Reich (Territorium)
Als Reich wird das Territorium eines Herrschers – häufig ein Königreich – (oder eines historisch oligarchischen Staates) bezeichnet, wenn es entweder eine bedeutende Ausdehnung hat oder als Imperium einen hegemonialen Machtanspruch über mehrere Stämme, Völker oder Nationen geltend macht. Ideologisch gestützt wird dieser Anspruch oft von einer Reichsidee.
Wortherkunft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Wort und das zugehörige Adjektiv reich ist laut dem „Etymologischen Wörterbuch des Althochdeutschen“ keltischen Ursprungs und wurde höchstwahrscheinlich wegen der Übernahme keltischer Rechtsnormen durch die Germanen in der Folge auch von ihnen entlehnt. Die Kelten verstanden darunter den ideellen bzw. materiellen Reichtum. Erstmals bei Grimm wird es als: „allgemein das mit einem herscher in zusammenhang stehende, von ihm abhängige“ (Grimm)[1] bezeichnet, entspricht also lateinisch regnum. Es findet sich in allen germanischen Sprachen (etwa nl. rijk) und stammt vom keltischen -rig „Macht“.[2]
Das althochdeutsche rîhhi entspricht auch schon dem ursprünglichen Gebiet (zu gebieten), lat. imperium „das unter dem Befehl stehende“. Die Bedeutung von rîhhi umfasst „Regierung;[3] Herrschaft, Gewalt; reich, mächtig; hoch[4]“, so erhalten etwa in Namen wie Richard („Herrschaft und Strenge“), Ulrich, Heinrich („der sein Vermögen bzw. Heim beherrscht“).[5] Das Wort steckt auch in Ostarrichi (dem Vorläufer Österreichs, im Sinne von „Land im Osten“ gedeutet und nicht als „Ostmark“ im Sinne einer Institution).
Mittelhochdeutsch steht rîche für Herrschaftsordnung und Herrschaftsgebiet. Nie bezeichnet es ursprünglich den Regenten selber, im Heiligen Römischen Reich ist die Bezeichnung Kaiser und Reich „Oberhaupt und Glieder des Reiches“ formelhaft[6] – später aber findet sich auch diese Übertragung.[7] Der Aspekt des „Beherrschten“ bleibt dabei primär, löst sich jedoch vom rein Territorialen.
Bedeutende historische Reiche (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alter Orient
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Altes Reich, Mittleres Reich, Neues Reich (Ägypten)
- Elam
- Reich von Akkad
- Assyrisches Reich
- Babylonisches Reich
- Reich der Mitanni
- Hethiterreich
- Davidisch-salomonisches Großreich (Israel)
- Juda
- Nordreich Israel
- Perserreich
- Saba
Hellenistisch-Römische Welt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Alexanderreich Alexanders des Großen
- Seleukidenreich
- Römisches Reich
- Weströmisches Reich
- Oströmisches/Byzantinisches Reich
Europa seit dem Mittelalter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ostgotenreich
- Westgotenreich
- Fränkisches Reich
- Reich des Samo
- Heiliges Römisches Reich
- Nordseereich
- Angevinisches Reich
- Habsburgerreich
- Russisches Kaiserreich, hervorgegangen aus dem Zarentum Russland
- Erstes und Zweites Französisches Kaiserreich
- Kaisertum Österreich
- Österreich-Ungarn
- Deutsches Kaiserreich
Ost- und Südasien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Reich der Xiongnu
- Kaiserreich China (auch: „Reich der Mitte“)
- Mongolisches Reich
- Mogulreich
- Japanisches Kaiserreich
Zentral- und Westasien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Partherreich
- Sassanidenreich
- Kalifat
- Reich der Kök-Türken
- Reich der Schwarzen Hammel
- Reich der Weißen Hammel
- Seldschukenreich
- Osmanisches Reich
- Reich der Goldenen Horde
Subsaharisches Afrika
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Reich von Kusch
- Reich Kanem-Bornu
- Gao-Reich
- Songhaireich
- Reich von Aksum
- Kaiserreich Abessinien
- Königreich Kongo
- Reich von Ghana
- Malireich
- Munhumutapa-Reich
Altamerika
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kolonialreiche
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Italienisches Kolonialreich
- Portugiesisches Kolonialreich
- Spanisches Kolonialreich
- Britisches Weltreich
- Niederländisches Kolonialreich
- Französisches Kolonialreich
- Deutsches Kolonialreich
Reiche im übertragenen Sinn
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Reich Gottes, Himmelreich
- Reich des Bösen
- Totenreich (Unterwelt)
- Reich (Biologie)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Stefan Breuer: Imperien der Alten Welt. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1987.
