Walter Richter-Ruhland
Walter Richter Ruhland (* 8. August 1910 in Ruhland;[1] † 5. August 1975[2] in Hannover[3]) war ein deutscher Schriftsteller. Sein Werk besteht aus wenigen Prosa-Texten, vielen Gedichten in Anthologien und auch eigenen Gedichtbänden sowie Übersetzungen russischer Literatur. Als wichtigstes Prosawerk gilt seine Romanerzählung Die Jahre hinab. Aufzeichnungen eines Sonderlings (1956) Der Schwerpunkt seiner Lyrik-Veröffentlichungen liegt in den 1960er und 1970er Jahren, zuletzt mit dem Band Zeitspindel (1975). Die Übersetzungen russischer Erzählungen zusammen mit Ottomar Schwechheimer[4] stammen vorwiegend aus den 1960er Jahren.
Biografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Autor wurde als Walter Richter am 8. August 1910 in Ruhland (Niederschlesien) geboren.[3] Den Geburtsort fügte er später seinem Namen hinzu, um Namensverwechselungen zu vermeiden. Die Schreibweise seines Vornamens mit „h“ wird im Netz mitunter behauptet, aber nicht belegt.[5] Walter Richter besuchte in Gutenborn die Volksschule und in Spremberg das Gymnasium.[2] Bereits in der Sekunda veröffentlichte er erste Gedichte in einer Anthologie. Aus Schulzeiten auf dem Spremberger Gymnasium rührt seine Bekanntschaft mit Peter Jokostra[2].
Ab 1930 absolvierte Walter Richter eine Lehre zum Buchhändler. 1933 fand er eine Anstellung als Buchhändler in Paris. Ab 1934 war er Hilfsangestellter bei verschiedenen Ämtern, bis er 1939 eine Stelle als Verlagsbuchhändler in Leipzig fand. Jedoch wurde Walter Richter bereits im Herbst 1939 zum Kriegsdienst verpflichtet, ab 1941 direkt in der Wehrmacht. 1944 geriet er bei Brest in Gefangenschaft, aus der er 1948 nach Deutschland zurückkehrte.[6]
Nach einer Hilfstätigkeit in einem englischen Verpflegungsamt bei Hannover wurde Walter Richter Verwaltungsangestellter[2] im öffentlichen Dienst in Hannover und Hildesheim, hauptsächlich befasst mit der Umsetzung der Entschädigungsgesetze. 1974 ging Walter Richter-Ruhland vorzeitig in Rente, um sich ganz dem Schreiben widmen zu können. Er starb jedoch bereits am 5. August 1975 in Hannover.
Schriften
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jugendgedichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Jokostra zufolge[7] veröffentlichte Richter-Ruhland bereits als Oberschüler erste Gedichte „in einer überregionalen Anthologie“. Das erste derzeit zugänglich veröffentlichte Gedicht des 16-17-Jährigen stammt von 1927.[8] Die ersten heute noch auffindbaren Veröffentlichungen stammen von 1930.[9] Ein weiterer ihm zugeschriebener Liedtext ist in der Deutschen Nationalbibliothek gelistet.[10]
Gedichte in Anthologien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Krieg und Gefangenschaft war Richter Ruhland zunächst nur sporadisch in Anthologien vertreten, bis 1960 in 5 Sammelwerken mit 16 Gedichten, die vorwiegend, wenn auch nicht durchgehend, die Verarbeitung von Krieg und Heimkehr beinhalten.[11] In den folgenden 15 Jahren sind seine Gedichte dann regelmäßig in Anthologien und Jahrbüchern vertreten, so in 4 Jahrgängen von Lyrik in dieser Zeit (u. a. hrsg. von Wolfgang Weyrauch). Hinzu kommen zwei Hefte der Zeitschrift Dimension der University of Texas at Austin,[12] in denen jeweils eine Reihe von Gedichten in englischer und deutscher Fassung veröffentlicht wurden.
