Wolfgang Sofsky

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Wolfgang Sofsky (* 1952 in Kaiserslautern) ist ein deutscher Soziologe, Autor und Essayist.

Sofsky studierte u. a. Soziologie, Philosophie, Politikwissenschaften und Geschichte. 1981 wurde er an der Universität Göttingen promoviert, 1992 habilitierte er sich am selben Ort. Er lehrte dort als außerplanmäßiger Professor für Soziologie und war 1999/2000 Gastprofessor an der Universität Erfurt. Zurzeit lebt er als Schriftsteller, freier Publizist und Privatgelehrter in der Nähe von Göttingen. Sofsky schreibt u. a. für die Literarische Welt, die Neue Zürcher Zeitung, den Schweizer Monat, den Focus, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt sowie für den WDR und das Deutschlandradio Kultur.

Das Denken Sofskys ist von der Sozialphänomenologie, der Philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners, der Soziologie Georg Simmels und der Anthropologie von Elias Canetti geprägt. 1995 schrieb Sofsky über Canetti: „Masse und Macht ist mir unverzichtbar geworden. Wer damit befasst ist zu verstehen, was Menschen einander antun, den lehrt Canetti klare Sicht. Er schafft die Gedankenfreiheit, von der aus man neu beginnen kann. Seine Sätze sind von kristalliner Härte, ohne Ironie und Verachtung, aber auch ohne jenen erbaulichen Humanismus, der noch das Ärgste in das trübe Licht falscher Versöhnung taucht. Nur aus schwärzestem Wissen kann die Hoffnung entstehen, der Macht den Garaus zu machen, könnte das Motto des Buches lauten. Alles andere ist nur Utopie oder Ideologie, stärkt nur den Aberglauben des Optimismus.“[1]

Im Zentrum von Sofskys Schriften steht zunächst die Analyse der Formen sozialer Macht, der Gewalt und des Terrors. Seither widmet er sich den Bedrohungen der Freiheit durch die Politik der Sicherheit, der Zerstörung des Privaten und den vielfältigen Formen menschlicher Unmoral.

Für seine Habilitationsschrift Die Ordnung des Terrors erhielt Sofsky am 24. November 1993 in München den Geschwister-Scholl-Preis. In der Begründung der Jury hieß es: „Seit Eugen Kogons grundlegender Darstellung über den SS-Staat (1946) hat die Erforschung und Beschreibung des Konzentrationslagers als Inbegriff und Zentrum der nationalsozialistischen Menschenvernichtung niemals aufgehört. Dennoch waren die Versuche, zu einer umfassenden Erklärung ihres Funktionierens vorzudringen, eher selten. Sofsky hat sich dieser Aufgabe unterzogen und ein Werk von großer analytischer Kraft und Klarheit vorgelegt. Gestützt auf die Berichte der Überlebenden beschreibt er, wie die Mechanismen ‚absoluter‘ Macht die Menschen existentiell zerbrechen. Raum und Zeit, Arbeit und soziale Strukturen verlieren in der ‚Ordnung des Terrors‘ ihre Orientierungsfunktion.“ Jan Philipp Reemtsma lobte das Buch in der Zeit.

„Das Buch dürfte zu einem Standardwerk zum Thema Gewalt – nicht nur in Konzentrationslagern – werden.“

Karlheinz Dederke: FAZ

Einer der ersten Kritiker des Werkes war damals Harald Welzer. Er sprach im Merkur (H. 1/1994) von einem „hermetischen“ Buch und nannte es „dumm darin, dass es distanzlos im Grauen verweilt, das es zu beschreiben vorgibt“.

Am 20. September 2015 erhielt Sofsky in Edenkoben den Holbach-Preis für sein Gesamtwerk. In der Begründung der Jury hieß es: „Wolfgang Sofsky hat ein überragendes essayistisches Werk geschaffen […] Er ist der Erzähler unter den Essayisten und einer ihrer besten.“ Im März 2016 gründete Sofsky das Holbach-Institut zur Erforschung der kulturellen Macht.[2] Dort wird auch an einem Projekt „Barocco“ zur Kultur- und Machtgeschichte des Barock gearbeitet.[3]

Sofsky gehört neben Götz Aly, Norbert Bolz, Peter Hahne, Monika Maron, Dieter Nuhr, Boris Palmer, Cora Stephan und Günter Wallraff zu den Erstunterzeichnern des am 1. September 2020 von Milosz Matuschek und Gunnar Kaiser (1976–2023) initiierten Appell für freie Debattenräume.[4][5]

