Walter Helbig (Maler)
Walter Helbig (geboren 9. April 1878 in Falkenstein/Vogtl., Sachsen; gestorben 26. März 1968 in Ascona) war ein deutscher und schweizerischer Maler, Graphiker und Holzschneider.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Walter Helbig zog mit seinem Vater, der Jurist und Bürgermeister in Falkenstein war, 1885 nach Dresden und besuchte die Realschule. 1895 nahm er das Studium an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste auf, u. a. bei Carl Bantzer und Otto Gussmann, und freundete sich mit dem Studienkollegen Otto Mueller an. Mit einer Italienreise von 1897 bis 1899 unterbrach er das Studium und traf dort auf Arnold Böcklin, Adolf von Hildebrand und den Marées-Schülerkreis. Nach seiner Rückkehr arbeitete er für Gussmann in Dresden bei Kirchenausmalungen, so auch vermutlich in der Lukaskirche.[1] Zwischen 1903 und 1905 wohnte er mit Mueller in Dresden-Rockau, ihre gemeinsam betriebene Kunstschule wurde kein Erfolg. 1909 heiratete er die Pianistin und Sängerin Elisabeth Goetze, die er in Hamburg kennengelernt hatte, wo er sich von 1905 bis 1910 als freier Maler aufhielt. 1909 machte er durch Vermittlung von Otto Mueller Bekanntschaft mit Malern der Künstlergruppe „Brücke“. Helbig beteiligte sich 1910 an der Gründung und der ersten Ausstellung der Berliner „Neuen Secession“. 1909 war er nach einem ersten Schweizaufenthalt in München mit den Malern der Neuen Künstlervereinigung München zusammengekommen und stellte 1911, im Gründungsjahr der Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“, in der Kunsthandlung von Hans Goltz aus.
1910 übersiedelte er in die Schweiz, wo er in Weggis mit Hans Arp und Oscar Lüthy Mitbegründer und Geschäftsleiter des „Modernen Bundes“[2][3] wurde, dem u. a. Cuno Amiet, Giovanni Giacometti und Hermann Huber angehörten. Helbig beteiligte sich an der ersten Ausstellung des „Modernen Bundes“ 1911 in Luzern und an der zweiten, größeren, im Kunsthaus Zürich, an der auch Künstler des „Blauen Reiters“ und Franzosen wie Henri Matisse, Robert Delaunay und Henri Le Fauconnier teilnahmen. Er war auch 1912 zur zweiten Ausstellung der „Redaktion der Blaue Reiter“ bei Goltz eingeladen, in dessen Galerie der „Moderne Bund“ dann 1913 gastierte. Goltz hatte unter den fünf Bildern, die er zur Armory Show 1913 nach New York City schickte, auch ein Liegendes Mädchen von Helbig.[4] In Berlin zeigte Herwarth Walden im April 1913 die Künstler des „Modernen Bundes“[5] und später im Jahr im Ersten Deutschen Herbstsalon drei Ölbilder Helbigs: Badende Mädchen; Landschaft und den auch im Katalog abgebildeten Mädchenkopf.[6] In der von Frank Rutter[7] kuratierten Ausstellung Post-Impressionist and Futurist Exhibition in den Doré Galleries, London war Helbig unter den mit dem Holzschnitt Adam und Eva vertreten. Mit Arp und Lüthy reiste Helbig 1913 auch nach Paris.
