YMOS

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Die Ymos AG (eigenschreibweise YMOS AG) gehörte zu den bedeutenden deutschen Industrieunternehmen im Bereich der Automobilzuliefererindustrie und Sicherheitstechnik. Im Laufe der Jahre 1995 bis 1998 wurde das operative Geschäft sukzessive reduziert und veräußert. Mit der Übernahme der WCM Beteiligungs- und Grundbesitz-Aktiengesellschaft im April 1999 erfolgte die Neuausrichtung der YMOS AG auf das Geschäftsfeld Immobilienverwaltung und Immobilienbeteiligung. Nach der Insolvenz der WCM AG im November 2006 ist die Aktienmehrheit am 26. April 2007 auf die CURA 13. Seniorencentrum GmbH, Hamburg (90,33 %) und die ZVG mbH, Gelsenkirchen (5,17 %) übergegangen. YMOS verwaltet heute die verbliebenen Vermögensgegenstände und betreibt die Entwicklung und Vermietung der ca. 63.000 m² großen Betriebsimmobilie in Obertshausen. Am 1. Dezember 2009 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Offenbach über das Vermögen der YMOS AG das Insolvenzverfahren unter dem Aktenzeichen 8 IN 502/09 eröffnet.[1]

YMOS AG
Rechtsform Aktiengesellschaft
ISIN DE0007847303
Gründung 1929
Sitz Obertshausen
Branche Immobilienverwaltung
Website ymos-ag.de
Stand: 10. September 2024

Die YMOS Metallwerke entstehen in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit, im heutige Stadtteil Hausen mit damals 1500 – 1600 Einwohnern. Die landwirtschaftlichen Erträge werden durch die Erbteilung der Äcker immer karger, viele Einwohner pendelten deshalb in die nahe Stadt Offenbach und wenden sich der Portefeuillerei, dem Lederwarenhandwerk zu.

In diesem Umfeld wird Jakob Wolf am 7. Juni 1899 als Sohn des Landwirtsehepaars Andreas und Anna Maria Wolf aus Hausen geboren. Seine Kindheit und Jugendjahre sind von der Arbeit auf dem elterlichen Bauernhof geprägt. Das erste selbstverdiente Geld stammt aus der Reparatur von Fahrrädern, dem Austragen von Zeitungen und dem Kassieren von Beiträgen. Da Jakob Wolf bei der Reparatur von Fahrrädern erkennt, dass ihm dies neben dem Geldverdienst auch noch Freude macht, entschließt er sich, den Beruf des Schlossers zu erlernen. Im Mai 1917 legt er die Gesellenprüfung als Maschinenschlosser ab.

Nach seiner Ausbildung erkennt Jakob Wolf die Möglichkeiten für eine eigene Fabrikation, denn der Bedarf des Lederwarenhandwerks an Metallbeschlägen, an Schlössern für Taschen ist groß. Bis dahin werden die meisten Metallteile aus Thüringen beschafft. Nachdem Jakob Wolf seine Frau, die Tochter des letzten Müllers der Obermühle August Jäger, im Mai 1925 geheiratet hat, macht er sich am 1. September 1925 selbständig. Seiner Frau bleibt es im ersten Jahr ihrer Ehe vorbehalten, den Lebensunterhalt der jungen Familie durch Bügeln von Hemden zu bestreiten. So kann der Verdienst von Jakob Wolf in der neugegründeten Firma verbleiben. Dadurch ist es möglich 1300 Mark zusammenzusparen, und im Jahr 1926 die erste Werkstatt einzurichten. Diese Werkstatt befindet sich in der Obermühle, dem Anwesen seiner Schwiegereltern, in einem kleinen Schuppen. Seine Ehefrau und ein kleiner Mitarbeiterstab bilden die erste „Betriebsgemeinschaft“. Hergestellt werden neben Metallteilen auch Zubehör für Damenhandtaschen: Dosen, Spiegel, Kämme. Als gut ausgebildeter Werkzeugschlosser und Maschinenbauer versteht er es, viele Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Die Wolfschen Bügel und Schlösser sind in der Lederwarenbranche begehrt, und man kann eine größere Werkstatt in der Steinheimer Straße 11 errichten. Hier wird ein vormals landwirtschaftliches Gebäude zur neuen Werkstatt ausgebaut.

Gründung Jakob Wolf & Co.

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Zusammen mit Friedrich Karl Becker aus Offenbach, gründet er 1929 die Firma Jakob Wolf & Co. Der Metallschlosser Jakob Wolf und der Kaufmann Fritz Becker, tragen nun zum rasanten Aufstieg ihres Unternehmens bei.[2]

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg steigt die Belegschaft von anfänglich 10, auf 270 Mitarbeiter im Jahr 1936 an, die sich zu 2/3 aus weiblichen Arbeitskräften zusammensetzt. Im Gegensatz dazu wird durch die Ausweitung des Unternehmens in Hausen der Mangel insbesondere an weiblichen Arbeitskräften immer spürbarer. Die beiden Inhaber gründen deshalb im Jahr 1937 in Waldaschaff bei Aschaffenburg einen Zweitbetrieb. Ein Jahr später kann hier der Betrieb mit 80 neuen Mitarbeitern begonnen werden.

