Wilhelm von Gutmann

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Wilhelm Ritter von Gutmann

Wilhelm Isaak Wolf, Ritter von Gutmann (* 13. August 1826[1] bzw. 18. August 1826 in Leipnik, Mähren; † 17. Mai 1895 in Wien) war ein österreichischer Unternehmer. Er gründete und führte das größte Kohleunternehmen in Österreich-Ungarn, wurde 1878 nobilitiert und war von 1891 bis 1892 Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG).

Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, erhielt Wilhelm Gutmann zunächst eine Ausbildung als Lehrer und wurde zum Studium der Theologie bestimmt. Der frühe Tod seines Vaters zwang ihn jedoch für seine Mutter und Geschwister zu sorgen. Daher stieg Wilhelm Gutmann zu Beginn der 1850er Jahre in das aufstrebende Kohlegeschäft ein. 1853 gründete er dann zusammen mit seinem jüngeren Bruder David durch den Ankauf von Kohlegruben im Ostrauer Revier das Unternehmen Gebrüder Gutmann, das in den folgenden Jahren sehr rasch eine zentrale Stellung bei der Kohleversorgung Österreich-Ungarns erlangte. Wegen ihres großen wirtschaftlichen Erfolgs wurden die Brüder Wilhelm und David Gutmann bald auch als die „Kohlen-Gutmanns“ oder als die „Krupps“ der Donaumonarchie bezeichnet.

Palais Gutmann in Wien
Villa Gutmann in Baden bei Wien, wo 1945 Max Merz und Elizabeth Duncan wohnten.
„Gutmann-Villa“ in Baden bei Wien[Anm. 1] (Darstellung 1886)[Anm. 2]  [Anm. 3]
Ida von Gutmann-Wodianer (ca. 1899), Gemälde von Eduard Veith

Mit Anselm Salomon von Rothschild schlossen sich die Brüder Gutmann 1865 zum Ausbau der nahe Mährisch Ostrau gelegenen Witkowitzer Eisenwerke zusammen. Sehr früh den Wert des Humankapitals erkennend, waren vor allem ihre sozialen Leistungen für die dort tätigen Arbeiter durch Schaffung von Wohnungen, Kindergärten, Unterrichtsanstalten und anderer sozialer Einrichtungen sowie einer Art Unfall- und Pensionsversicherung von Bedeutung.

Bestandteil der erfolgreichen Unternehmenspolitik war die Zusammenarbeit mit anderen großen Unternehmern, wie Josef Miller von Aichholz und Familie Kuffner oder Alexander von Schoeller. Neben Eisen- und Stahlerzeugung, Kohleförderung und -handel umfasste das Unternehmen der Gebrüder Gutmann bald auch Fabriken für die Zucker- und Spiritus-, Jute-, Soda-, Zellulose- und Schamotterzeugung, eine Waggonfabrik in Stauding und eine Mineralölfabrik in Floridsdorf.

Außerdem besaß Wilhelm von Gutmann im I. Wiener Bezirk am Beethovenplatz 3 das Palais Gutmann, das er 1869–1871 von dem Architekten Carl Tietz im Stil der Neorenaissance errichten ließ.[Anm. 4] Nachdem er 1882 in Baden (Niederösterreich) von Alexander Wielemans von Monteforte und Hugo Zimmermann (1849–1924)[2] auf dem Grundstück Helenenstraße 72 eine Sommervilla „nach den Formen der deutschen Renaissance des Mittelalters“[Anm. 5] hatte erbauen lassen (Bauherrin: Ida von Gutmann)[3], erwarb Wilhelm von Gutmann 1884 dann die 10.000 Hektar umfassende „Herrschaft Jaidhof“ (Gföhl, Niederösterreich). Zu diesem Besitz gehörten auch das Schloss Droß und das Schloss Jaidhof. Letzteres ließ er in der nachfolgenden Zeit von Max von Ferstel umfangreich umbauen.