  • Sicherheit durch Normalität. Stichworte zur Analyse der Alltäglichkeit. In: Frankfurter Hefte 33 (1978) 29–36.
  • Vom Wert der Arbeit. In: Frankfurter Hefte 36 (1981) 29–36.
  • Endzeiten. Kultursoziologische Notizen zum Weltuntergang. In: Frankfurter Hefte 37 (1982) 59–66.
  • Automatenmenschen und Gesellschaftsmaschinen. In: Frankfurter Hefte 39 (1984) 54–60.
  • Schreckbild Stadt. Stationen der modernen Stadtkritik. In: Die Alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie, Denkmalpflege und Stadtentwicklung 13 (1986) 1–21.
  • Drohungen. Über eine Methode der Interaktionsmacht (mit Rainer Paris). In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 39 (1987) 15–39.
  • Absolute Macht. Zur Soziologie des Konzentrationslagers. In: Leviathan 18 (1990) 518–535.
  • ErlesenZerlesen. In: Süddeutsche Zeitung, 9. März 1995.
  • Gewaltzeit. In: Trutz von Trotha (Hrsg.), Soziologie der Gewalt, Opladen 1997, 102–121.
  • Teilhaben an der Macht der Toten. Von der Gewalt der Masken und ihrem Untergang in Zeiten der Konformität. In: SZ, 8. Februar 1997.
  • Das Gesetz des Gemetzels. Welcher Menschentypus steckt hinter den Exzessen in Algerien, Ruanda und Bosnien? In: Die Zeit, 2. April 1998.
  • Held, Märtyrer und Terrorist in einem: Der Selbstmordattentäter. In: Süddeutsche Zeitung, 19. September 2001.
  • Der Prozess der Gewalt. In: Michael Klein (Hrsg.), Gewalt – interdisziplinär, Münster 2002, 173–184.
  • Das Schwein, der Mensch. Elias Canettis poetische Zoologie. In: SZ, 20. März 2002.
  • Wie gerecht ist die Rache? In: Psychologie Heute 29 (2002), Nr. 4, 56–61.
  • Die halbierte Erinnerung. In: SZ, 5. Dezember 2002, 13.
  • Vor dem Krieg. Ein Drängen, ein Zögern, ein Warten. In: SZ, 6. März 2003.
  • Das normale Gesicht des Bösen. In: Die Welt, 20. März 2003.
  • Prämien, Kopfjagd, Attentate. Politischer Mord und Kriegskunst. In: SZ, 29. September 2003, 14.
  • Ja oder Nein! Was der Demokratie so schwer fällt: die Entscheidung. In: SZ, 8. Oktober 2003, 13.
  • Weder Kopftuch noch Kreuz. In: Die Welt, 18. März 2004.
  • In den Verliesen des Krieges. In: Die Weltwoche Nr. 19/2004, 6. Mai 2004.
  • Jeder hält die Augen offen. Die Gefahren der Terror-Vorsorge. In: SZ, 1. August 2005.
  • Das Prinzip Freiheit. In: Ulrike Ackermann (Hrsg.), Plädoyers für eine offene Gesellschaft, Berlin 2007, 40–61.
  • Amok, der Rausch absoluter Macht. In: Tages-Anzeiger, 13. März 2009.
  • Rache und Gerechtigkeit. In: Berner Zeitung, 7. Mai 2011.
  • „Das eigentliche Element“. Über das Böse, in: Kursbuch 176, 2013, S. 34–46.
  • Die Verleugnung und andere Verfahren des Nichtwissens, in: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur der Pfalz 34/2015.
  • Scarbo, in: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur der Pfalz 41/2018.
  • Heimat. Eine unpolitische Betrachtung, in: Chaussee. Zeitschrift für Literatur und Kultur der Pfalz, 42/2018.
  • Das Volk schaut nur zu. Denn Demokratie ist am Ende Oligarchie., in: Neue Zürcher Zeitung, 19. Februar 2019.
  • Das Soziale wird ausgetrocknet, die Werte verdampfen, die Exekutive übernimmt: Eine neue Zeit beginnt.nzz.ch, in: Neue Zürcher Zeitung, 23. März 2020.
  • Über die Dummheit, in: Neue Zürcher Zeitung, 19. September 2020.
  • Keine Therapie für Terroristen. In: FAZ, 9. November 2001.
  • Wir kehren zurück in historisch normale, gefährliche Zeiten. In: SZ, 24. August 2006, 11.
  • Wie kommt es zu Gewalt? Es geht um Rituale, nicht um Inhalte. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 3. Juni 2007, 30.
  • Die Freiheit ist kein Idyll, sondern eine Aufgabe. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22. Juli 2007, 22.
  • Bombenkrieg: Die Dinge beim Namen nennen. In: GEO Magazin, Nr. 02/2003
  • «Ich nenne das eine genozidale Kriegsführung»: Der Gewaltforscher Wolfgang Sofsky wirft Russland vor, die Ukraine vernichten zu wollen [2] In: Neue Zürcher Zeitung, 2. August 2022
  • Michael Saager: Die Zukunft der Gewalt. Wolfgang Sofsky ist der Nahkämpfer unter den Gewaltsoziologen. In: Jungle World, Nr. 52/2002.
  • Martin Endreß: Entgrenzung des Menschlichen. Zur Transformation der Strukturen menschlichen Weltbezuges durch Gewalt. In: Wilhelm Heitmeyer, Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-518-12246-0, S. 174–201.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. W. Sofsky: ErlesenZerlesen. In: SZ, 9. März 1995.
  2. Holbach-Institut
  3. Barocco
  4. 07.09.2020: Stummgeschaltet (Tageszeitung junge Welt). 6. September 2020, archiviert vom Original am 6. September 2020; abgerufen am 11. März 2022.
  5. Unterzeichner. In: idw-europe.org. 7. Januar 2020, abgerufen am 11. März 2022 (deutsch).