Urbach-Wiethe-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10 | |
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E78.8 | Sonstige Störungen des Lipoproteinstoffwechsels |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Das Urbach-Wiethe-Syndrom (auch Lipoidproteinose oder Hyalinosis cutis et mucosae) ist eine sehr seltene (autosomal-rezessiv) vererbte Erkrankung. Sie geht mit Hautveränderungen, Schleimhautveränderungen (Heiserkeit) und Verkalkungen der Amygdala (eines Teils des Limbischen Systems) einher. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist normalerweise nicht verkürzt.
Symptome und Beschwerden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Ausfall der Strukturen der Amygdala führt zu Einschränkungen des Gefühlslebens und Sozialverhaltens[1] sowie zu Gedächtnisstörungen.[2] Die Betroffenen haben insbesondere Schwierigkeiten, sich die emotionale Bedeutung von Gesichtsausdrücken zu erschließen.[3]
Auch zeigen sich perlenartige Pusteln am Augenlid, an Handflächen und dem Ellenbogen. Oft geht das Urbach-Wiethe Syndrom mit einer angeborenen Heiserkeit einher.
Ursachen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Krankheit ist genetisch bedingt. Sie tritt häufig familiär auf und geht nicht selten mit Veränderungen auf dem langen Arm des Chromosoms 1 (1q21) einher, nämlich Mutationen des extracellular matrix protein 1 Gens (ECM1).[4]
Von den weltweit über 300 Betroffenen[5] lebt ein Großteil in Südafrika. Das Allel, verantwortlich für das Auftreten der Mutation in diesem Gebiet konnte auf einen deutschen Einwanderer in der Mitte des 17. Jahrhunderts zurückgeführt werden.[6]
Die Genveränderung schädigt eine Teilregion der Amygdala, die basolaterale Amygdala. Eine solche spezifische Gehirnschädigung ist einzigartig in der Hirnforschung.[7]
Folgen und Komplikationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die mangelhafte Integration emotionaler Signale stört soziale Interaktionen und erschwert Gespräche und das Sozialverhalten, insbesondere die Vertrauens- und Misstrauensbildung. Die Folge können Ausgrenzung, soziale Diskriminierung, Rückzug in die Privatsphäre, Versagen in Schule und Beruf, Schwierigkeiten in der Partnerschaft, Isolation und Einsamkeit sein.
Abgrenzung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Urbach-Wiethe-Syndrom kann möglicherweise als mangelnde Sozialkompetenz, Unwille, Tölpelhaftigkeit oder Böswilligkeit missverstanden werden. Es ist leicht mit Autismus, Gefühlsblindheit (Alexithymie) oder geistiger Behinderung zu verwechseln.
Behandlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine kausale Therapie, die über eine symptomatische Behandlung hinausgeht, ist nicht bekannt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Krankheit wurde erstmals 1929 von den beiden gleichnamigen österreichisch-US-amerikanischen bzw. österreichischen Ärzten, dem Dermatologen Erich Urbach (1893–1946) und dem HNO-Arzt Camillo Wiethe (1889–1949) beschrieben.[8]
Seitdem sind ungefähr 400 Fälle weltweit bekannt.[6]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ R. A. Emsley, L. Paster: Lipoid proteinosis presenting with neuropsychiatric manifestations. In: J Neurol Neurosurg Psychiatry. 48, 1985, S. 1290–1292. PMID 4087005.
- ↑ H. J. Markowitsch u. a.: The amygdala’s contribution to memory-a study on two patients with Urbach-Wiethe disease. In: Neuroreport. 5, 1994, S. 1349–1352. PMID 7919196.
- ↑ M. Siebert u. a.: Amygdala, affect and cognition: evidence from 10 patients with Urbach-Wiethe disease. In: Brain. 126, 2003, S. 2627–2637. PMID 12937075.
- ↑ T. Hamada u. a.: Lipoid proteinosis maps to 1q21 and is caused by mutations in the extracellular matrix protein 1 gene (ECM1). In: Hum Mol Genet. 11, 2002, S. 833–840. PMID 11929856.
- ↑ Takahiro Hamada, John A. McGrath: Lipoid Proteinosis. In: Encyclopedia of Molecular Mechanisms of Disease. Springer, Berlin, Heidelberg 2009, ISBN 978-3-540-29676-8, S. 1188–1190, doi:10.1007/978-3-540-29676-8_823 (springer.com [abgerufen am 12. Februar 2023]).
- ↑ a b JOHN A. McGRATH: Lipoid proteinosis. Hrsg.: M.P. Islam and E.S. Roach. 132. Auflage. Elsevier B.V, S. Chapter 23.
- ↑ Lisa A. Rosenberger, Jack van Honk et al. (2019). The human basolateral amygdala is indispensable for social experiential learning. Current Biology. DOI:10.1016/j.cub.2019.08.078
- ↑ E. Urbach, C. Wiethe: Lipoidosis cutis et mucosae. In: Virchows Arch path Anat physiol klin Med. 273, 1929, S. 285–319.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eintrag zu Lipoidproteinose. In: Orphanet (Datenbank für seltene Krankheiten)
- LIPOID PROTEINOSIS OF URBACH AND WIETHE . In: Online Mendelian Inheritance in Man. (englisch)
- J. R. Parida, D. P. Misra, V. Agarwal: Urbach-Wiethe syndrome. In: BMJ Case Reports. Band 2015, September 2015, S. , doi:10.1136/bcr-2015-212443, PMID 26336196, PMC 4567717 (freier Volltext).