Vishwananda

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Vishwananda

Swami Vishwananda (geboren als Mahadeosingh „Visham“ Komalram am 13. Juni 1978 in Beau Bassin-Rose Hill, Mauritius), unter Anhängern als Paramahamsa Sri Swami Vishwananda bekannt, ist ein hinduistischer Guru aus Mauritius. Er ist Gründer des Bhakti Marga, einer umstrittenen neohinduistischen Organisation, die in vielen Ländern Ashrams und Tempel unterhält.[1] Er lebt in Deutschland, wo sich sein Hauptashram im kleinen Dorf Springen (Heidenrod) im Taunus befindet. Stand Ende 2023 hatte Vishwananda rund 50.000 Anhänger.[2]

Vishwananda wurde in einer Hindu-Familie auf der Insel Mauritius geboren. Angeblich hatte er im Alter von fünf Jahren während eines Krankenhausaufenthalts eine Erscheinung von Mahavatar Babaji, den er als seinen persönlichen Guru erkannt haben will.[3] Er behauptet auch, ein Acharya (religiöser Lehrer) der hinduistischen Glaubenstradition des Sri Vaishnava zu sein, was von führenden Vertretern bestritten wird.[4]

2004 erwarb er ein Grundstück in dem kleinen Dorf Steffenshof im Hunsrück, Rheinland-Pfalz, und baute es zu einem Ashram aus.[3] Dort gründete er im Juli 2005 die Organisation Bhakti Marga.[5] Im Jahr 2008 erwarb Bhakti Marga das ehemalige Tagungs- und Seminarhaus der Gewerkschaft ver.di in Springen, ein größeres Grundstück in der Nähe des Rhein-Main-Gebiets.[3]

Am 11. Juli 2015 wurde Swami Vishwananda von der World Peace Prayer Society ein Friedenspfahl und eine Urkunde überreicht. Swami Vishwananda, so heißt es, helfe den Menschen, Elemente der östlichen Spiritualität mit Elementen der westlichen spirituellen Tradition zu verbinden und ermögliche ihnen so den Zugang zu einer ganz persönlichen Erfahrung mit dem Göttlichen, unabhängig von Kultur, Geschlecht oder Alter.[6]

Im September 2015 wurde ihm von der hinduistischen Gemeinschaft Nirmohi Akhada der Titel Mahamandaleshwara verliehen, der erste Guru außerhalb Indiens, dem dieser Titel verliehen wurde.[7]

Vishwananda unternimmt regelmäßig Reisen, auf denen er teilweise über 2000 Menschen „Darshans“ (Segnungen) gibt.[8][9][10] Laut Angaben seines Veranstalters hat er 331 Darshans in 46 Ländern und 220 Städten durchgeführt hat und mehr als 133.000 Menschen gesegnet.[2]

Entwicklung des Bhakti Marga

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Gründung und Ashrams

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Nachdem Vishwananda, der zunächst noch Visham genannt wurde, Anhänger in privaten Wohnungen empfing, gründete er 2004 in dem kleinen Ort Steffenshof (Dorweiler) im Hunsrück (Rheinland-Pfalz) den ersten Ashram. Am 13. Juni 2005 wurde dann Bhakti Marga gegründet.[5] Im Jahr 2008 zog der Ashram in ein größeres Anwesen in Springen (Heidenrod) um, das nun zum neuen Hauptashram der Bewegung wurde.[11] Im Juni 2018 wurde ein neuer Tempel eingeweiht, dessen Ausbau laut FAZ mehr als eine Million Euro gekostet hat. Weltweit gibt es demnach ca. 30 bis 50 Zentren, davon sind viele jedoch kleinere Ashrams oder Tempel.[5]

Im November 2020 wurde bekannt, dass Bhakti Marga in Kirchheim im hessischen Landkreis Hersfeld-Rotenburg ihr hinduistisches Deutschlandzentrum auf dem Gebiet der Ferienanlage Seepark Kirchheim aufbauen will.[12]

Am 3. September 2023 weihte Vishwananda in Elmira, New York, den Paranitya Narasimha-Tempel und Ashram ein.[13]