Eigene Gedichtbände
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der erste eigene Gedichtband erschien 1968 bei Limes unter dem Titel Eine Reise, ein Tag, eine Rose, enthaltend 56 Gedichte. Deren Thematik erstreckt sich von Naturbetrachtungen über Heimatsuche bis zu Befürchtungen aus Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. In ähnlichem Umfang folgten Meine Waffe Bleistiftstummel (Limes, 1971) und In erster Person Einzahl (Delp, 1974). Der Stil wurde karger, der Ton verhaltener, nicht selten unterschwellig ironisch. Eine besondere Rolle spielt der Band Kalliste (Bläschke 1974), gefolgt von Zeitspindel (Limes 1975). Nicht nur, weil der Autor bei dessen Erscheinen bereits verstorben war, kam diesem thematisch erweiterten Werk seitens seiner Rezensenten besondere Aufmerksamkeit zu.
Prosatexte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1956 erschien Richter-Ruhlands einzige Romanerzählung Die Jahre hinab. Aufzeichnungen eines Sonderlings bei Kiepenheuer & Witsch. Er beschreibt den letztlich nicht gelungenen Versuch, sich als Kriegsheimkehrer in der bundesrepublikanischen Nachkriegswelt zurechtzufinden. Diese „Aufzeichnungen… ließen aufhorchen“, so eine posthume Rezension,[13] führten aber auch zu Unsicherheiten bezüglich der Beurteilungen. Franz Schonauer zieht eine Parallele mit Becketts Warten auf Godot und Molloy und sieht in dem Roman die „Freiheit des Neinsagenkönnens“; er versteht ihn auch als einen „bösen Hohn“ auf „rapide wachsenden Wohlstand und restaurierte Bürgerlichkeit“. Karl Krolow bescheinigt dem Buch „etwas Irritierendes, zugleich Faszinierendes“, „ein hohes Maß an hartnäckiger Beobachtungskraft und nicht selten schonungsloser Konsequenz“. Allgemeinere Bezüge des Textes etwa zur Vergangenheit des Krieges wurden in den zeitgenössischen Rezensionen allerdings nicht thematisiert; die Rezensenten sahen in der Erzählung eher eine „individuelle Résistance“ (Schonauer).[14]
Neben und nach dem Roman erschienen mehrere Kurzerzählungen in verschiedenen Textsammlungen, namentlich Die Katze (1956 BRD, 1973 DDR), Schulze, EK& Co (1965), Wer ist Kaldenbach (1969) sowie Zilly und andere (1974).
Übersetzungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zwischen 1958 und 1968 entstanden insgesamt 14 Bücher mit Erzählungen russischer Autoren, übersetzt von Ottomar Schwechheimer (Rohübersetzung) und Walter Richter-Ruhland. Sie erschienen vorwiegend in der Reihe Goldmanns Gelbe Taschenbücher. Die übersetzten Autoren reichten von Alexander Puschkin über Iwan Turgenjew,[15] Mamin Sibirjak, Anton Tschechow, Maxim Gorki, Iwan Bunin, Michail Sostschenko bis zu Jurij Olescha. Zeitlich umfassen diese literarischen Texte also Russlands Aufbruch in die Moderne bis zur Entfaltung des Stalinismus.[16]
Zeitgenössische Rezeptionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Posthum und schon zu Lebzeiten sahen Rezensenten in verschiedenen Zeitungen in Walter Richter-Ruhland einen „skeptischen, sensiblen Lyriker, einzelgängerisch in seiner Art“ (AH), als „eine Art lyrischer Reporter [mit] skeptischen Betrachtungen der Gegenwart“. (WAZ) „Er gehört zu den Autoren stiller Präsenz, über die man nicht diskutiert, aber mit denen man rechnet“ (SZ). „Er ist auf unauffälligere Wirkungen aus“ (Krolow, SZ). „Die Konzeption des Autors wird mit jeder Zeile deutlich: bei Aussperrung aller schmückenden Beiwörter die äußerste Präzision der bildhaften Aussage zu erreichen“ (Jokostra, Die Welt). Ein Nachruf von Ilse Tielsch Felzmann in Podium Nr. 20 würdigt „knappe, präzise, eigenwillige Formulierungen“, „in der Wortwahl auf Wesentlichstes reduziert“, „trotzdem .. rühren [die Gedichte] an, gehen unter die Haut. Das liegt wohl vor allem an der Aufrichtigkeit des Autors.“[17]
