Ärztliche Weiterbildung in Deutschland

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Die ärztliche Weiterbildung beinhaltet das Erlernen spezieller ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nach abgeschlossenem Studium der Humanmedizin und nach Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Kennzeichnend für die Weiterbildung ist die praktische Anwendung ärztlicher Kenntnisse in der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung der Patientinnen und Patienten. Die grundsätzlichen Anforderungen die ärztliche Weiterbildung sind in den Heilberufsgesetzen der Bundesländer festgeschrieben. Die Konkretisierung der Weiterbildung, insbesondere Inhalte und Dauer, bestimmen die Ärztekammern in Weiterbildungsordnungen, wie etwa in Nordrhein-Westfalen.[1]

Die Weiterbildung erfolgt in strukturierter Form, um in medizinischen Fachgebieten die Qualifikation als Fachärztin/Facharzt, darauf aufbauend eine Spezialisierung in Schwerpunkten oder in einer Zusatz-Weiterbildung zu erhalten.

Die Weiterbildung wird in hauptberuflicher Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen Weiterbildungsstätten durchgeführt. Sie erfolgt unter Anleitung weiterbildungsbefugter Ärztinnen und Ärzte in praktischer Tätigkeit und theoretischer Unterweisung sowie teilweise durch die erfolgreiche Teilnahme an anerkannten theoretischen Weiterbildungskursen.

Der Abschluss der Weiterbildung wird auf Grund der von den Weiterbildungsbefugten erstellten Zeugnisse und einer Prüfung beurteilt. Der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung wird durch eine Anerkennungsurkunde bestätigt.[2][3]

Klar abzugrenzen von der Weiterbildung ist die ärztliche Fortbildung, die berufsrechtlich und sozialrechtliche festgelegte Pflicht aller Ärzte/Ärztinnen zur kontinuierlichen Fortbildung, um ihr Fachwissen auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft zu halten.

Weiterbildungsordnung

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Wie erwähnt, sind in Deutschland für alle Angelegenheiten ärztlicher Weiterbildung die Landesärztekammern als Körperschaften des Öffentlichen Rechts zuständig.

Jede Landesärztekammer erlässt auf Grundlage des Heilberufsgesetzes eine Weiterbildungsordnung, die für die Ärztinnen und Ärzte der jeweiligen Landesärztekammer rechtlich verbindlich ist. Inhaltliche Grundlage ist die von der Bundesärztekammer erarbeitete (Muster-)Weiterbildungsordnung, die für die Landesärztekammern nur empfehlenden Charakter hat.[2]

Muster-Weiterbildungsordnung

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Die aktuell gültige (Muster-)Weiterbildungsordnung[2] (seit 15. November 2018 in Kraft) schreibt mindestens einmal jährlich stattfindende Personalgespräche und das Führen eines Logbuchs vor. Damit soll ein bundeseinheitlicher Standard geschaffen werden, der nicht nur die Lehre verbessern, sondern es Ärzten in Weiterbildung auch erleichtern soll, von einem Bundesland ins andere zu wechseln. Die von der Bundesärztekammer herausgegebenen (Muster-)Logbücher sind inzwischen von einigen Fachgesellschaften noch weiter ausgearbeitet worden. Wichtig ist, dass die (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer für die einzelnen Ärztekammern nicht rechtlich bindend ist.

Art und Umfang der Ärztlichen Weiterbildung

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Nach der (Muster-)Weiterbildung von 2018 unterscheidet die ärztliche Weiterbildung folgende Qualifikationsarten:

Facharztweiterbildung

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In Deutschland besteht derzeit (Stand September 2024) die Möglichkeit, die Facharztweiterbildung in 34 unterschiedlichen Fachrichtungen zu absolvieren. Die Ärztekammer vergibt nach Prüfung der Weiterbildung bei befugten Ärzten/Ärztinnen in einem Fachgebiet den Titel eines Facharztes/einer Fachärztin. Beispiele dafür sind Facharzt/Fachärztin für Allgemeinmedizin, Facharzt für Neurologie, Facharzt/Fachärztin für Urologie oder Facharzt/Fachärztin für Anästhesiologie. Grundsätzlich können mehrere Facharzttitel erworben werden. In der Chirurgie und der Inneren Medizin ist dies häufiger der Fall.

Schwerpunktbezeichnung

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Ein Schwerpunkt gibt eine Spezialisierung innerhalb eines Fachgebietes an, Beispiel: Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Kinder-Kardiologie. „Schwerpunkt“ bedeutet nicht, dass der Facharzt seine Zeit hauptsächlich mit dieser Tätigkeit verbringt. Er kann auch in Nebentätigkeit im „Schwerpunkt“ tätig sein, wie es häufig beim Facharzt für Psychiatrie mit der Schwerpunktbezeichnung Forensische Psychiatrie der Fall ist.

Zusatzbezeichnung

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Zusatzbezeichnungen können in allen medizinischen Fachbereichen erworben werden. Bei den meisten Zusatzbezeichnungen wird eine abgeschlossene Facharztausbildung vorausgesetzt. In der Notfallmedizin, Akupunktur, Diabetologie ist keine Facharztausbildung zwingend gefordert. Die Zusatzbezeichnung ersetzt die vormalige Fachkunde und weitere ältere Weiterbildungsbezeichnungen. Die Zusatzbezeichnungen sind eine weitergehende Spezialisierung und in einigen Fachbereichen besonders wichtig und umfangreich. Dazu gehören die Spezielle Viszeralchirurgie, Handchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, Spezielle Schmerztherapie, Anästhesiologische und Internistische Intensivmedizin, Diabetologie, Neuropädiatrie, Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin, Neonatologie, Neuroradiologie oder Palliativmedizin.