Vishwananda ist ebenso Begründer der Vaishnava Tradition namens Hari Bhakta Sampradaya.[14] Der Orden ist in der kulturellen Tradition Indiens verwurzelt und versteht sich als ein Ableger des Hinduismus, dessen Selbstbezeichnung, Sanātana Dharma, auf Sanskrit die Bedeutung „ewige Religion“ hat.[15]

Vorwürfe sexueller Übergriffe

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Es sind Vorwürfe früherer Anhänger bekannt, die sexuelle Aktivitäten des Gurus mit etwa 15 Schülern, darunter Jugendlichen, belegen sollen. In mindestens zwei Fällen handle es sich dabei um Vergewaltigungen. Sektenbeauftragte der Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen berichteten von sexuellen Übergriffen im Graubereich zwischen freiwilliger Zustimmung und erzwungenem Gehorsams gegenüber dem Guru. Anhänger seien psychisch und emotional manipuliert worden. Dies führte 2008 dazu, dass mehr als die Hälfte der Anhänger die Gemeinschaft verließen, auch weil die Aktivitäten Vishwananda im Konflikt mit dem selbst auferlegten Zölibat der Gemeinschaft standen.[16]

In einer Dokumentation des Hessischen Rundfunks vom Januar 2022 wurden mehrere ehemalige Devotees interviewt und dem Guru wurde sexueller Missbrauch vorgeworfen.[17] Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden bestätigte mehrere Anzeigen, die jedoch nicht zu Anklagen geführt hätten. Vishwananda lässt sämtliche Vorwürfe über sexuelle Übergriffe gegenüber dem HR durch seinen Anwalt bestreiten. In einer Stellungnahme auf der Website des Bhakti Marga heißt es dazu: „Sämtliche Vorwürfe entbehren jeglicher Grundlage und sind von den sie erhebenden Personen frei erfunden. Paramahamsa Vishwananda hat in seinem gesamten Leben noch nie eine Person zu sexuellen Handlungen gegen deren Willen veranlasst, gedrängt oder gar genötigt.“[18]

In einem Rechtsstreit zwischen Bhakti Marga und dem HR erließ das Landgericht Hamburg im März 2022 sieben einstweilige Verfügungen, die öffentliche Behauptungen über sexuelles Fehlverhalten untersagten.[19][20][21] Vishwananda reichte bei Gericht eine eidesstattliche Erklärung ein, in der er erklärte, dass er niemals eine Person sexuell genötigt habe. Andere Verfügungen wurden jedoch vom Gericht zurückgewiesen, zum Beispiel durfte berichtet werden, dass der Guru Hingabe und sexuelle Kontakte zu jungen Männern suchte. Berichte über Machtmissbrauch und die Bezeichnung der Organisation als „totalitär“ wurden vom Gericht als legitime Meinungen angesehen. Die Einschätzung, dass ehemalige Mitglieder noch immer traumatisiert seien und leiden würden, wurde ebenfalls zugelassen. Daraufhin wurde der TV-Beitrag aus der Mediathek der ARD entfernt. Von den Podcasts sind wieder alle 6 Folgen online, jedoch wurden einige stark gekürzt.[17] Da das Gerichtsverfahren noch läuft, gab der HR keine Erklärung ab, ob er gegen die Verfügungen Widerspruch einlegen würde.

Im Jahre 2008 wurde Vishwananda in den Sri Sampradaya als Praktizierender, nicht jedoch als Lehrer, initiiert. Damit wurde die Bewegung in Richtung Sri Vaishnava ausgerichtet. Vishwananda gibt sich als Meister des Sri Vaishnava aus, führende Vertreter dieser Linie geben jedoch an, dass er nicht befugt sei, in deren Namen zu lehren.[4]

Vishwananda ließ sich von der Apostolisch Orthodoxen Kirche (AOC) als Bischof Michael ordinieren. Er wurde jedoch 2016 von einer Abspaltung dieser Kirche, der Katholisch Orthodoxen Apostolischen Kirche (COAC) exkommuniziert.[22] Die CAOC beansprucht für sich Hüter des kanonischen Erbes der AOC zu sein, die Ernennung Vishwanandas war einer der Gründe der Abspaltung. Der Ashram in Springen besitzt eine Russisch-Orthodoxe Kapelle, in der zumindest früher regelmäßig Gottesdienste abgehalten wurden. In dieser befindet sich eine Truhe mit Reliquien christlicher Heiliger, die Vishwananda bereits 2001 mit Hilfe von Anhängern in der Schweiz entwendet hat und infolgedessen 2007 von einem Schweizer Gericht verurteilt wurde.[23] Der Zeitung zufolge sagte Vishwananda, er habe die Reliquien nur vor der Zerstörung in einem drohenden Reliquienkrieg retten wollen.[24]