1914 nahmen einige Maler des nunmehr aufgelösten „Modernen Bundes“, unter ihnen Helbig, an der ersten Dada-Ausstellung in der Galerie Coray in Zürich teil. Helbig war auch in der dritten Dada-Ausstellung vertreten und lieferte Beiträge für das Magazin Der Zeltweg,[8] beteiligte sich allerdings nicht an den eigentlichen Aktivitäten der Dadaisten. 1919 gehörte er in Zürich zu den Unterzeichnern des politischen „Manifestes radikaler Künstler“[9] und schloss sich der Berliner „Novembergruppe“ an, deren Versammlungen er in den Folgejahren sporadisch besuchte.[10][11]
Helbig wohnte von 1916 bis 1924 in Zürich und wurde 1916 Mitglied der GSMBA (Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten), an deren Ausstellungen er sich regelmäßig beteiligte. Sein künstlerisches Schaffen nahm seit dem Ersten Weltkrieg eine Wende hin zu religiösen und mythischen Themen. 1924 zog Helbig wie viele andere Künstler wegen der niedrigen Lebenshaltungskosten nach Ascona und gründete die Künstlervereinigung Der Große Bär.[12] Sie setzte sich, analog zum gleichnamigen Himmelsgestirn, aus sieben Künstlern zusammen: Helbig, Ernst Frick, Albert Kohler, Gordon Mallet McCouch, Otto Niemeyer-Holstein, Otto van Rees und als die treibende Kraft Marianne von Werefkin, später noch Richard Seewald. Auch diese Gruppe blieb wie der „Moderne Bund“ ohne Statuten und war pragmatisch auf die Durchführung einer Jahresausstellung (1924 bis 1940) ausgerichtet. Helbig malte in dieser Zeit Landschaften, Stillleben und Porträts. Er hatte bis zur Machtübergabe an die Nationalsozialisten ein Mietatelier in Berlin und porträtierte 1933 die Schauspielerin Tilla Durieux.[13] Er hielt sich auch in Paris auf, wo er 1931/1932 an Ausstellungen der „Gruppe 1940“,[14] die von Max Ernst, Hans Stocker, den Arps und den Delaunays getragen wurde, beteiligt war, wodurch er sich für eine Phase mit geometrischen und amorphen Formen beschäftigte, dann aber seine harmonisch-verklärende Malweise weiterführte.
1933 wurden unter anderem aus dem Essener Folkwang-Museum, der Kunsthalle Mannheim und dem Erfurter Museum Werke Helbigs als „Entartete Kunst“ entfernt,[15] zudem gingen 35 Bilder und eine Mappe mit Aquarellen und Zeichnungen 1943 in Berlin bei einem Brand der Depoträume der Galerie von der Heyde verloren. Helbig wurde 1938 in Ascona eingebürgert.
Helbig hatte 1948 in Zürich seine erste große Einzelausstellung und wurde 1952 Mitglied im Deutschen Künstlerbund. Er nahm auch nach dem Zweiten Weltkrieg die aktuellen Kunstströmungen auf, malte im abstrakten Expressionismus und experimentierte schließlich in den 1960er Jahren mit der art informel. Seine Kraft lag in seiner „nie erlahmenden Wandlungsfähigkeit“,[16] so Rolf Wedewer im Jahr 1959. Im hohen Alter stellte er an die Gegenwartskunst die Erwartung, „von der Loslösung vom Gegenständlichen zu einer neuen Gegenständlichkeit zu gelangen“.[17]
Literatur / Ausstellungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Anette Brunner: Helbig, Walter. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 71, De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 978-3-11-023176-2, S. 299–302.
- Tapan Bhattacharya: Helbig, Walter. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 5. Dezember 2007.
- Helbig, Walter. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des XX. Jahrhunderts. Band 2: E–J. E. A. Seemann, Leipzig 1955, S. 411–411 (Textarchiv – Internet Archive – Leseprobe).
- Rolf Wedewer: Der Maler Walter Helbig. In: Die Kunst, Bruckmann, München 1958. Heft 4.
- Walter Helbig, Ascona. Gemälde, Aquarelle und Druckgraphik. Museum Folkwang Essen; Kunstverein Darmstadt 1959.
- Rolf Wedewer: Walter Helbig. S. 3–4
- Walter Helbig: Raum-Bewegung – Abstrakter Gegenstand. S. 5–6.
