Schnittzahl
In der Differentialtopologie und in der Algebraischen Topologie bezeichnet die Schnittzahl oder Schnittmultiplizität eine ganze Zahl, welche den Schnittpunkten orientierter Untermannigfaltigkeiten bzw. Homologieklassen von orientierten Mannigfaltigkeiten zugeordnet werden kann.
Differentialtopologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Differentialtopologie betrachtet man zuerst Schnittzahlen von Abbildungen mit Untermannigfaltigkeiten. Schnittzahlen von Untermannigfaltigkeiten komplementärer Dimensionen werden als Schnittzahl der Inklusionsabbildung der einen Untermannigfaltigkeit mit der anderen Untermannigfaltigkeit berechnet.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seien differenzierbare Mannigfaltigkeiten, kompakt sowie eine Untermannigfaltigkeit und sei ein differenzierbare Abbildung, die zu transversal ist. Zudem gelte . Dann heißt
die Schnittzahl der Abbildung mit .
Transversalität und Kompaktheit garantieren, dass die Summe endlich ist. Das Signum ist folgendermaßen definiert:
- , falls als direkte Summe von orientierten Vektorräumen die Orientierung erhält,
- , falls als direkte Summe von orientierten Vektorräumen die Orientierung umkehrt.
Mit Hilfe des Homotopietransversalitätssatzes kann die Definition auch auf Abbildungen ausgedehnt werden, die nicht transversal sind: Seien differenzierbare Mannigfaltigkeiten, kompakt sowie eine Untermannigfaltigkeit und sei ein differenzierbare Abbildung. Zudem gelte . Nach dem Homotopietransversalitätssatz gibt es eine differenzierbare Abbildung , welche transversal zu und homotop zu ist. Man setzt: .
Eigenschaften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sei eine kompakte differenzierbare Mannigfaltigkeit mit Rand und sei eine differenzierbare Abbildung. Dann gilt für für jede Untermannigfaltigkeit von , dass .
- Die Schnittzahlen homotoper Abbildungen stimmen überein.
Selbstschnittzahl
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für den Fall, dass kompakte orientierte Untermannigfaltigkeiten einer orientierten differenzierbaren Mannigfaltigkeit sind, mit , lässt sich die Schnittzahl definieren, wobei die kanonische Inklusionsabbildung bezeichnet.
Man kann zeigen, dass gilt. Im Falle , ist also die Selbstschnittzahl definiert und für ungerade folgt damit .
Sei nun eine kompakte orientierte Mannigfaltigkeit, bezeichne die Diagonale. Nach der vorangehenden Überlegung ist wohldefiniert und man kann mit Hilfe der Lefschetz-Fixpunkttheorie zeigen, dass mit der Euler-Charakteristik der Mannigfaltigkeit übereinstimmt.
Schnittzahl mod 2
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Schnittzahl ist unabhängig von einer Orientierung der Mannigfaltigkeiten, das in der Definition der Schnittzahl vorkommende Signum ist und die Berechnung der Schnittzahl reduziert sich auf das Zählen der Schnittpunkte . Dies erlaubt natürlich nicht so genaue Aussagen wie mit der Schnittzahl orientierter Mannigfaltigkeiten, ermöglicht aber dafür auch die Berechnung bei nicht-orientierbaren Mannigfaltigkeiten.
Anwendungsbeispiel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Als Anwendung wird gezeigt, dass das Möbiusband nicht orientierbar ist. bezeichne die Mittellinie des Möbiusbandes, welche diffeomorph ist zur Kreislinie . Die Selbstschnittzahl von ist 1. Wäre das Möbiusband orientierbar, dann müsste aber gelten. , also kann das Möbiusband nicht orientierbar sein.
Algebraische Topologie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Algebraische Topologie ermöglicht die Ausdehnung des Begriffes der Schnittzahl auf orientierte topologische Mannigfaltigkeiten, wo die Schnittzahlen mit Hilfe der singulären Homologie definiert werden.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- John W. Milnor: Topology from the differentiable viewpoint. Revised edition, 1st printing. Princeton University Press, Princeton NJ 1997, ISBN 0-691-04833-9.
- Victor Guillemin, Alan Pollack: Differential topology. Prentice-Hall, Englewood Cliffs NJ 1974, ISBN 0-13-212605-2.
- Ralph Stöcker, Heiner Zieschang: Algebraische Topologie. Eine Einführung. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. B. G. Teubner, Stuttgart 1994, ISBN 3-519-12226-X.