Wasserklavier

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Wasserklavier ist ein kurzes Klavierstück von Luciano Berio aus dem Jahr 1965. Ursprünglich in einer Version für Klavier zu vier Händen entstanden,[1] arbeitete Berio das Stück im selben Jahr in eine Fassung für Klavier zu zwei Händen um. Diese Version wurde 1970 von Antonio Ballista in Brescia uraufgeführt.[2] 1990 fasste er Wasserklavier mit fünf anderen Miniaturen unter dem Titel Six Encores (zu Deutsch: sechs Zugaben) zusammen.[3] Eine Aufführung dauert etwa zwei Minuten.

Das Klavierstück besitzt einen ruhigen, nachdenklichen Charakter: Für das ganze Stück ist das Spiel una corda vorgeschrieben, die Musik ist sehr leise und sanft gehalten. Obwohl Wasserklavier meist als Solostück vorgetragen wird, sind dennoch einige Überbleibsel aus der originalen vierhändigen Version auszumachen: So finden sich im Stück beispielsweise einige Akkorde, deren Einzeltöne so weit auseinander liegen, dass diese mit einer Hand kaum mehr zu greifen sind und arpeggiiert werden müssen.[4] Die klar tonale Verortung des Stückes ist sonst bei Berio nicht allzu häufig, auch fallen die Orgelpunkte am Anfang und Ende des Stücks sowie der rhythmische Einfallsreichtum auf.[5]

In der Literatur sind verschiedentlich Bezüge zur Klangsprache der Musik im 19. Jahrhundert (u. a. der Romantik) genannt worden, die zum nostalgischen Charakter des Stückes beitragen. Der explizit deutsche Titel könnte etwa eine Referenz auf Beethovens Hammerklaviersonate darstellen. Susan Tomes erkennt weiterhin Ähnlichkeiten zum Beginn von Schuberts Impromptu D935 Nr. 1, etwa in derselben Tonart (f-Moll) sowieso in der Übernahme einiger Akkorde und Oktavsprünge. Auch Anklänge an Johannes Brahms lassen sich erkennen, konkret zu den Intermezzi op. 117, Nr. 2 und 3, etwa wegen der vorschlagsähnlichen Notenpaare oder der Kollision von ternärer und binärer Rhythmik.[4] Markus Bandur sieht ebenfalls einen Rückgriff auf die Musiksprache früherer Komponisten (konkret zu Brahms und Schubert), es findet aber keine komplexe Bildung von Schichten statt, wie dies wenige Jahre später etwa in Berios Sinfonia der Fall sein sollte.[6]

Auch Malcolm Miller fühlt sich an Brahms erinnert, sieht aber darüber hinaus eine Reminiszenz an Scarlattis f-Moll-Sonate K239.[7] Obwohl die Klavierliteratur weiterhin viele Werke kennt, in denen sich Anklänge an Wasser finden (etwa Chopins Barcarolle oder Liszts Les jeux d’eaux à la Villa d’Este aus den Années de pèlerinage), muss offen bleiben, ob und welchen Einfluss diese auf Berios Komposition Wasserklavier haben.[4] Frank Dawes erkennt in dem Stück jedenfalls einen mediterran-trägen Tonfall.[5] Richard Orton bot sich zudem der Eindruck, dass Berio in seinem Klavierstück laut denke.[8]

Einzelnachweise

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  1. Wasserklavier [original version]. Centro Studi Luciano Berio, abgerufen am 23. Dezember 2024.
  2. Wasserklavier. Centro Studi Luciano Berio, abgerufen am 23. Dezember 2024.
  3. Six Encores. Centro Studi Luciano Berio, abgerufen am 23. Dezember 2024.
  4. a b c Susan Tomes: The Piano. A History in 100 Pieces. Yale University Press, New Haven & London 2021, ISBN 978-0-300-25392-4, S. 277–279.
  5. a b Frank Dawes: Klavierstücke. In: The Musical Times. Band 113, Nr. 1558, Dezember 1972, S. 1221, JSTOR:956643.
  6. Markus Bandur: »I prefer a wake«. Berios Sinfonia, Joyces Finnegans Wake und Ecos Poetik des ›offenen Kunstwerks‹. In: Ulrich Tadday (Hrsg.): Luciano Berio (= Musik-Konzepte. Neue Folge. Band 128). edition text + kritik, München 2005, ISBN 3-88377-784-6, S. 95–109.
  7. Malcolm Miller: London, South Bank and RAM: ‚Omaggio: a Celebration of Luciano Berio‘. In: Tempo. Band 59, Nr. 231, Januar 2005, S. 41–44, JSTOR:3878770.
  8. Richard Orton: Huddersfield Festival. In: The Musical Times. Band 127, Nr. 1716, Februar 1986, S. 101, JSTOR:964575.