Unabhängigkeitsbestrebungen in Deutschland

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Seit der Errichtung des deutschen Nationalstaates 1871 gibt es Unabhängigkeitsbestrebungen in Deutschland, die auf die (Wieder-)Erlangung der staatlichen Souveränität eines Landes oder einer Region gerichtet sind.

Unabhängigkeitsbestrebungen ab 1945

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Mit der Unabhängigkeitserklärung von 1945 wurde der 1938 erfolgte Anschluss Österreichs an Deutschland für „null und nichtig“ erklärt und damit ein selbständiger Staat Österreich wiederhergestellt. In der Folgezeit fand auch ein Wandel der österreichischen Identität statt. Empfanden sich die meisten Österreicher bis zum Zweiten Weltkrieg – und wenige Jahre danach immerhin noch fast die Hälfte – als Teil des deutschen Volkes, waren 2008 mehr als 80 Prozent der Österreicher von der Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation überzeugt.[1] Deutschnationale Vorstellungen spielen heute in Österreich politisch und gesellschaftlich keine Rolle mehr.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen im Saarland Bestrebungen für eine Abtrennung von Deutschland auf, die seitens der französischen Besatzungsmacht gefördert wurden. Zwischen 1947 und 1956 existierte ein von Deutschland unabhängiger saarländischer Staat unter französischer Schutzherrschaft.

Ein Abkommen zwischen Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland sah eine „Europäisierung“ vor (Saarstatut). Dabei sollte ein autonomer Saarstaat unter den Schutz der Westeuropäischen Union gestellt und gemeinsame europäische Institutionen im Saarland angesiedelt werden. Bei der Volksabstimmung 1955 stimmte ein Drittel für den Vorschlag und zwei Drittel dagegen, was von deutscher wie von französischer Seite als mehrheitlicher Wunsch der Wiederangliederung an Deutschland interpretiert wurde.

Am stärksten ausgeprägt sind Unabhängigkeitsbestrebungen heute in Bayern.

Die 1946 gegründete Bayernpartei setzt sich für den Austritt Bayerns aus der Bundesrepublik Deutschland ein und war in den 1950ern einige Jahre an der bayerischen Regierung beteiligt. Nach einer mehrere Jahrzehnte andauernden Schwächephase verzeichnet die Bayernpartei in den letzten Jahren wieder Zulauf an Mitgliedern und steigende Wahlergebnisse. Bei der Landtagswahl 2013 erzielte sie mit 2,1 Prozent ihr bestes Ergebnis seit 1966.

2009 antworteten laut „Generationenstudie“ der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung auf die Frage, ob Bayern ein eigenständiger Staat sein sollte, 23 Prozent mit „ja“ und 16 Prozent mit „teils/teils“.[2] 2017 betrug der Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter in Bayern laut YouGov-Umfrage 32 Prozent („stimme zu“: 18 Prozent; „stimme eher zu“: 14 Prozent).[3]

Eine Verfassungsbeschwerde eines Bürgers über die Durchführung eines bayerischen Unabhängigkeitsreferendums wurde 2016 nicht zur Entscheidung angenommen. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Länder nicht als „Herren des Grundgesetzes“. Für Sezessionsbestrebungen einzelner Länder sei daher kein Raum.[4][5]

In Sachsen kam seit Mitte der 2010er Jahre im Zuge der Flüchtlingskrise in Deutschland 2015/2016 und der Protestveranstaltungen im rechten und rechtsextremen politischen Spektrum der Ruf nach dem „Säxit“ (in Anlehnung an → Brexit), dem Austritt des Freistaates Sachsen aus der Bundesrepublik Deutschland, auf. Erstmals kundgetan wurde dies auf den Pegida-Demonstrationen in Dresden durch eine damalige Führungspersönlichkeit jener Bewegung, Tatjana Festerling.[6] Später wurde dieses Thema von der rechtsextremen Kleinpartei Freie Sachsen aufgegriffen und Wahlkampfthema.[7][8] Im November 2024 wurde die mutmaßlich terroristische Vereinigung mit rechtsextremer Ausrichtung Sächsische Separatisten zerschlagen. Ziel der Organisation war die gewaltsame Eroberung von Gebieten in Sachsen und die „… Errichtung eines am Nationalsozialismus orientierten Gemeinwesens.“[9]

Anteil der Unabhängigkeitsbefürworter in den deutschen Ländern

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Laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage mit 2067 Teilnehmern aus dem Jahr 2017 stimmen zwischen 8 und 32 Prozent der Bürger der Aussage eher zu, dass ihr jeweiliges Bundesland unabhängig von Deutschland sein sollte:[10][3]

Rang Land eher Zustimmung Rang Land eher Zustimmung
1. Bayern Bayern 32 % 9. Bremen Bremen 15 %
2. Saarland Saarland 22 % 10. Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen 14 %
3. Thüringen Thüringen 22 % 11. Hamburg Hamburg 13 %
4. Sachsen Sachsen 21 % 12. Berlin Berlin 13 %
5. Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern 21 % 13. Hessen Hessen 10 %
6. Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt 20 % 14. Niedersachsen Niedersachsen 8 %
7. Baden-Württemberg Baden-Württemberg 19 % 15. Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein 8 %
8. Brandenburg Brandenburg 19 % 16. Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz 8 %

Einzelnachweise

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  1. Österreicher fühlen sich heute als Nation - Februar 1934 - derStandard.at › Wissenschaft. Abgerufen am 19. August 2017.
  2. Generationenstudie 2009. Heimatgefühl und Leben in Bayern. Generationenspezifische und regionale Unterschiede von Einstellungen zu Politik und Heimat. (PDF) Hanns-Seidel-Stiftung, archiviert vom Original am 4. März 2016; abgerufen am 26. August 2017.
  3. a b Bundesländervergleich: Jeder dritte Bayer für Unabhängigkeit von Deutschland. Abgerufen am 19. August 2017.
  4. BVerfG, Beschluss vom 16. Dezember 2016 - 2 BvR 349/16.
  5. Patrick Bahners: Hiergeblieben! Bayern bleibt deutsch FAZ, 4. Januar 2017.
  6. Pegida-Frau droht mit "Säxit". In: Der Spiegel (spiegel.de). Der Spiegel GmbH & Co. KG, Hamburg, 14. Oktober 2015, abgerufen am 11. November 2024.
  7. Tom Thieme: FREIE SACHSEN – Landtagswahl Sachsen 2024. In: bpb.de. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, 31. Juli 2024, abgerufen am 11. November 2024.
  8. Leonie Feuerbach: (F+) FREIE SACHSEN: Für den Säxit, gegen die Demokratie. In: Frankfurter Allgemeine (faz.net). Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankurt am Main, 31. Juli 2024, abgerufen am 11. November 2024.
  9. „Sächsische Separatisten“: Razzia gegen mutmaßliche Rechtsterroristen. In: tagesschau.de. Norddeutscher Rundfunk, AöR, Hamburg, 5. November 2024, abgerufen am 5. November 2024.
  10. Miriam Sahli-Fülbeck: Bayxit? Jeder dritte Bayer will raus aus Deutschland, zeigt Umfrage: Politik. Abgerufen am 26. August 2017.