteilung, Vollstreckung alsbald“ durchgeben.[1]

Die Anklageschrift wurde den Angeklagten am Nachmittag des 21. Februars übergeben. Die Einspruchsfrist wurde unter Missachtung der gesetzlichen 24-Stunden Frist auf den nächsten Morgen, 8:00 Uhr gesetzt. Am Amtsgericht München wurde ein Haftbefehl zur richterlichen Vernehmung beantragt und erlassen, so kamen sie aus Gestapo- in Untersuchungshaft. Ihnen wurden zwei Pflichtverteidiger bestellt: August Klein für die Geschwister Scholl und Ferdinand Seidl für Probst.

Die Berufsrichter im Verfahren waren Roland Freisler und Martin Stier. Als Laienrichter wurden SA- und SS-Funktionäre ausgewählt:

Hauptverhandlung und Urteile

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Die Hauptverhandlung begann am 22. Februar 1943 um 10 Uhr im Justizpalast München.

Über den Verlauf der Hauptverhandlung gibt es wenig schriftliche Quellen. Hockerts fasst die Angaben der Augenzeugen wie folgt zusammen: „[Freisler] ließ [die Angeklagten] wenig zu Wort kommen und schnitt ihre Bemerkungen in bissigem Ton ab.“[1] Die anderen Richter blieben stumm.

Albert Emil Rudolf Weyersberg (s. Oberreichsanwalt) beantragte alle drei Angeklagten wegen Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und Vorbereitung zum Hochverrat zum Tode zu verurteilen. Dem folgte das Gericht:


1 H 47/43 Im Namen des deutschen Volkes

1.) In der Strafsache gegen den Hans Fritz S c h o l l aus München, geboren in Ingersheim am 22. September 1918,

2.) die Sophia Magdalene S c h o l l aus München, geboren in Forchdenberg am 9. Mai 1941,

3.) den Christoph Hermann P r o b s t aus Aldrans bei Innsbruck, geboren in Murnau am 6. November 1919, zur Zeit in dieser Sache in gerichtlicher Untersuchungshaft,

wegen landesverräterischen Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung

hat der Volksgerichtshof, 1. Senat, auf Grund der Hauptverhandlung vom 22. Februar 1943, an welcher teilgenommen haben,

als Richter:

Präsident des Volksgerichtshof Dr. Freisler, Vorsitzer

Landgerichtdirektor Stier,

SS-Gruppenführer Breithaupt,

SA-Gruppenführer Bunge,

Staatssekretär und SA-Gruppenführer Köglmaier,

als Vertreter des Oberreichsanwalts:

Rechtsanwalt Weyersberg,

für Recht erkannt:

Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defätistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt.

Sie werden deshalb mit dem T o d e bestraft.

Ihre Bürgerehre haben sie für immer verwirkt.“

Volksgerichtshof: Urteil vom 22.02.1943[2]

Das Urteil samt Begründung findet sich unter der Archivnummer BArch ZC 13267/Bd.8.[3]

Vollstreckung der Todesurteile

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Die Hauptverhandlung begann und endete am 22. Februar 1943. Ein Gnadengesuch der Eltern Scholl und des Bruders Werner Scholl für alle drei Verurteilten wurde durch Justizminister Otto Thierack abgelehnt und um 16 Uhr den Angeklagten mitgeteilt, dass sie kurz nach 17 Uhr desselben Tages hingerichtet würden – die damalige Vorschrift, dass die Ankündigung mit 8 Stunden Vorlauf erfolgen soll, wurde ignoriert.

Alle Verurteilten wurde im Strafgefängnis München-Stadelheim unter Aufsicht des Leiters der Vollstreckungsabteilung des Münchner Landgerichts Walter Roemer vom Scharfrichter Johann Reichhart mit der Guillotine enthauptet.

Die harten Urteile, gegen die noch jungen Menschen stieß eher auf Ablehnung.[4] Im Reichsjustizministerium wurde vermerkt: „Urteil und seine sofortige Vollstreckung [hat] bei der Münchener Bevölkerung eine wenig verständnisvolle Aufnahme gefunden.“[1]

Reaktion der Münchener Studierenden

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Direkt nach ihrer Verhaftung äußerte Sophie Scholl die Hoffnung, ihr Tod werde zu einer Revolte in der Studentenschaft führen. Diese Erwartung erwies sich aber schon am Tage ihrer Hinrichtung als Illusion. Am Abend dieses Tags[1] fand im Auditorium Maximum der Münchener Universität eine große Versammlung der Studierenden statt, an der etwa 3.000 Personen teilgenommen haben sollen. Über ihren Verlauf meldete der Rektor der Münchener Universität, SS-Oberführer Walther Wüst, dem Reichserziehungsministerium: „In dieser Kundgebung ... brachte die Münchener Studentenschaft in einer ungewöhnlich eindrucksvollen, ja geradezu ergreifenden Weise zunächst ihre Verachtung gegen diese Machenschaften jener vier Hochverräter, dann aber ihren entschlossenen Kampf- und Siegeswillen, ihre unerschütterliche Treue und Hingabebereitschaft für Führer und Volk zum Ausdruck“.[5]

