Überprüft

Rychnov u Jablonce nad Nisou

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Rychnov u Jablonce nad Nisou
Wappen von Rychnov u Jablonce nad Nisou
Rychnov u Jablonce nad Nisou (Tschechien)
Rychnov u Jablonce nad Nisou (Tschechien)
Basisdaten
Staat: Tschechien Tschechien
Region: Liberecký kraj
Bezirk: Jablonec nad Nisou
Fläche: 1225,2977[1] ha
Geographische Lage: 50° 41′ N, 15° 9′ OKoordinaten: 50° 41′ 4″ N, 15° 8′ 56″ O
Höhe: 435 m n.m.
Einwohner: 2.845 (1. Jan. 2023)[2]
Postleitzahl: 468 02
Kfz-Kennzeichen: L
Verkehr
Straße: Jablonec nad NisouHodkovice nad Mohelkou
Bahnanschluss: LiberecTurnov
Struktur
Status: Stadt
Ortsteile: 2
Verwaltung
Bürgermeister: František Chlouba (Stand: 2007)
Adresse: Husova 490
468 02 Rychnov u Jablonce nad Nisou
Gemeindenummer: 563790
Website: www.rychnovjbc.cz

Rychnov u Jablonce nad Nisou (deutsch Reichenau bzw. Reichenau bei Gablonz an der Neiße) ist eine Stadt im Bezirk Jablonec nad Nisou in Tschechien.

Geographische Lage

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stadt liegt in Nordböhmen im Isergebirge im Tal der Mohelka, fünf Kilometer südlich von Jablonec nad Nisou (Gablonz). Am nördlichen Rand verläuft die Schnellstraße Vorlage:RSIGN/Wartung/Falscher SymbolparameterR65 von Jablonec in Richtung Turnov (Turnau). Rychnov liegt an der Bahnstrecke Pardubice–Turnov–Liberec, die in einer vier Kilometer langen Schleife beiderseits der Mohelka in die Stadt führt.

Nachbarorte sind Dolní Dobrá Voda und Dobrá Voda im Norden, Kokonín und Maršovice im Nordosten, Dalešice im Osten, Pulečný im Südosten, Zálesi und Košovy im Süden, Bezděčín und Pelíkovice im Südwesten sowie Rádlo im Nordwesten.

Stadtpanorama mit dem Viadukt und der Wenzelskirche
Wenzelskirche

Der Ort wurde vermutlich vom Zisterzienserkloster Münchengrätz aus im 13. Jahrhundert angelegt. Erste urkundliche Nachrichten über Richnow stammen vom 25. Januar 1361, als der Erzbischof von Prag Johann Albert aus Sebnitz als Nachfolger für den 1360 verstorbenen Pfarrer berief. Eine Kirche in Reichenau wird im Jahr 1384 erwähnt. Im Jahr 1407 war eine hölzerne Kirche auf dem jetzigen alten Friedhof vorhanden.

17. bis 19. Jahrhundert

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachdem die Lehre Martin Luthers in Reichenau zahlreiche Anhänger gefunden hatte, wurde die Kirche zunächst bis 1668 mit protestantischen, dann wieder mit katholischen Priestern besetzt. Der Besitzer der Herrschaft, Graf Karl Ernest von Waldstein und Wartenberg, ließ die jetzige Kirche St. Wenzel 1704 aus Stein errichten, teils mit herrschaftlichen Steuermitteln und teils aus dem Kirchenvermögen.[3][4] Im Jahr 1712 wurde die alte hölzerne Kirche abgetragen. Um 1830 standen die Wenzelskirche und die Schule unter dem Patronat der Grundherrschaft.[4]

Im 18. Jahrhundert siedelten sich Textilmanufakturen an, und Johann Schöffel errichtete eine Fabrik für Dosen aus Hartpapier. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bildete Reichenau eine Gemeinde im Gerichtsbezirk Gablonz an der Neiße. 1856 erhielt der Ort einen Bahnhof an der Pardubitz–Reichenberg der Süd-Norddeutschen Verbindunhgsbahn. Auf einem großen Viadukt überquert die Bahn in Reichenau die Mohelka. Zum Ende des 19. Jahrhunderts begann die große Zeit der Gablonzer Glasbijouterie, von der auch Reichenau profitierte. Reichenau wurde 1895 zum Markt erhoben und erhielt das Recht zum Abhalten von vier Jahrmärkten.

