Schwa (Hebräisch)
Das hebräische Schwa (Heb. שְׁוָא ), manchmal auch Schewa geschrieben, dargestellt durch zwei übereinander stehende Punkte unter einem Konsonanten,[1] ist Teil des Niqquds im hebräischen Alphabetsystem. Im heutigen Hebräisch wird es entweder /e/ ausgesprochen, genauer: (nach dem Konsonanten, unter dem es steht), oder es wird gar nicht ausgesprochen. In der traditionellen hebräischen Sprachwissenschaft hingegen bezeichnet „Schwa“ einige grammatische Entitäten, die jeweils mit der heutigen Aussprache nicht mehr übereinstimmen (siehe Tabelle).
Aussprache des Schwa im modernen Hebräisch → |
Schwas, die den Vokal [e̞] bezeichnen |
Schwas, die die Abwesenheit eines Lautes bezeichnen (∅) | ||
Traditionelle Klassifizierung ↓ | ||||
Schwa quiescens* | קִמַּטְתְּ הִתְמוֹדַדְתְּ |
[ki'mate̞t] [hitmo̞'dade̞t] |
קִפַּלְתְּ הִתְמַתַּנְתְּ |
[ki'pal∅t] = [ki'palt] [hitma'tan∅t] = [hitma'tant] |
Schwa mobile | שָׁדְדוּ לְאַט |
[ʃade̞'du] [le̞'at] |
שָׂרְדוּ זְמַן |
[sar∅'du] = [sar'du] [z∅man] = [zman] |
* Alle Schwas in den Wörtern קִמַּטְתְּ und הִתְמוֹטַטְתְּ sind Schwas quiescentes; trotzdem wird das Schwa unter dem Buchstaben ט /e/ ausgesprochen |
Traditionelle Zuordnung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Traditionell werden Schwas in den meisten grammatischen Vorkommnissen entweder als „Schwa quiescens“ (Heb. „Schwa Nach“) oder als „Schwa mobile“ (Heb. „Schwa Na“) bezeichnet, in wenigen Fällen werden sie „schwebendes Schwa“ (Heb. „Schwa Merachef“) genannt, und in Bezug auf die tiberiensische Aussprache (von etwa 700 bis 1500 n. Chr.) werden manche Schwas als „Schwa Ga’ja“ zugeordnet.
Schwa mobile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schwa mobile (hebr. שוא נע Schwa Naʿ, dt. bewegtes Schwa) wird in der traditionellen hebräischen Sprachwissenschaft als Indikator für einen in der Grundform eines Wortes existierenden und durch Flexion kurz gewordenen Vokal betrachtet und wird entweder als das Phonem /ə/ oder /ĕ/ umschrieben (die Umschreibung /ə/ kann im Zusammenhang mit dem Neuhebräisch jedoch irreführen, da im Neuhebräischen der Vokal [ə] nicht existiert). Die Begriffe „mobile“ und „bewegt“ als Übersetzungen von hebr. naʿ sind üblich; treffender wäre wohl „vokalisch“, weil im Hebräischen das Wort תנועה tenuʿa (Bewegung) aus der gleichen Wurzel wie naʿ gleichzeitig „Vokal“ bedeutet.
Ein Schwa mobile wird als solches erkannt, wenn es den folgenden Kriterien entspricht:
- wenn es unter dem ersten von zwei identischen Buchstaben steht,
- wenn es unter dem ersten Buchstaben eines Wortes steht,
- wenn es das zweite von zwei Schwas ist, die unter zwei nebeneinander stehenden Buchstaben stehen, außer am Wortende,
- wenn es unter einem Buchstaben steht, vor dem ein „großer Vokal“ steht (Qamatz, Tzere, Chiriq Male, Cholam oder Schuruq),
- wenn es unter einem Buchstaben steht, der mit einem Dagesch Chasaq markiert ist (Geminationspunkt).
Ein Schwa mobile diktiert bestimmte grammatische Regeln, z. B.: Wenn nach einem Schwa mobile einer der Buchstaben ב ,ג ,ד ,כ ,פ ,ת steht, darf dieser Buchstabe nicht mit einem Dagesch Qal markiert werden.
Schwa quiescens
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schwa quiescens (hebr. שוא נח Schwa Nach, dt. ruhendes Schwa) bezeichnet in der traditionellen hebräischen Sprachwissenschaft den Silbenschluss unter Abwesenheit eines Vokals. Dieses Schwa wird nicht gesprochen. Außer in wenigen Ausnahmefällen wird jedes Schwa, das nicht den obengenannten Erkennungskriterien für das Schwa mobile entspricht, als Schwa quiescens klassifiziert. Ein Schwa quiescens diktiert bestimmte grammatische Regeln, z. B.: Wenn nach einem Schwa quiescens einer der Buchstaben ב ,ג ,ד ,כ ,פ ,ת steht, muss dieser Buchstabe mit einem Dagesch Qal markiert werden.