Auch als Philanthrop war Wilhelm von Gutmann sehr aktiv. So war er zusammen mit seinem Bruder Mitbegründer der Israelitischen Theologischen Lehranstalt sowie Förderer des Beth ha-Midrasch und Stifter des Israelitischen Mädchenwaisenhauses an der Ruthgasse im 19. Wiener Gemeindebezirk (Döbling). Daneben unterstützte er auch andere humanitäre und soziale Projekte, wie die Errichtung einer Kinderabteilung an der Poliklinik in Wien, ein Altersheim in Krems, Stiftungen in Leipnik u. a. Für ihre Verdienste wurden die Brüder Gutmann 1878 schließlich in den erblichen Ritterstand (Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl.) erhoben.

Wilhelm von Gutman war zudem Mitglied des Niederösterreichischen Landtags und von 1878 bis 1884 Mitglied der Handels- und Gewerbekammer (mit dem Titel Kammerrat). Ferner war er Gründer des Industriellenklubs (Vorläufer der heutigen Industriellenvereinigung), des Vereins der Montan-, Eisen- und Maschinenindustriellen in Österreich und des Philanthropischen Vereins Wien. 1891 veröffentlichte Wilhelm von Gutmann seine Memoiren unter dem Titel Aus meinem Leben.[4]

Bestattet wurde Wilhelm Ritter von Gutmann am 19. Mai 1895 auf dem alten israelitischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs (Gruppe 5B) in einem neogotischen Mausoleum, das um 1892/1893 von dem Architekten Max Fleischer entworfen und von Eduard Hauser ausgeführt worden war. Bei der Trauerfeier sprach unter anderem Rabbiner Adolf Schwarz, Rektor der am 15. Oktober 1893 eröffneten Israelitisch-theologischen Lehranstalt (Rabbiner-Seminar) in Wien (Tempelgasse 3),[5] dessen Gründung auf die Initiative von Wilhelm und David von Gutmann zurückgeht.[6]

Wilhelm Gutmann heiratete in erster Ehe Leonore geb. Latzko (1827–1867), aus der die Kinder Berthold (1856–1932), Max von Gutmann (1857–1930) und Rosa (1862–1923) hervorgingen. Nach dem frühen Tod seiner ersten Frau heiratete er Ida geb. Wodianer (1847–1924), Tochter des Druckers, Verlegers und Gutsherrn Philipp (Fülöp) Wodianer (1820–1899)[Anm. 6]. Mit ihr hatte Wilhelm von Gutmann vier weitere Kinder: Marianne (* 1871), Moritz bzw. Moriz[7] (1872–1934), Elisabeth genannt Elsa (1875–1947) sowie Rudolf (1880–1966).

Die Tochter Elsa heiratete 1929 den regierenden Fürsten Franz I. von und zu Liechtenstein (1853–1938) und wurde so zu Fürstin Elsa von und zu Liechtenstein. Die ältere Schwester Marianne war mit dem britischen Zionisten Sir Francis Abraham Montefiore (1860–1935) verheiratet.

  • Marie-Theres Arnbom: Friedmann, Gutmann, Lieben, Mandl und Strakosch. Fünf Familienporträts aus Wien vor 1938. Verlag Böhlau, Wien 2002, ISBN 3-205-99373-X.
  • Otto Wolkerstorfer: Walzerseligkeit und Alltag. Baden in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Grasl, Baden 1999, ISBN 3-85098-243-2.
  • Bettina Nezval: Villen der Kaiserzeit. Sommerresidenzen in Baden. 2., erweiterte Auflage. Berger, Horn/Wien 2008, ISBN 978-3-85028-476-9.

Lexikaeinträge:

  • Salomon Wininger: Große Jüdische National-Biographie. Czernowitz 1927 (Band 2), S. 566f.
  • Encyclopaedia Judaica. 1. Auflage. Keter, Jerusalem 1971 (Band 7), S. 989f.
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Band 2: De–Gy. Kremayr & Scheriau, Wien 1993, ISBN 3-218-00544-2, S. 647.
  • Susanne Blumesberger, Michael Doppelhofer, Gabriele Mauthe: Handbuch österreichischer Autorinnen und Autoren jüdischer Herkunft 18. bis 20. Jahrhundert. Band 1: A–I. Hrsg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. Saur, München 2002, ISBN 3-598-11545-8, S. 485.
Commons: Wilhelm von Gutmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Laut Grabstein
  2. Architekt Hugo Zimmermann †.. In: Badener Zeitung, Nr. 26/1924 (XLV. Jahrgang), 27. Juni 1924, S. 2, Mitte rechts. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/bzt
  3. Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 125.
  4. Wilhelm von Gutmann: Aus meinem Leben. (Nachdruck nach der Originalausgabe von 1891) Verlag Carl Gerold’s Sohn, Wien 1911. (OBV)
  5. Eröffnung der israel(itisch)-theol(ogischen) Lehranstalt in Wien. In: Dr. Blochs Österreichische Wochenschrift, ZDB-ID 2177107-8, 10. Jahrgang 1893, Nr. 42 (vom 20. Oktober 1893), S. 818–822. (Volltext online)
  6. Wilhelm Ritter von Gutmann †. In: Oesterreichische Illustrirte Zeitung, Jahrgang 1895, Nr. 24/1895, S. 8 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/oiz
  7. (Parte): Ida v. Gutmann geb. Wodianer. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 21453/1924, 1. Juni 1924, S. 25 unten. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  1. Von Ida Gutmann bisweilen auch „Villa Ida“ genannt. — 10.2 Brief der Baronin Gutmann (…) 26. Juli [18]92 (…). In: Wolkerstorfer: Walzerseligkeit, S. 374.
  2. Bauumfang 1882: Villa, zwei Wirtschaftsgebäude, Glashaus, Kegelbahn, Salettl, Gartenhaus, Wasserbecken, Wasserschloss mit Grotte.
    Architekt (und Sieger des Wettbewerbs): Alexander von Wielemans; Baumeister: Hugo Zimmermann.
    In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 125.
  3. Nach Angaben von Hugo Zimmermann wurde Erzherzog Wilhelm, der die Baustelle Helenstraße 72 öfter besuchte, durch die entstehende „Gutmann-Villa“ (Hausname) angeregt, auch seinerseits eine Villa im Helenental zu erbauen. Das 1883 in der Nähe der Badener Weilburg im Auftrage des Erzherzogs fertiggestellte Gebäude (Hausname nach 1894: „Eugen-Villa“) bildete gemeinsam mit der „Gutmann-Villa“, laut Zimmermann, zwei Perlen deutscher Renaissancearchitektur im Helenental. – In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 94.
  4. Als Trauerhaus wurde in der Todesanzeige 1895 jedoch Kantgasse Nr. 6 genannt. – Siehe: (…) Wilhelm Ritter v. Gutmann (…). In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 11039/1895, 18. Mai 1895, S. 17, oben. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nfp
  5. Zitat Hugo Zimmermann. In: Nezval: Villen der Kaiserzeit, S. 126.
  6. Nichte von Moritz Wodianer (ab 1863: Freiherr Moritz Wodianer von Kapriora; * 3. November 1810 in Szegedin, † 8. Juli 1885 in Baden bei Wien), dessen Name in einer Geschichte des Finanzwesens Oesterreichs neben Rothschild und den Matadoren des europäischen Geldmarktes eine große Rolle spielen wird. – Siehe: Wodianer von Kapriora, Moriz (…) In: Constantin von Wurzbach: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Band 57/1889, S. 201 f.
    Diesem Onkel und dessen Bedeutung wie Bekanntheit (sowie einem allgemein-gesellschaftlichen, auf Korrektheit nicht bestehenden Servilismus) dürfte es zuzuschreiben sein, dass in Literatur und (zeitgenössischen) Berichten häufig von Baronin Ida Gutmann/Wodianer zu lesen ist: Philipp Wodianer, der Vater, wurde erst 1898, also ein Jahr vor seinem Tode, mit dem Prädikat de/von Vásárhely in den ungarischen Adelsstand erhoben. – Siehe: Tagesneuigkeiten. (…) Philipp v. Wodianer. In: Pester Lloyd, Nr. 18/1899 (XLVI. Jahrgang), 31. Jänner 1899, S. 6, Spalte 2, unten. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/pel