- Jane Burbank/Frederick Cooper: Imperien der Weltgeschichte. Das Repertoire der Macht vom alten Rom und China bis heute. Übers. von Thomas Bertram, Frankfurt/New York 2010.
- Michael W. Doyle: Empires. Ithaca/London 1986.
- Michael Gal: Staaten, Reiche, Dependanten. Grundlegung einer Theorie der Politate. In: ders.: Internationale Politikgeschichte. Konzeption – Grundlagen – Aspekte. Dresden/München 2021 (2. Auflage), S. 247–301.
- Ulrich Leitner: Imperium. Geschichte und Theorie eines politischen Systems. Frankfurt/New York 2011.
- John Mackenzie (Hrsg.): The Encyclopedia of Empire. 4 Bände. Wiley-Blackwell, Chichester 2016.
- Ulrich Menzel: Die Ordnung der Welt. Imperium oder Hegemonie in der Hierarchie der Staatenwelt. Berlin 2015.
- Herfried Münkler: Imperien. Die Logik der Weltherrschaft – Vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten. Köln 2005.
- Hans-Heinrich Nolte (Hrsg.): Imperien. Eine vergleichende Studie. Schwalbach 2008.
- Hans-Heinrich Nolte: Kurze Geschichte der Imperien. Wien/Köln/Weimar 2017.
- Jürgen Osterhammel: Expansion und Imperium. In: Peter Burschel, Mark Häberlein, Volker Reinhardt, Wolfgang E. J. Weber, Reinhard Wendt (Hrsg.): Historische Anstöße. Festschrift für Wolfgang Reinhard zum 65. Geburtstag am 10. April 2002. Berlin 2002, S. 371–392.
- Joachim Whaley: Reich. In: Europäische Geschichte Online, hrsg. vom Institut für Europäische Geschichte (Mainz), 2017; abgerufen am 8. März 2021 (PDF).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Reich, n. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 14: R–Schiefe – (VIII). S. Hirzel, Leipzig 1893, Sp. 573 (woerterbuchnetz.de – regnum).
- ↑ Werner König: DTV-Atlas zur deutschen Sprache: Tafeln und Texte (= dtv-Atlas. Band 3025). 1. Auflage. dtv, München 1978, ISBN 3-423-03025-9, Frühe Lehnbezeichnungen mit Nachbarvölkern, S. 47, Sp. 2.
- ↑ Reich, n. – Abschnitt: 1). Her[r]schaft, Gewalt, Regierung – imperii rîhhes, rîchhes. In: Deutsches Wörterbuch. Band 14, 1893, Sp. 573–574 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Horst Naumann: Das große Buch der Familien-Namen. Alter, Herkunft, Bedeutung. Falken, Niedernhausen 1994, ISBN 3-8068-4781-9. Zitiert nach Kunze: Namenkunde. S. 8.
- ↑ Konrad Kunze: dtv-Atlas Namenkunde. Vor- und Familiennamen im deutschen Sprachgebiet (= dtv-Atlas. Band 2490). 1. Auflage. dtv, München 1998, ISBN 3-423-03266-9, Etymologische Bedeutung., S. 24 ff.
- ↑ Reich, n. – Abschnitt: 10). formelhafte Verbindung – Kaiser und Reich. In: Deutsches Wörterbuch. Band 14, 1893, Sp. 577 (woerterbuchnetz.de).
- ↑ Reich, n. – Abschnitt: 11). Reich geht endlich auch auf die Spitze desselben, den Kaiser selbst. In: Deutsches Wörterbuch. Band 14, 1893, Sp. 577 (woerterbuchnetz.de).