Schwebendes Schwa
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schwebendes Schwa (hebr. שוא מרחף Schwa Merachef) ist ein Schwa bei einem Konsonanten nach einem „kleinen Vokal“ – so dass es nach den obengenannten Erkennungskriterien ein Schwa quiescens wäre –, das aber nicht eine geschlossene Silbe abschließt. Das ist dann der Fall, wenn sich ein Präfix nicht mit dem nachfolgenden Konsonanten zu einer Silbe verbindet, und in einigen Fällen auch dann, wenn gegenüber der Grundform des Wortes durch Flexion ein Vokal durch das Schwa ersetzt wurde. Obwohl das schwebende Schwa wie das Schwa quiescens Lautlosigkeit repräsentiert, wird ein auf dieses Schwa folgender Begadkefat nicht mit einem Dagesch lene (siehe dort auch Regeln mit Beispielen) markiert.
Schwa Gaʿja
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schwa Gaʿja bezeichnet ein Schwa, das unter einem Buchstaben vorkommt, der mit dem Kantillationszeichen „Gaʿja“ (oder „Meteg“) markiert ist, und infolgedessen den Status eines „vollen Vokals“ hat, im Gegensatz zum Schwa mobile, das als „sehr kleiner Vokal“ gilt (Heb. „Tnuʿa Chatufa“), z. B.: Das Schwa im Wort בְּהוֹנוֹת „Zehen“ wäre normalerweise ein Schwa mobile und würde ein /ĕ/ repräsentieren; wenn aber, wie hier: , der Anfangsbuchstabe ב mit dem Kantillationszeichen „Gaʿja“ markiert wird, wird das Schwa zu einem Schwa Gaʿja und wird /o/ ausgesprochen.
Heutige Aussprache
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im heutigen Hebräisch wird das Schwa entweder als /e/ oder ∅ (gar nicht) ausgesprochen. Es wird nie als [ə] (das phonetische Schwa) ausgesprochen (der Vokal [ə] existiert im modernen Hebräisch nicht).
Ein Schwa wird in folgenden Fällen als /e/ ausgesprochen:[2]
- wenn es unter dem ersten von zwei Buchstaben steht, die den gleichen Konsonanten repräsentieren, z. B. שָׁכְחוּ „sie haben vergessen“, מוֹטַטְתְּ „du (f.) hast [etwas] zum Zusammenbrechen gebracht“
- wenn es unter dem ersten Buchstaben eines Wortes steht und der erste Buchstabe י /j/, ל /l/, מ /m/, נ /n/ oder ר /r/ ist, z. B. נְמָשִׁים „Sommersprossen“
- wenn es unter dem ersten Buchstaben eines Wortes steht und der zweite Buchstabe א /ʔ/, ה /h/ oder ע /ʕ/ oder /ʔ/ ist, z. B. בְּהִירוּת „Klarheit“
- wenn es unter dem ersten Buchstaben eines Wortes steht und dieser Buchstabe eines der folgenden Morpheme repräsentiert: ב /be/ = u. a. „in“, ו /ve/ = „und“, כ /ke/ = u. a. „wie“ oder „ungefähr“, ל /le/ = u. a. „zu“, Dativkonstruktion und Verbform im Infinitiv, ת /te/ als Zukunftsform-Indikator, z. B. בְּרֵיחָהּ „in ihrem Geruch“
- (in nicht standardmäßiger Aussprache) wenn es den obigen Fällen entsprechend unter dem ersten Buchstaben eines Wortes als /e/ ausgesprochen würde und eines der obengenannten Morpheme ב /be/, ו /ve/, כ /ke/ oder ל /le/ zum Wortanfang angehängt wird (d. h., in diesem Fall werden alle Schwas /e/ ausgesprochen), z. B. *לְאֲרָיוֹת וְלְנְמֵרִים יֵשׁ פַּרְוָה * „Löwen und Tiger haben ein Fell“, *וְכְּיְלָדִים שִׂחַקְנוּ בַּחוּץ * „und als Kinder spielten wir draußen“
- (meistens) wenn es unter einem nicht am Wortanfang stehenden Buchstaben steht und der Buchstabe direkt vor diesem Buchstaben ohne darauffolgenden Vokal ausgesprochen wird, z. B. נִשְׁפְּכוּ „ergossen sich“
- Ausnahmen:
- Das Schwa wird nie ausgesprochen, wenn es am Wortende steht: אָמַרְתְּ = „du (f.) sagtest“; „נֵרְדְּ“ = „Nardenöl“.
- Auch wenn das Schwa mitten im Wort steht, wird es manchmal nicht ausgesprochen, z. B. אַנְגְּלִית = „Englisch“, נַשְׁפְּרִיץ = „wir werden anspritzen“.
Notizen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Das gilt im heute verwendeten tiberiensischen System. Im palästinischen Niqqud-System, das Anfang des Mittelalters in Palästina verwendet wurde, war das Zeichen für ein Schwa Mobile ein „c“-ähnliches Zeichen über dem Konsonanten (hier mit dem Buchstaben ב: ), wobei es für ein Schwa quiescens kein Zeichen gab.
- ↑ Quelle: Characterization and Evaluation of Speech-Reading Support Systems for Hard-of-Hearing Students in the Class von Becky Schocken; Faculty of Management, Tel-Aviv University, Department of Management and Economics, The Open University of Israel