Vintlerstraße
Die Vintlerstraße (italienisch Via Vintler, ehemals hinterer Graben, Hintergasse und hintere Gasse[1]) ist eine Straße im Norden der Altstadt von Bozen. Sie ist nach der Familie Vintler bzw. deren bedeutendstem Angehörigen Nikolaus Vintler benannt.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um 1170/80 wurde die planmäßig angelegte Marktsiedlung Bozen gegründet, die aus der heutigen Laubengasse und dem heutigen Kornplatz bestand.[2] Daran schlossen sich bereits ab 1200 Stadterweiterungen an, die zur Anlage weiterer Gassen führten (heute: Silbergasse, Dr.-Streiter-Gasse, Obstplatz).
Um 1210 gründeten die Brüder Albero und Bertold, Herren von Wangen, auf ihrem Grund im Osten und Nordosten des bischöflichen Marktes eine eigene Vorstadt. Da ihr Bruder Friedrich von Wangen damals Bischof von Trient war, konnten sie sich für die neue Vorstadt die niedere Gerichtsbarkeit sichern.[3] Auf dem Gebiet dieser neuen Vorstadt wurde um 1215 die Vintlerstraße, zusammen mit der heutigen Bindergasse und der östlichen Häuserfront der heutigen Weintraubengasse, angelegt.[4]
Die Vintlerstraße wurde ursprünglich hintere Gasse und später Hintergasse genannt. 1901 erfolgte die Umbenennung in Vintlerstraße.[5]
Gebäude
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Franziskanergymnasium
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Westen der Vintlerstraße befindet sich das 1780 gegründete Franziskanergymnasium, das an das Franziskanerkloster anschließt. Das Schulgebäude wurde 1882 unter dem Direktor und Naturforscher P. Vinzenz Maria Gredler nach einem Entwurf des Bozner Stadtbaumeisters Sebastian Altmann gebaut.
Goetheschule
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gegenüber vom Franziskanerkloster befindet sich die Goetheschule, eine Grundschule mit deutscher Unterrichtssprache. Sie wurde 1908 als Volksschule für Mädchen und Bürgerschule gebaut und zu Ehren des 60. Regierungsjubiläums des österreichischen Kaisers Kaiser-Franz-Joseph-Schule getauft. Der Schulbetrieb wurde am 14. November 1908 aufgenommen. Vor dem Eingang der Schule liegt der Marienpark mit der Mariensäule, die 1909 im Gedenken an die Jahre der Cholera in Bozen (1836–1854) errichtet wurde.[6]
Ehemalige Turnhalle
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Neben der Goetheschule befand sich die 1893 gebaute Turnhalle des Turnverein Bozen 1862, die 1919 vom Bozner Künstler Rudolf Stolz mit einem mehrteiligen Wandgemälde ausgeschmückt wurde, das vier Szenen aus dem Nibelungenlied darstellte: Einzug Siegfrieds in Worms, Donaufahrt der Nibelungen, Gastmahl zu Pöchlarn und Kampf um Etzels Burg.[7] Die Turnhalle wurde nach der Annexion Südtirols an Italien der faschistischen Jugendorganisation Balilla überlassen und im „stile dell'impero“ umgebaut. Der Nibelungenzyklus wurde dabei zerstört.[8][9] Später befand sich ein italienischer Kindergarten (Girasole) darin.
Melde- und Standesamt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Haus Nr. 16 befindet sich das städtische Melde- und Standesamt. Bis 1930 beherbergte das denkmalgeschützte Gebäude eine Handelsschule.
Kofler-Stiftung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Haus Nr. 12/14 gehört der nach Wilhelmine Kofler benannten Stiftung, die hier ein Mädchenheim betreibt[10]. Der früher von der Stiftung betriebene Kindergarten ist seit dem Umbau in den 2000ern an die Gemeinde übergeben worden.