Dauer der Weiterbildung

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In der Anatomie, Biochemie und Physiologie beträgt die Weiterbildungsdauer 48 Monate. In den meisten Fachbereichen dauert die Facharztausbildung 60 Monate. Dazu zählen Fachbereiche wie Anästhesiologie, Kinder- und Jugendmedizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Neurologie, Augenheilkunde, Psychiatrie und Psychotherapie, Radiologie oder Urologie. In den chirurgischen Fächern, wie beispielsweise Orthopädie und Unfallchirurgie oder Viszeralchirurgie, dauert die Facharztausbildung 72 Monate. Auch in den Subdisziplinen der Inneren Medizin wie der Kardiologie, Pneumologie oder der Hämatologie und Onkologie dauert die Facharztausbildung 72 Monate.

Arbeitgeberwechsel während der Facharztausbildung

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Es ist durchaus üblich, dass Ärzte und Ärztinnen in Weiterbildung während der Facharztausbildung den Arbeitgeber wechseln. Dies aus 2 Gründen: Einmal verfügen die Weiterbildungsbefugten nicht über die vollständige Befugnis und dürfen deshalb formal nicht die komplette Facharztausbildung anbieten. Zum anderen ist es fachlich aus Sicht der Weiterbildungsassistent/-innen durchaus sinnvoll, den Arbeitgeber zu wechseln, um weitere Erfahrungen zu sammeln und andere Leistungsschwerpunkte kennenzulernen.

Weiterbildungsermächtigung/Weiterbildungsbefugnis

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Die Begriffe Weiterbildungsermächtigung und Weiterbildungsbefugnis werden weitgehend synonym verwendet. Die Landesärztekammern bevorzugen den Begriff Weiterbildungsbefugnis. Krankenhäuser, Kliniken, Medizinische Versorgungseinrichtungen (MVZ) und Praxen sprechen eher von Weiterbildungsermächtigungen.

Die Weiterbildungsbefugnis ist eine von den Landesärztekammern erteilte personenbezogene Genehmigung zur Facharztausbildung. Ermächtigt sind diese Personen aber nur in Verbindung mit einer festgelegten organisatorischen Einheit (z. B. einer Klinik oder Abteilung), einem spezifizierten Leistungsangebot und entsprechender apparativer Ausstattung. Verlässt eine weiterbildungsbefugte Person die Institution, erlischt die Weiterbildungsbefugnis und muss bei Neubesetzung auch neu beantragt werden. Die Weiterbildungsermächtigungen müssen bei den zuständigen Landesärztekammern formal beantragt werden.

Bei einer gemeinsamen Befugnis oder Ermächtigung wird die Befugnis mehreren Personen erteilt. Die Befugten sind daher „gemeinsam“ für die Facharztausbildung zuständig. Die gemeinsame Befugnis ist in der Basisweiterbildung der Inneren Medizin und Chirurgie häufig.

Weiterbildungsstätten

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Die ärztliche Weiterbildung in allen medizinischen Fachbereichen findet schwerpunktmäßig in Krankenhäusern, Universitätskliniken, Fachkrankenhäusern und Fachkliniken statt. In der Nephrologie, Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin sind auch Medizinische Versorgungszentren (MVZ), Hausarztpraxen und Dienstleistungsunternehmen stärker eingebunden. In der Allgemeinmedizin findet die Weiterbildung zum/zur Hausarzt/-ärztin zunehmend im Verbund von mehreren Einrichtungen und Praxen statt. Ziel ist eine Verbesserung der hausärztlichen Versorgung und die Schließung von Versorgungslücken.

Weiterbildungssuche bei den Landesärztekammern

Die Landesärztekammern haben zur effektiveren Weiterbildungssuche in ihren Zuständigkeitsbereichen filterbare Datenbanken eingerichtet. Hier können angehende Ärzte/Ärztinnen gezielt nach Weiterbildungsbefugten suchen. Allerdings ist die Suche nur im jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Landesärztekammer möglich. Wer sich bundesweit orientiert, muss daher die Websites aller Landesärztekammern aufsuchen. Die Befugnisse sind nicht deutschlandweit in einem einheitlichen Register zusammengefasst.

Kursweiterbildung

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Sofern die Weiterbildungsordnung die Ableistung von Lehrveranstaltungen (sogenannten Weiterbildungs-Kursen) vorschreibt, ist eine vorherige Anerkennung des jeweiligen Kurses und dessen Leiters durch die für den Ort der Veranstaltung zuständige Ärztekammer erforderlich. Der Leiter muss fachlich und persönlich geeignet sein. Diese Kurse müssen den von der Ärztekammer vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Für eine Kursanerkennung sind die bundeseinheitlichen Empfehlungen zu beachten, die in Form der Kursbücher der Bundesärztekammer existieren.[2]

Einzelnachweise

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  1. SGV § 36 (Fn 7)(Fn 25) Inhalt und Dauer der Weiterbildung, Weiterbildungsordnungen, Nordrhein-Westfalen. Abgerufen am 16. September 2024.
  2. a b c d (Muster-)Weiterbildungsordnung vom 15.11.2018, zuletzt aktualisiert am 14.o6.2024. Bundesärztekammer, 14. Juni 2024, abgerufen am 15. September 2024.
  3. Weiterbildungsordnung, 2021 Ärztekammer Berlin. Abgerufen am 15. September 2024.