Seine Exkommunikation folgte der Ernennung zum Mahamandaleshwar, einem hohen hinduistischen Würdenträger auf der Kumbh Mela 2015 in Nasik, womit er der erste Träger eines solchen Titels außerhalb Indiens ist.[7] Kritiker wenden jedoch ein, er habe diesen Titel für 30.000 Dollar gekauft.[25]

Kontroverse um KZ-Gedenkstätten

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Unter Om Chanting lehrt Bhakti Marga ein Ritual, bei dem die Teilnehmer im Kreis sitzend Om chanten. Dies solle die Atmosphäre reinigen. Kontrovers wurden solche Gruppenchantings an KZ-Gedenkstätten, z. B. am 17. März 2018 im KZ Buchenwald,[26] oder auch am 10. Dezember 2016 im KZ Mauthausen in Österreich, aufgenommen, da darin eine Relativierung oder Instrumentalisierung des Holocaust gesehen wurde.[27][28] Es gibt jedoch auch Stimmen, die die Aktionen der Gemeinde gutheißen: Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Thüringen, Deutschland, Reinhard Schramm, erklärte, er habe keine Probleme mit der Organisation und bezeichnete sie sogar als „Partner“ im Kampf gegen ethnischen und religiösen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.[29] In Österreich erklärte das für Gedenkstätten zuständige Innenministerium, die Denkmäler stünden jedem offen, der „die Würde des Ortes“ respektiere. Willi Mernyi, der Vorsitzende des Mauthausen-Komitees, das die Gedenkstätte betreut, sagte, er sehe den Gedenkprozess als einen Akt des Respekts und wolle die Organisation dafür nicht kritisieren. Rikola-Gunnar Lüttgenau, ein Sprecher der Gedenkstätte Buchenwald, erklärte, dass protestantische, katholische und jüdische Gruppen in der Gedenkstätte beten dürften und die Organisation daher nicht daran gehindert werde, ihre Aktivitäten auf dem Gelände durchzuführen. Eine von der Gedenkstättenleitung durchgeführte Untersuchung habe keinen Verstoß der Organisation gegen die Regeln der Gedenkstätte ergeben.[30][31][32]

Reliquien-Diebstahl in der Schweiz

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Im Jahr 2001 stahl Vishwananda in 25 Schweizer Kirchen und Klöstern mit zwei Jüngerinnen Reliquien. Als Grund wurde ein bevorstehender Reliquienkrieg und der Missbrauch der Reliquien durch Schwarze Magie angegeben. Nach Aussage des Geschäftsführers von Bhakti Marga ist Swami Vishwananda in der Schweiz wegen Störung der Totenruhe vorbestraft.

