Unstetigkeitsstelle
In der Analysis, einem Teilgebiet der Mathematik, wird eine Funktion innerhalb ihres Definitionsbereichs überall dort als unstetig bezeichnet, wo sie nicht stetig ist. Eine Stelle, an der eine Funktion unstetig ist, bezeichnet man daher auch als Unstetigkeitsstelle oder Unstetigkeit.
Im Artikel Stetige Funktion wird erklärt, wann eine Funktion stetig ist und wann sie unstetig ist. In diesem Artikel werden verschiedene Sorten (Klassen) von Unstetigkeiten dargestellt. Dabei werden nur reellwertige Funktionen auf einem reellen Intervall betrachtet.
Definition
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie erwähnt, heißt eine auf dem reellen Intervall definierte Funktion unstetig an der Stelle , falls sie dort nicht stetig ist. Man spricht auch von einer auf einer Menge unstetigen Funktion, wenn die Funktion an jeder Stelle unstetig ist.
Klassifizierungen von Unstetigkeitsstellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Es werden verschiedene „Sorten“ von Unstetigkeitsstellen unterschieden. Dazu werden die einseitigen Grenzwerte betrachtet:
Für ein reelles Intervall und betrachte man an der Stelle den linksseitigen Grenzwert
und den rechtsseitigen Grenzwert
Nun ist genau dann stetig in , falls beide Grenzwerte existieren und gleich dem Funktionswert an der Stelle sind: . Andernfalls ist an der Stelle unstetig. Folgende Fälle sind dabei möglich:
- Eine Unstetigkeitsstelle heißt hebbar, falls die Grenzwerte und existieren, endlich sind und gleich sind. Solch eine Unstetigkeit lässt sich entfernen, genauer: Die Funktion
ist an der Stelle stetig. - Falls beide Grenzwerte existieren und endlich, aber ungleich sind, spricht man von einer Sprungstelle und definiert den Sprung . Für hebbare Unstetigkeiten lässt sich der Sprung natürlich auch definieren, er ist dann . (Für den Sprung an der Stelle wird auch die Schreibweise der Sprungklammer verwendet: ) Existieren auf dem gesamten Definitionsbereich einer Funktion alle einseitigen Grenzwerte und sind diese endlich, heißt die Funktion sprungstetig oder Regelfunktion.
- Einen Pol (oder Polstelle) nennt man eine Unstetigkeit, an der und existieren, jedoch einer oder beide Grenzwerte nur im uneigentlichen Sinne, d. h., sie nehmen die Werte oder an (siehe auch Polstelle).
- Schließlich gibt es noch die Möglichkeit, dass wenigstens einer der Grenzwerte weder eigentlich noch uneigentlich existiert.
Die Fälle 1. und 2. werden auch als Unstetigkeitsstellen erster Art bezeichnet; Die Fälle 3. und 4. entsprechend als Unstetigkeiten zweiter Art, oder manchmal auch als wesentliche Unstetigkeiten.
Darstellung von Unstetigkeitsstellen in Funktionsgraphen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Existieren für die Unstetigkeitsstelle ein links- und/oder rechtsseitiger Grenzwert, werden diese im Graphen der Funktion als kleine Kreise dargestellt, die, falls der betreffende Grenzwert gleichzeitig Funktionswert an der betreffenden Stelle ist, ausgefüllt werden, andernfalls dagegen leer bleiben (oder in vereinfachten Darstellungen mitunter auch gänzlich weggelassen werden).
Beispiele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Beispiel 1: Die Funktion
hat an der Stelle eine hebbare Unstetigkeit.
Beispiel 2: Die Funktion
hat an der Stelle eine Sprungstelle mit einem Sprung von 1.
Beispiel 3: Die Funktion
hat an der Stelle eine Unstetigkeit zweiter Art. Der linksseitige Grenzwert existiert nicht (weder eigentlich noch uneigentlich), der rechtsseitige Grenzwert ist .
Beispiel 4: Die Thomaesche Funktion ist auf den rationalen Zahlen unstetig und auf den irrationalen Zahlen stetig. Die Dirichlet-Funktion ist auf ihrem gesamten Definitionsbereich unstetig.
Unstetigkeiten monotoner Funktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ist die Funktion auf dem reellen Intervall monoton, so existieren für alle die einseitigen Grenzwerte und .[1] Daher haben solche monotonen Funktionen keine Unstetigkeitsstellen zweiter Art. Die Menge der Unstetigkeitsstellen erster Art von solchen monotonen Funktionen ist höchstens abzählbar,[2][3][4] kann aber durchaus dicht im Definitionsbereich liegen.[5]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Walter Rudin: Analysis. 4. Auflage. Oldenbourg Verlag, München 2009, ISBN 978-3-486-58730-2, 4. Stetigkeit: Unstetigkeitsstellen, S. 109–110 (englisch: Principles of mathematical analysis. Übersetzt von Martin Lorenz und Christian Euler).
- Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Teil 1. 17. Auflage. Vieweg und Teubner, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8348-0777-9, 39. Einseitige Grenzwerte, S. 239.
- Kurt Endl und Wolfgang Luh: Analysis I. Eine integrierte Darstellung. 9. Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989, ISBN 3-89104-498-4, 2.12 Grenzwerte von Funktionen, S. 126.
- Ilja N. Bronstein et al.: Taschenbuch der Mathematik. 7. Auflage. Verlag Harri Deutsch, Frankfurt a.M. 2008, ISBN 978-3-8171-2017-8, 2.1.5.2 Definition der Stetigkeit und 2.1.5.3 Häufig auftretende Arten von Unstetigkeiten, S. 59.
- Hans-Jochen Bartsch: Taschenbuch Mathematischer Formeln. 20. Auflage. Fachbuchverlag Leipzig, München 2004, ISBN 3-446-22891-8, 7.4.3 Stetigkeit einer Funktion, S. 371.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Walter Rudin: Analysis. 4. Auflage. Satz 4.29, S. 109.
- ↑ Walter Rudin: Analysis. 4. Auflage. Satz 4.30, S. 110.
- ↑ Kurt Endl und Wolfgang Luh: Analysis I. Eine integrierte Darstellung. 9. Auflage. Satz 2.13.2.
- ↑ Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis. Teil 1. 17. Auflage. Satz 39.5, S. 239.
- ↑ Walter Rudin: Analysis. 4. Auflage. Bemerkung 4.31, S. 110 (Es lässt sich sogar zu jeder abzählbaren Teilmenge E aus dem Definitionsbereich, ob dicht oder nicht, eine monotone Funktion konstruieren, die unstetig auf E und sonst stetig ist.).