Bis zum Jahr 1939 fertigt das Unternehmen Taschenbügel und Schlösser für die lederverarbeitende Industrie. Ein Großteil der Lederwarenfabriken gehört zu dieser Zeit jüdischen Geschäftsleuten.

Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus

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Von der NSDAP wollen Jakob Wolf und Fritz Becker Abstand halten. Sie lehnten es auch ab, in die Partei einzutreten, selbst als man ihnen droht, sie einzuziehen.[3] Da die Firma bis ins Jahr 1938 enge Geschäftsbeziehungen zu jüdischen Geschäftsleuten unterhält, werden Jakob Wolf und Fritz Becker mehrfach als „weiße“ Juden beschimpft und dies mit Ölfarbe auch so an ihre Häuser geschrieben. Da ihre Firma im Zweiten Weltkrieg aber – wie die meisten Metallfabriken im Deutschen Reich – auf die Fertigung „kriegswichtiger Güter“ umgestellt wird, bleibt ihnen dieses Schicksal erspart. Auch die meisten Mitarbeiter werden anfangs nicht eingezogen, sondern müssen nun für die Rüstungsindustrie arbeiten. Ab 1940 werden dann aber für die Produktion immer mehr Zwangsarbeiter aus Russland, Frankreich und den Niederlanden eingesetzt. Bei diesen „Fremdarbeiter“ handelt es sich in der Regel um Kriegsgefangene, die nun zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie gezwungen werden. Die Zwangsarbeiter sind hauptsächlich in einem Barackenlager auf dem Vereinsgelände des FC Teutonia untergebracht, zu Kriegsende beträgt ihre Anzahl ca. 500 Personen.[4]

In den Kriegsjahren werden hauptsächlich Alu-, Zink- und Messingteile für Nachrichtengeräte und Mienenringe im Druckgussverfahren hergestellt. In der Nacht vom 25. Auf den 26. März 1945 wird die Produktion dann aber schlagartig eingestellt. Zuletzt sollen noch Kreiselrädchen in einer Vierfach-Druckgussform hergestellt werden. Diese Rädchen sollen zu einem Steuergerät gehören, das Raketen automatisch an Flugzeuge oder an Ziele auf der Erde heranleitet. Doch kurz vor dem Start der Produktion ist der Krieg zu Ende, und die neue „Wunderwaffe“ kommt nicht mehr zum Einsatz.

Umfirmierung in YMOS

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Ein bedeutsamer Tag für das Hausener Metallwerk ist der 1. Juli 1955. Hier erfolgt die Umfirmierung der Jakob Wolf und Co. KG in die YMOS-Metallwerke Wolf und Becker GmbH. Der Firmenleitung gefiel damals der auch im Amerikanischen sehr gebräuchliche Werbeslogan „You must observe security“ (Sie müssen die Sicherheit beachten) sehr gut. Dieses oberste Gebot in den Werkshallen gab den Anlass, die Anfangsbuchstaben des amerikanischen Spruches zu „YMOS“ zusammenzuziehen. Der Spruch war aber auch zugleich ein Hinweis auf die Produktion von Sicherheitsschlössern.

Aufgrund seiner Verdienste um die Allgemeinheit, die sich Jakob Wolf mit seiner Initiative in den YMOS-Werken – Gründung einer Ausbildungsförderungsstiftung, eines Werkskindergartens, Bau von Gastarbeiterwohnheimen, zusätzliche innerbetriebliche Altersversorgung und dem Bau von werkseigenen Wohnungen – erworben hat, wird er 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz sowie 1966 mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Gemeinde Hausen geehrt. Wolfs Partner Friedrich Karl Becker erlebte diese Ehrungen leider nicht mehr, er war bereits im Mai 1960 verstorben.

Automobilzulieferer

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Mit dem Boom in der Automobilbranche boomte auch das Unternehmen, nahezu jeder deutsche Autohersteller steht auf der Kundenliste – die Qualität der Zulieferteile „Made in Hausen“ genießt einen hervorragenden Ruf. Nach der Aufnahme von Kunststofferzeugnissen im Jahr 1968, hat die Firma YMOS 1970 knapp 3500 Mitarbeiter. Die Firma expandierte weiter. 1971 kann die Produktion im neuen Werk Idar-Oberstein aufgenommen werden, und 1974 fusioniert YMOS mit CASI, der Karl Sievers KG. Somit hat das Werk in Heiligenhaus bei Düsseldorf Einzug in die Firma YMOS gehalten. Mit dieser Übernahme wird das Produktionsprogramm von YMOS um Verriegelungen für Haushaltsgeräte und Schienenfahrzeuge ergänzt. 1977 setzt YMOS als eine der ersten Firmen die neue Technologie der Pulverbeschichtung, eine Methode der Oberflächenveredlung, ein. Vier Jahre später werden computerunterstützte Fertigungsmethoden eingeführt. Im selben Jahr beginnt YMOS mit der Produktion einer neuen Art von Aluminium-Fensterrahmen, die für die Marke Audi von YMOS mitentwickelt wird.[5]