Diese Aussage wird im Kern bestätigt durch den Bericht einer damals anwesenden Studentin, die sich noch Jahre später vor allem an den triumphalen Auftritt des Hörsaaldieners Jakob Schmid erinnerte, der vier Tage vorher für die Verhaftung der Geschwister Scholl gesorgt hatte: „Die Kundgebung im Auditorium Maximum gehört zu den schauerlichsten Erinnerungen, die mir aus jenen Tagen geblieben sind. Hunderte von Studenten johlten und trampelten dem Denunzianten und Pedell der Uni Beifall, und dieser nahm ihn stehend und mit ausgestrecktem Arm entgegen“.[6]

Hockerts bemerkt, durch die Auswahl der Laienrichter wurde „die Unparteilichkeit des Richteramts mit Füßen [getreten]“.[1] Und insgesamt, auch mit Blick auf den Einfluss von Gauleiter Giesler: „So kann schon von Beginn an nicht von Gewaltenteilung oder Unabhängigkeit der Justiz die Rede sein.“[1]

Bezogen auf das Urteil kommt Hockerts zu der Einschätzung, dass nach der verloren Schlacht um Stalingrad kritische Äußerungen härter als in den Jahren zuvor bestraft werden sollten: „Nun war Freisler fest entschlossen, mit einem möglichst brutalen Urteil ein Exempel zu statuieren.“[1] Weiter betont Hockerts, dass die angewandten Paragraphen einen Strafrahmen besaßen und eine Todesstrafe nicht zwingend war. Besonders die Einstufung von Probsts Handeln als einen „besonders schweren Fall“, sieht er als „reine Willkür“ an.[1]

Zweiter Prozess

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Vor der Hauptverhandlung

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Am 27. Februar 1943 übermittelte Julius Schaub im Auftrag von Adolf Hitler dem Reichsjustizminister die Weisung Alexander Schmorell solle „wie die übrigen Täter abgeurteilt, aber vorläufig nicht hingerichtet werden“.[1]

Die Richterbank war wie im ersten Prozess besetzt und wieder tagte der Volksgerichtshof auf Treiben von Gauleiter Giesler in München.

Die Berufsrichter im Verfahren waren Roland Freisler und Martin Stier. Als Laienrichter wurden SA- und SS-Funktionäre ausgewählt:

Als Vertreter des Oberreichsanwalts nahm Adolf Bischoff am Prozess teil.[1]

Schriftlich angeklagt waren 11 Personen: drei aus dem inneren Kreis der Weißen Rose – Willi Graf, Alexander Schmorell und Kurt Huber – und acht aus dem Umfeld. Mündlich, ohne Kenntnis der Anklageschrift, wurden zu Beginn der Hauptverhandlung Traute Lafrenz Gisela Schertling und Katharina Schüddekopf aus dem Umfeld angeklagt (s. u.)

Hauptverhandlung und Urteile

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Die Hauptverhandlung fand am 19. April 1943 statt. Über Freisler wird eine „aggressive Prozessführung“[1] bezeugt. So bezeichnete er Hubers Äußerungen zu seiner Verteidigung als „politische Tiraden“, die er sich verbat.[1] Den mündlich Angeklagten wurden im Laufe der Sitzung Pflichtverteidiger bestellt, die sich im laufenden Prozess in die Akten einarbeiten mussten.

Angeklagte:r[7] Verteidiger[1] Strafantrag der Anklage [1] Urteil und Vollzug[1][8]
Willi Graf Todesstrafe Todesstrafe – vollstreckt am 12. Oktober 1943
Alexander Schmorell Todesstrafe Todesstrafe – vollstreckt am 13. Juli 1943
Kurt Huber Wahlverteidiger Lorenz Roder – legte nach Verlesung des Flugblattes das Mandat nieder Todesstrafe Todesstrafe – vollstreckt am 13. Juli 1943
Hans Hirzel 5 Jahre Gefängnis wegen Feindbegünstigung, Hochverrat und Wehrkraftzersetzung wegen der Verschickung von Flugblättern
Susanne Hirzel 6 Monate Gefängnis wegen Beihilfe zum Hochverrat wegen der Verteilung von Flugblättern. Da ihr die Kenntnis des Inhalts nicht nachgewiesen werden konnte, fiel die Strafe geringer aus
Franz J. Müller 5 Jahre Gefängnis wegen Feindbegünstigung, Hochverrat und Wehrkraftzersetzung wegen der Verschickung von Flugblättern
Heinrich Guter 18 Monate Gefängnis weil er die Flugblattverschickung nicht angezeigt hatte
Helmut Bauer 7 Jahre Zuchthaus wegen Nichtanzeige der „hochverräterischen Umtriebe“

