Umgebindehaus

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Ehemalige Mühle in Schirgiswalde

Das Umgebindehaus ist ein besonderer Haustyp, der Blockbau-, Fachwerk- und Massivbauweise miteinander verbindet. Das heutige Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Niederschlesien über die Oberlausitz und Nordböhmen bis ins Elbsandsteingebirge. Weitere Vorkommen der Bauweise finden sich in der Niederlausitz, dem Erzgebirge, im Vogtland, in Nordwest- und Südwestsachsen, im nordöstlichen Bayern sowie in Ostthüringen.[1]

Umgebindehaus in Jetřichovice (dt.: Dittersbach), Böhmische Schweiz, Tschechien
Modell

Das Umgebindehaus zeichnet sich durch die bauliche Trennung von Stubenkörper und Dach bzw. Stubenkörper und Obergeschoss aus. Das Hauptkennzeichen des Normaltyps ist „ein hölzernes Stützensystem, welches auf zwei oder drei Seiten um eine Block- oder Bohlenstube des Hauses herumgeführt wird mit der Aufgabe, den Stubenkörper von der Last des Daches (bei einstöckigen Häusern) bzw. des Daches und Oberstockes (bei zweistöckigen Häusern) zu befreien“.[2] Das Obergeschoss des Hauses ruht mit dem Dach auf einem hölzernen Stützgerüst aus Holzständern (den Umgebindejochen), das sich im Außenbau als typische Rundbögen zeigt. Das Erdgeschoss steckt eigenständig darin bzw. darunter. Die Erdgeschossfenster in der Bohlenwand unter den Rundbögen gehören zu diesem Teil, der Blockstube. Das Haus wurde regelrecht umbunden. Seine beiden Bauteile, die Blockstube und das Obergeschoss auf den Umgebindejochen, bleiben statisch selbständig.

Umgebindehäuser sind quererschlossene Ernhäuser. Der Hausflur verläuft quer durch das Haus und trennt das Erdgeschoss in Wohn- und Wirtschaftsbereich. Die Blockstube (Wohnbereich) befindet sich meist an der östlichen oder südlichen Giebelseite, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen. Der Wirtschaftsbereich in Massivbauweise (meist aus Feldsteinmauerwerk) befindet sich der Blockstube gegenüber. Hier sind Stall-, Speicher- und Gewölberäume untergebracht. Gebäude, bei denen man statt des Massivteils eine zweite Blockstube einbaute, bezeichnet man als Doppelstubenhäuser.

Über der Blockstube ruhen Obergeschoss oder Dach auf Holzsäulen, die im Dreiecksverbund mittels Knagge oder Kopfband stabilisiert sind. Die Stube liegt unabhängig von den tragenden Elementen unter dieser Konstruktion und kann frei arbeiten. Das Baugefüge ist in der Regel in Stockwerkbauweise (auch Rähmbau genannt) oder in Ständerbauweise ausgeführt. Die Ständer- oder Geschossbauweise ist die ältere und statisch weniger stabile. Den Unterschied erkennt man daran, dass die Stützen vom Fundament bis hinauf zum Dach reichen (Ständerbau).

Vor allem in Nordböhmen ist ein Baugefüge verbreitet, bei dem auch die Oberstockwandbereiche in Blockbauweise errichtet sind.

Entstehung der Bauweise

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Phasen der deutschen Ostsiedlung nach Walter Kuhn

Die Blockstube hatte sich bei der slawischen Bevölkerung (siehe auch Schrotholzhäuser) in den regionalen Klimaten bewährt. Die deutschen Siedler, hauptsächlich aus Franken und Thüringen, die im 13. Jahrhundert hier ansässig wurden, brachten das bereits den Germanen bekannte Fachwerk als holzsparende, stabile Bauweise mit: sie ermöglichte auch, mehrstöckige Gebäude zu errichten. Eine Vereinigung der beiden Konstruktionsweisen war aber schwierig, da der Längenverlust von Holz mit dem Faserverlauf deutlich geringer ist. Daher entwickelten die Dorfhandwerker über Jahrhunderte das Umgebinde als eigene Volksbauweise. Ende des 18. Jahrhunderts entstand der typische Umgebindebogen, der den Häusern ihren Namen gibt. Hierdurch wurden Funktionalität und Haltbarkeit mit Schönheit verbunden.

Umgebinde und Weberei

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Im Volksmund ist als Erklärung dieser Bauweise überliefert, dass der Webstuhl auf ein separates Fundament zu stellen sei, damit die übrigen Bewohner nicht so sehr unter den dauernden Erschütterungen litten, denn die innere Hauskiste steht in keiner baulichen Verbindung mit dem Obergeschoss. Holzstuben seien auch für die Weberei von Vorteil, da sie im Vergleich mit Fachwerkstuben ein gleichmäßigeres Klima gewährleisten und dadurch eine gleichbleibende Qualität der Webwaren erreicht werde. Tatsächlich lebten die meisten Ortschaften in Niederschlesien, der Oberlausitz und Nordböhmen von der häuslichen Weberei. Der Umgebindeforscher Frank Delitz hält diese Überlieferung dennoch für einen „anscheinend unausrottbaren Irrglauben“.[3] Hier seien vermutlich Beobachtungen im Zusammenhang mit industriellen Webstühlen auf Handwebstühle übertragen worden.