Gang an die Börse

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Bis ins Jahr 1983 ist die YMOS-Metallwerke Wolf & Becker GmbH und Co. ein reines Familienunternehmen. Durch das weiter starke Wachstum des Unternehmens und den damit einher gehenden starken Kapitalbedarf, entschließen sich die Eigentümerfamilien zum Gang an die Börse. Da die Familien Wolf und Becker aber weiterhin Entscheidungshoheit haben wollen, werden Stammaktien und die Vorzugsaktien ausgegeben. Die Stammaktien mit Stimmrecht verbleiben im Besitz der Familien. Die Besitzer von Vorzugsaktion hingegen haben kein Stimmrecht und werden dafür mit einer höheren Gewinnausschüttung bedacht.[6]

Anfangs werfen die Vorzugsaktien gute Gewinne ab. Gegen Ende der 1980er Jahre kommt das Unternehmen aber in schwere Turbulenzen und kann nicht einmal mehr die Abschreibungen und die Kapitalkosten voll verdienen. Die Dividenden an die Aktionäre gingen darauf hin stark zurück und der Wert der YMOS-Aktie rauschte in den Keller.

Verkauf an Cockerill Sambre

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Mit dem Verkauf aller Werkswohnungen an die Mieter beginnt im Jahr 1989 bei der YMOS AG der erste große Ausverkauf. Die erzielten Einnahmen aus diesen Verkäufen reichen aber bei weitem nicht aus, das Unternehmen wieder auf ein solides finanzielles Fundament zu stellen.

Abhilfe erhofft man sich durch den Einstieg eines solventen Großaktionärs. Ein Jahr später veräußern deshalb die Familiengesellschafter ihre Firmenanteile an den belgischen Stahl- und Industriekonzern Cockerill Sambre, der somit als Mehrheitsaktionär bei der YMOS AG einsteigt.[7] Cokerill hält nun 95 Prozent der Aktien, die restlichen 5 Prozent teilen sich rund 7000 Kleinaktionäre. Hans Wolf gab in dieser Zeit aus gesundheitlichen Gründen seinen Vorstandsposten ab, Thomas Becker verblieb vorerst auf seiner alten Position. 5150 Mitarbeiter waren im Jahr 1989 bei der YMOS AG in sechs Werken beschäftigt.

Neuausrichtung im Immobiliengeschäft

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Mit der Übernahme durch die WCM Beteiligungs- und Grundbesitz-Aktiengesellschaft im April 1999, erfolgte die Neuausrichtung der YMOS AG auf das Geschäftsfeld Immobilienverwaltung und Immobilienbeteiligung. Die YMOS AG als Zulieferer für die Automobilindustrie war somit endgültig Geschichte. Hauptaufgabe der WCM war die Vermarktung der verbliebenen 70.000 Quadratmeter Industriebrache des alten industriellen Produktionsgeländes der YMOS AG. Seit Ende der 1980er Jahre laufen denn auch unter Federführung der YMOS Untersuchungen darüber, welche Altlasten in dem Gelände schlummern. Die Sanierungskosten werden inoffiziell auf einen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt.

Nach der Insolvenz der WCM AG im November 2006 geht die Aktienmehrheit von 90,33 Prozent im April 2007 auf die Cura Unternehmensgruppe aus Hamburg über. Neuer (und letzter) Vorstandsvorsitzender der YMOS AG wird nun Wilfried Hüge.[8]

Am 27. August 2009 ist in der Frankfurter Rundschau zu lesen, dass der frühere Autozulieferer YMOS aus Obertshausen die Aufnahme eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht in Offenbach beantragt hat.[1]

Einzelnachweise

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  1. a b Ymos meldet Insolvenz an und stoppt Rentenzahlungen. 26. August 2009, abgerufen am 26. September 2024.
  2. Stadt Obertshausen | Herr Jakob Wolf |. Abgerufen am 26. September 2024.
  3. H11 YMOS Metallwerke – Aufstieg und Niedergang von Hausens größtem Unternehmen – Heimat- und Geschichtsverein Obertshausen e.V. Abgerufen am 26. September 2024 (deutsch).
  4. Heimat- und Geschichtsverein stellt Tafeln zur Historie in den Stadtteilen auf. 7. Januar 2022, abgerufen am 26. September 2024.
  5. Polen: Kunststoffverarbeiter YMOS schließt Rahmenverträge mit VW. Abgerufen am 26. September 2024.
  6. historische alte Aktien und Wertpapiere,Sammleraktien von HAHN: Ymos AG Industrieprodukte. Abgerufen am 26. September 2024.
  7. YMOS: Geschäftsbericht 2002. In: YMOS AG. YMOS AG, 31. Dezember 2002, abgerufen am 26. September 2024.
  8. Abschied von Ymos-Ruinen. 8. November 2017, abgerufen am 26. September 2024.