und dem Abhören ausländischer Nachrichten

Heinrich Bollinger 7 Jahre Zuchthaus wegen Nichtanzeige der „hochverräterischen Umtriebe“

und dem Abhören ausländischer Nachrichten

Eugen Grimminger Eduard Eble Todesstrafe 10 Jahre Zuchthaus wegen Unterstützung zum Hochverrat
Traute Lafrenz Pflichtverteidiger 1 Jahr Gefängnis
Gisela Schertling Pflichtverteidiger 1 Jahr Gefängnis
Katharina Schüddekopf Pflichtverteidiger 1 Jahr Gefängnis
Falk Harnack 5 Jahre Haft wegen Nichtanzeige von Hochverrat Freispruch aufgrund „einmalig besondere Verhältnisse“, da er „unter dem Eindruck seines schweren Familienerlebnisses“ gestanden habe[1]

Bewertung der Urteile

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Hockerts schreibt über Freisler mit Blick auf die nicht verhängte Todesstrafe für Grimminger: „Als Herr über Leben und Tod gefiel es ihm, zuweilen auch etwas Milde zur Schau zu tragen.“[1]

Hockerts verweist auch auf die Ungleichbehandlung männlicher und weiblicher Angeklagten. Guter bekam 18 Monate Haft, Schertling, Schüddekopf und Lafrenz für die gleiche Tat (das Nichtanzeigen) nur 1 Jahr Haft. Im Urteil heißt es dazu: „Gisela Schertling, Katharina Schüddekopf und Traute Lafrenz haben dasselbe verbrochen [...] Als Mädchen bekommen sie dafür ein Jahr Gefängnis“.[1]

Einschätzungen zu den Urteilen bezogen auf die Ulmer Abiturienten

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Müller vermutete später, dass Freislers Rassismus – in dessen Augen hatten sie „ein rassisch gutes Aussehen“ – sie vor härteren Urteilen bewahrt habe.

Brenner fügte seinem Buch einen Ausschnitt aus der Zeitung Ulmer Sturm bei, in dem es heißt „Unter Berücksichtigung ihrer Jugend erhielten sie je fünf Jahre Gefängnis. [...] Guter aus Ulm erhielt unter Berücksichtigung seiner Jugend 18 Monate Gefängnis.“[9]

Anita Binder sieht als einen Grund für die eher milden Urteile, die öffentlichen, ablehnenden Reaktion auf die Urteile des ersten Weiße Rose Prozesses.[10]

Benedikt Pfister sieht die Aussagen der Ulmer als einen Grund für die nicht-Todesurteile: sie hätten zwar Kritik am System geäußert, aber nicht in fundamentaler Gegnerschaft dazu gestanden. Zudem sah Freisler Hans Hirzel von den Scholls beeinflusst an.[4]

Weitere Prozesse

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Aufhebung der Urteile

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Alle Urteile gegen Personen der Weißen Rose wurden 1998 durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufgehoben und für rechtswidrig erklärt.

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Hans Günter Hockerts: Der Volksgerichtshof und die Weiße Rose: Die Prozesse im Münchner Justizpalast. Bayerisches Staatsministerium der Justiz, März 2024, abgerufen am 30. Dezember 2024. in "GEDENKSCHRIFT ANLÄSSLICH DER ERÖFFNUNG DER NEUGESTALTETEN AUSSTELLUNG Willkür im Namen des Deutschen Volkes Zertrümmerung des Rechtsstaats im Nationalsozialismus: Die Weiße Rose Prozesse im Münchner Justizpalast"
  2. Seite des Bundesarchivs, Dokument 23
  3. openjur.de
  4. a b Benedikt Pfister: Den Nazis die Stirn bieten — Die Ulmer Abiturienten im Nationalsozialismus. Verlag Dr. Müller, Saarbrücken 2008, ISBN 978-3-639-09654-5.
  5. Zitiert nach: Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Paderborn 1995, S. 470, ISBN 3-506-77492-1.
  6. Zitiert nach: Michael Grüttner: Studenten im Dritten Reich. Paderborn 1995, S. 470.
  7. opinioiuris.de
  8. Michael Kuckenburg: Daraus erwuchs bei uns die Opposition – Die «Ulmer Schülergruppe» 1943 und ihr Gymnasium. Schwäbische Heimat 2013/3 DOI:10.53458/sh.v64i3.2532, 2013, abgerufen am 15. November 2024.
  9. Heinz Brenner: Dagegen — Widerstand Ulmer Schüler gegen die deutsche Nazi-Diktatur. Rud. Roth & Cie. KG, Leutkirch im Allgäu 1992, ISBN 3-9800035-4-X. Seite 94
  10. Nach Pfister: "Den Nazis die Stirn bieten", S. 58
  11. "Widerstandsgruppe Weiße Rose" auf der Seite der Weiße Rose Stiftung
  12. lrv.de
  13. Angaben der Geschwister-Scholl-Schule Bensheim
  14. Jana Haase: Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus. Tagesspiegel, 27. Januar 2022, abgerufen am 1. Januar 2025.