Ein interessantes Element vieler Umgebindehäuser ist der aus Granit oder Sandstein gefertigte Türstock, meist mit der Jahreszahl der Erbauung des Gebäudes. Wurden sie kunstvoll verziert, repräsentierten sie zudem oft den gesellschaftlichen Stand des Besitzers. Typisch sind außerdem Holzverschläge (Oberlausitzer Verschlag) und Verschieferungen. Vereinzelt sind Sonnen (strahlenförmige Holzverschläge am Giebel), Blitzschlangen (schlangenförmig gestaltete Bretter bzw. Schiefermuster am Giebel, gehen auf eine heidnische Wassergottheit zurück) und Sonnenuhren anzutreffen.

Heutige Situation

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Heute gibt es vielfältige Bestrebungen, die einmalig historisch gewachsene Hauslandschaft der Umgebindehäuser der südlichen Oberlausitz und der angrenzenden schlesischen und nordböhmischen Gebiete zu erforschen und zu erhalten. Schätzungen gehen von rund 19.000 erhaltenen Häusern im „Umgebindeland“ aus.[4][5] Allein in der Oberlausitz finden sich noch über 6.000 Umgebindehäuser.[6][7] Zwischen Bautzen, Görlitz und Zittau findet man eine der wenigen noch erhaltenen geschlossenen Hauslandschaften Deutschlands. Der Sächsische Verein für Volksbauweise e. V. berät Eigentümer bei Sanierungsfragen. Der Denkmalschützer Karl Bernert hat für die Erhaltung vieler Umgebindehäuser gesorgt und dazu publiziert.

„Schunkelhaus“ in Obercunnersdorf

Jedoch sind nicht alle Umgebindehäuser heute noch als solche zu erkennen. Denn mehrere Modernisierungswellen, „am schlimmsten wohl die jüngste mit dem bestechenden Angebot an Fertigprodukten aus dem Baumarkt, zerstörten in der Oberlausitz hunderte von Häusern und die bis dahin intakten Ortsbilder“.[8] Sanierer oder wohlmeinende Eigentümer ersetzen oft die historischen weiß gestrichenen Holzkastenfenster durch Kunststofffenster, obwohl das Luftpaket der Holzkastenfenster viel dicker und damit besser isolierend ist als Kunststofffenster, die überdies nur eine Haltbarkeit von 20 Jahren haben, während die Holzkästen weit über 100 Jahre halten können, wenn die Rahmen regelmäßig gestrichen werden. Auch ist Holz das beste, weil atmende Isoliermaterial, während eine Beklebung mit Schaumstoffen und künstlichen Klinkern oft zu Feuchtigkeitsschäden durch Überisolierung führt, von ästhetischen Aspekten abgesehen. Eine besondere, ebenso einfache wie raffinierte Kastenfensterkonstruktion, die es nur bei den Umgebindehäusern gibt, sind die „Ritschelfenster“, bei denen man einen beweglichen Teil des Fensters vor den feststehenden schieben kann. Auch sie fallen oft der „Modernisierung“ zum Opfer.

Bekannte Umgebindehäuser sind das Reiterhaus in Neusalza-Spremberg, ein Zweiflügelhaus in abwechslungsreicher Bauweise, mit Bohlenstuben im Unter- und Obergeschoss, und das sogenannte „Schunkelhaus“ in Obercunnersdorf, das durch seine Hanglage und den Fassadenschmuck auffällt.[9]