Ehemaliges Haus von Hans Piffrader
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der expressionistische Bildhauer und Grafiker Hans Piffrader ließ sich 1931 in Bozen nieder, wo er das Haus Nr. 13 in der Vintlerstraße kaufte.[11] Das unscheinbare Gebäude weist an der Straßenseite ein kleines Relief des Künstlers auf.
St.-Afra-Haus
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]An der Ecke zur Bindergasse steht das St.-Afra-Haus, vormals das Bozner Gefängnis. Eine Gedenktafel erinnert an die berühmtesten Gefangenen:
„Dieses Haus, bei dem einst das Vintlertor stand, früher Eigentum des Bistums Augsburg und nach der Augsburger Patronin St. Afra genannt, beherbergte als Gefangene Andreas Hofer im Jänner und den Mahrwirt Peter Mayr im Feber 1810“
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus fast vollständig zerstört, nur die Keller blieben erhalten. Heute sind im wieder aufgebauten St.-Afra-Haus Wohnungen für autonome Senioren untergebracht.
Ansitz Schrofenstein
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Den östlichen Abschluss der Vintlerstraße bildet der Ansitz Schrofenstein, ein im Kern mittelalterlicher Bau, der im 17. Jahrhundert umgestaltet und 1898 erneuert wurde. Im Gebäude befinden sich im Jahr 1885 entdeckte Freskenreste aus der Zeit um 1400, welche ritterliche Kampfszenen darstellen, und vermutlich auf die bis 1415 den Ansitz besitzende Familie Vintler zurückgehen.[12] Das Haus gehört der Franz-von-Mayrl'schen Stiftung und beherbergte ab 1826 eine freiwillige Arbeitsanstalt, die auch Spinnhaus genannt wurde. Heute sind darin Wohnungen untergebracht.
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Belege bei Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen. Band 2: Regesten der kommunalen Bestände 1401–1500. Bozen: Stadtgemeinde Bozen 2008. ISBN 978-88-901870-1-8. S. 293.
- ↑ Hannes Obermair: Kirche und Stadtentstehung (PDF; 2,6 MB). In: Der Schlern, Bozen 1995, bes. S. 460f.
- ↑ Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 1. Athesia Spectrum, Bozen 2005, ISBN 88-6011-020-3, Vom bischöflichen Markt zum Stadtmagistrat, S. 41 ff.
- ↑ Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 2. Athesia Spectrum, Bozen 2006, ISBN 88-6011-021-1, Das Bozner Stadtwappen, S. 27.
- ↑ Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 3. Athesia Spectrum, Bozen 2006, ISBN 88-6011-027-0, Allerlei Interessantes; da und dort in den Gassen der Bozner Altstadt, S. 183 ff.
- ↑ Goetheschule: Geschichte. Grundschulsprengel Bozen (Goethe-Wolff-Chini), abgerufen am 20. Juli 2013.
- ↑ Giselbert Hoke: Leben und Werk des Malers Rudolf Stolz. Carinthia, Klagenfurt 1972, S. 221.
- ↑ Bruno Mahlknecht: Bozen durch die Jahrhunderte. Band 1, Der einstige Bozner Turnverein, S. 147.
- ↑ Dolomiten, Ausgabe vom 5. Jänner 1957, S. 5.
- ↑ Website der Koflerstiftung. Abgerufen am 21. Juli 2013.
- ↑ Ettore Frangipane: Hans Piffrader. Bolzano scomparsa, abgerufen am 1. März 2021.
- ↑ Hannes Obermair, Helmut Stampfer: Urbane Wohnkultur im spätmittelalterlichen Bozen. In: Schloß Runkelstein – die Bilderburg. Hrsg. von der Stadt Bozen unter Mitwirkung des Südtiroler Kulturinstitutes, Bozen: Athesia 2000. ISBN 88-8266-069-9, S. 397–409, bes. S. 402ff. (mit Abbildungen).
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Koordinaten: 46° 30′ 4,2″ N, 11° 21′ 19,3″ O