20. Jahrhundert

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1900 führte eine Linie der Gablonzer Straßenbahn nach Reichenau. 1911 folgte die Stadterhebung.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Reichenau 1919 der neu geschaffenen Tschechoslowakei zugeschlagen. Es entstand eine Fabrik für Galanteriewaren, die in einem Moorgebiet am Stadtrand entstand, das durch ein System von Entwässerungsgräben erst trockengelegt werden musste. Nachdem die Stadt 1938 nach dem Münchner Abkommen an das Deutsche Reich angegliedert worden war, wurde das Unternehmen 1938 von einem deutschen Konsortium aufgekauft und produzierte im Zweiten Weltkrieg Ortungsgeräte. Als Arbeitskräfte wurden etwa 350 Juden und hundert Ukrainer, untergebracht im Außenlager des KZ Groß-Rosen, zwangsverpflichtet.[5]

Nach der Vertreibung der mehrheitlich deutschböhmischen Bevölkerung und während der nachfolgenden sozialistischen Epoche kam es zu einem Verfall des Stadtbildes dem, durch teilweisen Abriss, bis zu einhundert Gebäude zum Opfer fielen.[6] Die Straßenbahnverbindung nach Jablonec wurde 1965 aufgegeben. Nach 1990 begann stellenweise die Sanierung der noch erhaltenen historischen Bausubstanz.

Vertreibung der Deutschen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1938 bis 1945 gehörte Reichenau zum Landkreis Gablonz an der Neiße, Regierungsbezirk Aussig, im Reichsgau Sudetenland (tschechisch Říšská župa Sudety). Nach Kriegsende wurde fast die gesamte Bevölkerung (mehrheitlich Deutschböhmen) von Reichenau enteignet und vertrieben. Die Stadt lag zuvor an der Sprachgrenze. Das ehemalige KZ an der Eisenbahnstrecke diente als Internierungslager für die Abschiebung der Deutschen aus Reichenau und Gablonz. Die vertriebene Bevölkerung ließ sich mehrheitlich in Bayern und Baden-Württemberg nieder.

Bis 1945 war Reichenau überwiegend von Deutschböhmen besiedelt die, mehrheitlich, vertrieben wurden.

Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1830 2292 in 352 Häusern[4]
1900 3384 deutsche Einwohner[7]
1930 3320 [8]
1939 3056 [8]
Einwohnerzahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs[9]
Jahr 1970 1980 1991 2001 2003
Einwohner 1924 1967 1822 2013 2122

Die Stadt Rychnov u Jablonce nad Nisou besteht aus den Ortsteilen:

  • Rychnov u Jablonce nad Nisou (deutsch: Reichenau)[10]
  • Pelíkovice (deutsch: Pelkowitz)

Siedlungen:

  • Rydvaltice (deutsch: Ridwalditz)
  • Košovy (deutsch: Koschen)
  • Dolni Dobra Voda (deutsch: Gutbrunn)
  • Hájek
  • Dolní Rychnov
  • Svatý Kříž (deutsch: Heiliges Kreuz)
  • Liščí Jáma
  • Zálesí

Nach 1945 verschwunden:

  • Ještřabí
  • Schlitz

Sehenswürdigkeiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Kirche St. Wenzel, Barockbau aus den Jahren 1704–1712
  • Pestsäule des Hl. Prokop, 1702 errichtet
  • Statue des Hl. Johannes von Nepomuk, 1780 aufgestellt

Persönlichkeiten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Richard Felgenhauer (1895–1958), sudetendeutscher Landschaftsmaler, Grafiker und Zeichner
  • Herbert Peukert (1907–1987), sudetendeutscher Philologe, Slawist und Hochschullehrer
  • 2002: Gerhard Müller (1922–2006) für sein Wirken für eine Versöhnung von Tschechen und Deutschen
Commons: Rychnov u Jablonce nad Nisou – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. uir.cz
  2. Český statistický úřad – Die Einwohnerzahlen der tschechischen Gemeinden vom 1. Januar 2023 (PDF; 602 kB)
  3. Jaroslaus Schaller: Topographie des Königreichs Böhmen. Band 4: Bunzlauer Kreis, Prag 1786, S. 228, Ziffer 68.
  4. a b c Johann Gottfried Sommer: Das Königreich Böhmen. Band 2: Bunzlauer Kreis, Prag 1834, S. 223, Ziffer 78.
  5. Rudolf M. Wlaschek: Juden in Böhmen. München : Oldenbourg, 1990, S. 153.
  6. rychnovjbc.cz
  7. Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Auflage. Band 16, Leipzig und Wien 1908, S. 726, Ziffer 3.
  8. a b Michael Rademacher: Landkreis Gablonz an der Neiße. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  9. Tschechische bevölkerungsstatistik
  10. uir.cz