  • Literatur über Umgebindehaus im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Agnieszka Gaczkowska: Traditional Upper Lusatian Umgebinde House: Modern Reinterpretation. 2012. (englisch, PDF-Datei, 7 MB).
  • Natalie Belisová; Zdeněk Patzelt; Václav Sojka: Volkstümliche Denkmäler der Böhmischen Schweiz. Obecně Prospěšná Společnost České Švýcarsko, Krásná Lípa 2011. Deutschsprachige Ausgabe, ISBN 978-80-87248-12-6.
  • Dokumentation über Umgebindehäuser, hrsg. vom Sächsischen Verein für Volksbauweise, dem Polnischen Verein der Freunde des Bogatyniaer Landes, Hainewalder Kulturverein, März 2010 (in Deutsch (umgebindeland.de (PDF; 4,8 MB), abgerufen am 14. August 2012), Polnisch und Norwegisch)
    • Peter Palm: Annahmen zum baugeschichtlichen Werdegang der ländlichen Oberlausitzer Volksbauweise.
    • Karl Bernert: Umgebindehäuser. (Auszug von 1988)
    • Heinz Rentsch: Die Aufgaben des Malers und Restaurators bei der Erhaltung der Umgebinde- und Blockbauweise im Dreiländereck.
    • Elżbieta Rdzawska: Die Umgebindebauweise als Gegenstand kultureller Gemeinsamkeit dreier Völker.
  • Manfred Hammer: Bauernhäuser, Bauernhöfe, Dörfer. Historisch wertvolle Gebäude und Dorfanlagen im Kreis Löbau-Zittau. Verein Ländliche Bauwerte in Sachsen e. V., Dresden 2009.
  • Arnd Matthes, René Pech: Kleines Lexikon vom Umgebindehaus. 2. Auflage. Lusatia Verlag, Bautzen 2009, ISBN 978-3-936758-42-9.
  • Sächsischer Verein für Volksbauweise (Hrsg.): Umgebinde. Eine einzigartige Bauweise im Dreiländereck Deutschland – Polen – Tschechien. Redaktion Jürgen Cieslak, Christine Goldberg-Holz, J. Gosteli, Kerstin Richter, A. Schulz und Christian Schurig. Verlag Langewiesche, Königstein i. Ts. 2007 (= Die Blauen Bücher), ISBN 978-3-7845-5210-1.
  • Karl Bernert (Hrsg.): Bildwörterbuch der Oberlausitzer Umgebindebauweise. und der angrenzenden tschechischen und polnischen Gebiete. Sächsischer Verein für Volksbauweise e. V., 1995 (deutsch, tschechisch, polnisch, obersorbisch).
  • Karl Bernert: Umgebindehäuser. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1988, ISBN 3-345-00001-6.
  • Frank Delitz: Umgebinde im Überblick. Zu Fragen der Geschichte, Verbreitung und landschaftlichen Ausprägung einer Volksbauweise. Graphische Werkstätten Zittau GmbH, Zittau 1987, DNB 941207439 (mit Aufnahmen von Jürgen Cieslak, L. Lobeck und Frank Delitz; Karten von Frank Delitz; Zeichnungen von Irmgard Cieslak).
  • Karl Bernert, Jürgen Cieslak: Arbeitsmaterial zur Erhaltung und sachgemäßen Pflege der Umgebindebauweise in der Oberlausitz. Hrsg.: Bezirksvorstand Dresden der Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR, Institut für Denkmalpflege (= Wir wohnen in einem Umgebindehaus. Teil I). Zittau 1982, DNB 209120460 (Digitaler Reprint [PDF; 4,0 MB; abgerufen am 28. Januar 2015]).
  • Frank Delitz, Jürgen Cieslak: Südlausitzer Umgebindehäuser. Hrsg.: Rat des Kreises Zittau, Abteilung Kultur; Gesellschaft für Denkmalpflege im Kulturbund der DDR, Bezirksleitung Dresden (= Wir wohnen in einem Umgebindehaus. Teil II). Zittau, DNB 960029141 (umgebindeland.de [PDF; 6,5 MB; abgerufen am 28. Januar 2015] Digitaler Reprint Druck vermutlich 1984).
  • Karl Bedal: Das Umgebindehaus im nordöstlichen Bayern. Sonderdruck aus: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 48. Band, 1968.
  • Obercunnersdorf – Große Liebe Umgebindehaus. Dokumentarfilm, Deutschland, 2017, 29:25 Min., Buch und Regie: Anne Mehler, Produktion: MDR, Reihe: Der Osten – Entdecke wo du lebst, Erstsendung: 16. Januar 2016 bei MDR, Inhaltsangabe von MDR, online-Video aufrufbar bis zum 16. Januar 2019.
Commons: Umgebinde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Umgebindehaus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Frank Delitz: Umgebinde im Überblick. Zu Fragen der Geschichte, Verbreitung und landschaftlichen Ausprägung einer Volksbauweise. Graphische Werkstätten Zittau GmbH, Zittau 1987 (mit Aufnahmen von Jürgen Cieslak, L. Lobeck und Frank Delitz, Karten von Frank Delitz, Zeichnungen von Irmgard Cieslak).
  2. Delitz: Umgebinde im Überblick. 1987, S. 12.
  3. Delitz: Umgebinde im Überblick. 1987, S. 19.
  4. Die Oberlausitz entdecken. Urlaub im Umgebindehaus. In: oberlausitz.com. Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH, abgerufen am 21. November 2011.
  5. Entstehung und Verbreitung. In: umgebindeland.de. Landkreis Görlitz, abgerufen am 21. November 2011.
  6. Vorwort von Karl Bernert im Bildwörterbuch der Oberlausitzer Umgebindebauweise. S. 5.
  7. Heutiger Bestand. In: umgebindeland.de. Landkreis Görlitz, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. Februar 2014; abgerufen am 21. November 2011.
  8. Barock in der Kiste, Umgebindehäuser in der Oberlausitz, in: Barock in Sachsen, Monumente Edition, Seite 134–137, herausgegeben von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz
  9. Schunkelhaus Obercunnersdorf. Touristische Gebietsgemeinschaft Naturpark Zittauer Gebirge/Oberlausitz e. V., archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 5. Januar 2016; abgerufen am 21. November 2011: „Original erhaltenes Umgebindehaus von 1740 mit Oberlausitzer Blockstube, die Seiten des Hauses stehen schief zueinander.“