- Walter Helbig. Ausstellung zu 90. Geburtstag. Galleria Castelnuovo, Ascona.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Viola Radlach: Walter Helbig. In: Sikart
- Publikationen von und über Walter Helbig im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
- Literatur von und über Walter Helbig im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Regine Fluor-Bürgi: Walter Helbig bei Kunstmuseum Luzern
- Walter Helbig. In: moma.org.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Anette Brunner: Helbig, Walter. In: AKL. Die Lukaskirche brannte im Zweiten Weltkrieg aus.
- ↑ Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1900 : ein Handbuch. Hauswedell, Stuttgart 1996, ISBN 3-7762-0400-1, S. 246f.
- ↑ Viviane Ehrli: Der Moderne Bund. In: Ausstellungskatalog Künstlergruppen in der Schweiz 1910–1936. Aargauer Kunsthaus, Aarau 1981, S. 26 ff.
- ↑ Hans Goltz, nach Katrin Lochmaier: Die Galerie – Hans Goltz, München 1912–1914.
- ↑ Barbara Alms (Hrsg.): Der Sturm : Chagall, Feininger, Jawlensky, Kandinsky, Klee, Kokoschka, Macke, Marc, Schwitters und viele andere im Berlin der zehner Jahre. Delmenhorst 2000, ISBN 3-89757-052-1, S. 260.
- ↑ Erster Deutscher Herbstsalon. Berlin 1913. Verl. Der Sturm, Berlin 1913, S. 19-
- ↑ Zum Ausstellungskonzept und Frank Rutter siehe englische Wikipedia en:Frank Rutter. Reprint des Katalogs bei Piero Pacini: 26 Esposizioni Futuriste 1912-1918. Edizioni Scelte, Florenz 1975.
- ↑ Holzschnitt in: Der Zeltweg, Heft 1, 1919, S. 16.
- ↑ Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1900 : ein Handbuch. Hauswedell, Stuttgart 1996, ISBN 3-7762-0400-1, S. 68.
- ↑ In der Literatur auch häufiger als Mitgründer genannt, so bei: Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1900 : ein Handbuch. Hauswedell, Stuttgart 1996, ISBN 3-7762-0400-1, S. 279.
- ↑ Die Schaffenden. Eine Auswahl der Jahrgänge I bis III und Katalog des Mappenwerkes, Leipzig/Weimar 1984.
- ↑ Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1900 : ein Handbuch. Hauswedell, Stuttgart 1996, ISBN 3-7762-0400-1, S. 152f.
- ↑ Durieux' Porträt befindet sich im Von der Heydt-Museum Wuppertal. Hans F. Schweers: Gemälde in deutschen Museen. 3., aktualisierte und erw. Ausg. Bd. 2 : Teil 1, Künstler und ihre Werke. Saur, München 2002, S. 310.
- ↑ Christoph Wilhelmi: Künstlergruppen in West- und Nordeuropa einschließlich Spanien und Portugal seit 1900: ein Handbuch. Hauswedell, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-7762-1006-4, S. 10f.
- ↑ Essen und Mannheim siehe AKL, Erfurt siehe Walter Helbig bei „Beschlagnahmeinventar Entartete Kunst“, FU Berlin
- ↑ Rolf Wedewer: Walter Helbig. S. 3
- ↑ Walter Helbig: Raum-Bewegung – Abstrakter Gegenstand, S. 6.
Personendaten | |
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NAME | Helbig, Walter |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Maler |
GEBURTSDATUM | 9. April 1878 |
GEBURTSORT | Falkenstein/Vogtl. |
STERBEDATUM | 26. März 1968 |
STERBEORT | Ascona |
- Maler der Moderne
- Künstler des Kubismus
- Maler des Expressionismus
- Maler des Abstrakten Expressionismus
- Künstler des Dadaismus
- Mitglied im Deutschen Künstlerbund
- Informel
- Maler (Schweiz)
- Grafiker (Schweiz)
- Emigrant aus dem Deutschen Reich zur Zeit des Nationalsozialismus
- Deutscher
- Person (Ascona)
- Schweizer
- Geboren 1878
- Gestorben 1968
- Mann