Auszeichnungen (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- 1975: Andreas-Gryphius-Preis (Ehrengabe)[18]
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Walter Richter-Ruhland deutsche-digitale-bibliothek.de
- ↑ a b c d WALTER RICHTER-RUHLAND Literaturport
- ↑ a b Ne3krolog Kürschners Deutscher Literatur-Kalender, De Gruyter, Seite 1139
- ↑ Anna-Maria Meyer, Michaela Böhmig, Peter Thiergen: Ivan A. Bunins Gospodin iz San-Francisko, Seite 283, Böhlau Verlag Köln, ISBN 9783412501426
- ↑ ursprünglich in Musen und Grazien, S. 256. Dem folgend dann so auch im Literaturportal Berlin Brandenburg. Richtigstellung mit Nachweisen in Walter Richter-Ruhland bei Cosmiq
- ↑ Diese und die weiteren biografischen Daten sind aus den übereinstimmenden Verlagsangaben zu seinen jeweiligen Veröffentlichungen zusammengestellt, ausführlich auch im Nachwort von Peter Jokostra zu Zeitspindel, S. 61f. Eine Zusammenstellung mit Einzelnachweisen findet sich in Walter Richter-Ruhland bei Cosmiq. Walter Richter-Ruhland, insbes. Anm. 7. In dem Artikel finden sich auch Belege (z. B. ein Foto) zum Kriegsdienst. Dem widerspricht literaturport.de mit der Behauptung, Richter-Ruhland sei bis 1945 Staatsangestellter gewesen.
- ↑ Nachwort zu Zeitspindel, S. 61f, wiedergegeben mit anderen Quellen in Cosmiq- Walter Richter Ruhland, Jugendwerke
- ↑ veröffentlicht 1931 in Am Mikrophon der Zeit , Goldstein 1931
- ↑ in / Virneburg/ Hurst (Hrsg.), Junge deutsche Dichtung , Eigenbrötler-Verlag Berlin und Zürich, 1930, auch aufgeführt in Liste der verbrannten Bücher Vollständiger Nachweis mit Titeln und Textanfängen bei Cosmiq, Walter Richter-Ruhland, Anm. 47
- ↑ Märzlied : nun kommt mit leisem Wehen / Paul Höffer. T.: Walter Richter-Ruhland Walter Richter-Ruhland im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- ↑ dazu und zu allen anderen Werken gibt es eine interpretierende Zusammenschau und vollständige Listung bei / Cosmiq, Walter Richter-Ruhland
- ↑ University of Texas at Austin, Dimension Vol V, No 1 von 1972 und Dimension Vol VII No 1 von 1974
- ↑ A.H. im Wiesbadener Kurier vom 3. April 1976, zitiert bei / Cosmiq, Walter Richter-Ruhland
- ↑ Alle Zitate aus der Wiedergabe der zeitgenössischen Rezensionen in Cosmiq, Walter Richter-Ruhland
- ↑ Walter Richter-Ruhland kritikatur.de
- ↑ Bibliografische und inhaltliche Einzelheiten bei Cosmiq, Walter Richter-Ruhland
- ↑ Nachruf von Ilse Tielsch Felzmann in Podium Nr. 20, Mai 1976. Alle Rezeptions-Zitate mit Quellenangaben in Cosmiq, Zeitgenössische Stimmen
- ↑ KULTURNOTIZEN Preußische Allgemeine Zeitung, 7. Juni 1975 — Folge 23 — Seite 18
Personendaten | |
---|---|
NAME | Richter-Ruhland, Walter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 8. August 1910 |
GEBURTSORT | Ruhland |
STERBEDATUM | 5. August 1975 |
STERBEORT | Hannover |