Einzelnachweise

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  1. Sebastian Leber: Umstrittene Sekte „Bhakti Marga“: Der Wunderguru aus dem Taunus. Tagesspiegel, 2. Dezember 2022
  2. a b Sonu Sharma: परमहंस श्री विश्वानंद ने मनाया कार्तिक उत्सव. In: 4PM News. 18. Dezember 2023, abgerufen am 17. Juli 2024 (amerikanisches Englisch).
  3. a b c Beck, Heike: "Bhakti Marga eröffnet spirituelles Zentrum in Springen/Taunus". Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, August 2013, abgerufen am 30. August 2023.
  4. a b Falsche Āchāryas erkennen. Kōyil Deutschland, 30. November 2018
  5. a b c Der Ashram im Taunus Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, abgerufen am 29. November 2021
  6. Peace Pole Gifted to Swami Vishwananda at Bhakti Marga in Frankfurt – GERMANY - May Peace Prevail On Earth International. In: May Peace Prevail On Earth International -. 26. Oktober 2015, abgerufen am 4. Dezember 2023 (amerikanisches Englisch).
  7. a b Swami Vishwananda becomes first Mahamandaleshwar from outside the country. Times of India Artikel, abgerufen am 29. November 2021
  8. Ramchandani recibe en España al maestro hindú Swami Vishwananda. In: El Faro de Ceuta. 15. November 2023, abgerufen am 30. Januar 2024 (spanisch).
  9. El maestro hindú Paramahamsa Vishwananda congrega a más de 2. 000 fieles en el frontón de Izurtza. In: EITB. 3. November 2023, abgerufen am 30. Januar 2024 (spanisch).
  10. T. H: Tanja Ribič Djurić in Branko Djurić sta bila na kosilu z enim bolj slavnih ljudi na svetu. In: TočnoTo. 30. Oktober 2023, abgerufen am 30. Januar 2024 (slowenisch).
  11. Heike Beck: Bhakti Marga eröffnet spirituelles Zentrum in Springen/Taunus. In: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, Materialdienst 8/2013
  12. Seepark Kirchheim verkauft: Aus für das Hotel, Hindu-Religionszentrum geplant. 18. November 2020, abgerufen am 18. November 2020.
  13. Paranitya Narasimha Temple Dedicated – Hindu Press International. Abgerufen am 13. Mai 2024 (amerikanisches Englisch).
  14. Kriya Yoga And Spiritual Guru Paramahamsa Vishwananda To Visit India, Here’s How You Can Seek His Blessings. Abgerufen am 13. Mai 2024 (englisch).
  15. Der Guru aus Heidenrod und der Weg der Hingabe. 13. Juni 2024, abgerufen am 24. Juni 2024.
  16. EZW im Internet Archive: Bhakti Marga in der Kritik. Archiviert vom Original; abgerufen am 30. November 2021.
  17. a b @1@2Vorlage:Toter Link/www.ardaudiothek.dePodcast „Just Love“ des Hessischen Rundfunks. (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im September 2024. Suche in Webarchiven) Abgerufen am 6. Februar 2022.
  18. Paramahamsa Vishwanandas Stellungnahme zur jüngsten Fernsehsendung des Hessischen Rundfunks, Bhakti Marga Website, abgerufen am 25. Januar 2022
  19. Guru vor Gericht, Süddeutsche Zeitung, abgerufen am 27. April 2022
  20. Mann wird zum Missbrauchsopfer erklärt, Der Spiegel, abgerufen am 27. April 2022
  21. Erklärung des Anwalts auf der Seite von Bhakti Marga, abgerufen am 27. April 2022
  22. Webseite COAC: Notification for Europe. Abgerufen am 16. August 2020.
  23. Tagesanzeiger.ch im Internet Archive: 'Knochen in Kirchen gestohlen'. 8. November 2010, archiviert vom Original am 8. November 2010; abgerufen am 29. November 2019.
  24. Stefan Hohler: Knochen in Kirchen gestohlen (Memento des Originals vom 8. November 2010 im Internet Archive) In: Tagesanzeiger, 15. Juni 2007 
  25. Friedmann Eißler: Bhakti Marga in der Kritik. In: Materialdienst. Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen, Band 1. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, 2020, S. 30–39 (IxTheo)
  26. Hanna Fülling: Neohinduistisches Ritual in der Gedenkstätte Buchenwald. In: Materialdienst. Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen, Band 5. Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, 2018, S. 191f
  27. Spirituelle Gruppe will KZ-Gedenkstätte mit Ritual „heilen“. In: Die Welt, abgerufen am 28. Oktober 2019.
  28. Henry Bernhard: KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Chanting wider die Schuld. Deutschlandfunk, 16. März 2018
  29. deutschlandfunk.de: KZ-Gedenkstätte Buchenwald - Chanting wider die Schuld. Abgerufen am 26. Juni 2024.
  30. KZ-Gedenkstätte Buchenwald: Bhatki-Marga-Bewegung plant Om Chanting - WELT. 4. März 2018, abgerufen am 26. Juni 2024.
  31. Philipp Sommer: Dieser Kult will in Konzentrationslagern meditieren. In: Vice. 2. März 2018, abgerufen am 26. Juni 2024.
  32. Tom Heneghan: Hindus chant to ‘purify’ former Nazi concentration camps. In: Religion News Service. 30. März 2018, abgerufen am 26. Juni 2024 (amerikanisches Englisch).