Zahlen-Verbindungs-Test

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) ist ein sprachfreier Intelligenztest, der jene Leistungsgeschwindigkeit misst, die allen Intelligenzleistungen zugrunde liegt. Diese korrespondiert mit Fähigkeitsbündeln, welche in der Literatur als "perceptual speed" oder "Verarbeitungsgeschwindigkeit" bezeichnet werden.

Der Test wurde von Wolf Oswald und Erwin Roth 1978 entwickelt und liegt seit Januar 2016 in einer dritten, komplett überarbeiteten und neu normierten Auflage vor. Der Zahlen-Verbindungs-Test ist dazu geeignet, milieuunabhängige, d. h. genetisch vorgegebene Leistungsunterschiede in den o. g. Bereichen zu messen und lässt Rückschlüsse auf das allgemeine Intelligenzniveau eines Probanden zu. Der Test weist einen breiten Anwendungsbereich auf und ist ohne großen Aufwand durchzuführen.

Theoretische Grundlagen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Wolf D. Oswald wurde 1970 ein Mehrfachwahl-Reaktionstest auf der Grundlage einer sprachunabhängigen Alltagsfähigkeit – dem Zählen – weiterentwickelt. Vorbild war der Trail Making Test (TMT) von Reitan aus dem Jahr 1956. Die Zahlen sind dort zufällig auf einem Blatt verteilt und müssen vom Probanden so rasch wie möglich miteinander verbunden werden. Beim Zahlen-Verbindungs-Test ist die Anordnung der Zahlen systematisch und die nächsthöhere Zahl jeweils in unmittelbarer Nachbarschaft der vorherigen Zahl zu finden, was eine Quantifizierung der einzelnen Mehrfachwahl-Handlungen in Bit und damit die Konstruktion von Parallelversionen ermöglicht. Der Zusammenhang zwischen Mehrfachwahl-Reaktionstempo und Intelligenz konnte in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen werden. Die Messung von Mehrfachwahl-Reaktionszeiten erfordert weder eine sprachliche Leistung, noch eine dem Alter angepasste Aufgabenstruktur.

Einsatzbereiche

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Test weist einen breiten Anwendungsbereich auf: In der Grundversion mit Normwerten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene von 7 bis 80 Jahren aus allen Bildungsbereichen. Voraussetzung für die Durchführung ist das Beherrschen des Zahlenraumes bis 100 sowie das sichere Führen eines Stiftes. Der Test ist als Einzel- und Gruppentest durchführbar und aufgrund seiner Bearbeitungszeit von circa 4 Minuten in der Gruppentestvariante bzw. circa 10 Minuten in der Einzeltestvariante und seiner Anwendungsart als Paper-Pencil-Test als sehr ökonomisch anzusehen.

Zum Einsatz kommt der ZVT in der Klinischen Neuropsychologie zur Diagnostik hirnorganischer Erkrankungen, um das Ausmaß von Leistungseinbußen durch Krankheitsprozesse zu dokumentieren. Zudem wird er in der schulischen Differenzialdiagnostik, in der Entwicklungs-, Differentiellen und Allgemeinen sowie in der Angewandten Psychologie genutzt. Des Weiteren findet er Anwendung im Rahmen von Verkehrsgutachten, in der wissenschaftlichen und klinischen Forschung zur Interventionsüberprüfung und Verlaufsdokumentation, bei Testvalidierungen sowie bei Personalberatungsfirmen.

Für ältere Probanden (55 bis 95 Jahre) und Fragestellungen aus dem geronto-psychologischen Bereich wurde eine eigenständige Version in Form des Zahlen-Verbindungs-Test-G (ZVT-G) konzipiert, welcher Bestandteil des Nürnberger-Alters-Inventars ist.

Der Untersucher legt dem Patienten 4 Matrizen mit jeweils 90 scheinbar willkürlich angeordneten Zahlen vor. Der Patient soll die Zahlen in ihrer numerischen Reihenfolge so schnell wie möglich aufsteigend miteinander verbinden, wobei sich die jeweils nachfolgende Zahl immer in unmittelbarer Nähe der vorherigen befindet. Der Proband muss nacheinander vier Parallelversionen bearbeiten, wobei der Versuchsleiter die jeweils benötigte Zeit in Sekunden notiert und dann einen Durchschnittswert bildet. In der Gruppentestung wird die Bearbeitungszeit auf 30 Sekunden (bzw. 60 Sek. bei 7-9-Jährigen) pro Blatt begrenzt und die jeweils erreichte Zahl notiert. Aus den nach Altersklassen, Schulformen, klinischen ICD-Diagnosen und Testvarianten getrennten Normwerttabellen können IQ-Werte, Prozentränge, Centile, z- und T-Werte sowie Standardwerte entnommen werden.

Die Normwerte der Neuauflage 2016 wurden aus einem Datenpool von 24971 Datensätzen generiert. Durchführungs- als auch Auswertungsobjektivität sind gegeben.[1] Für die Test-Reliabilität wurden Werte von r = .81 bis .97 errechnet.[2] Zur Validität liegen umfangreiche Angaben vor: Der Test korreliert mit traditionellen Intelligenztests mittel bis hoch,[3] mit Schulnoten und Schulleistungstests[4][5] eher gering, mit Konzentrationstests gering bis mittel,[6] mit Evozierten Potentialen und mit weiteren Aktivierungsparametern systematisch.[7] In Zwillingsuntersuchungen erwies sich der ZVT als wenig milieuabhängig und stärker genetisch verankert als traditionelle Intelligenztests.[8] In neuropsychologischen Untersuchungen bewährte sich der ZVT als ein sensitives Instrumentarium bei Hirnleistungsstörungen und deren Behandlung[9] sowie bei Depressionen[10] und Schizophrenien.[11]

  • W. D. Oswald, E. Roth: Der Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT). Ein sprachfreier Intelligenz-Test zur Messung der „kognitiven Leistungsgeschwindigkeit“. Handanweisung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Hogrefe, Göttingen 1987, DNB 930013980.
  • W. D. Oswald: Zahlen-Verbindungs-Test ZVT. 3., überarbeitete und neu normierte Auflage. Hogrefe, Göttingen 2016, OCLC 947953323.
  • W. D. Oswald, U. M. Fleischmann: Das Nürnberger-Alters-Inventar.(NAI). Testinventar, NAI-Testmanual und Textband. Hogrefe, Göttingen 1999.
  • A. M. Plohmann: Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT). Testrezension. In: D. Schellig, R. Drechsler, D. Heinemann, W. Sturm (Hrsg.): Handbuch neuropsychologischer Testverfahren. Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutive Funktionen. Hogrefe, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8017-1857-2, S. 73–83.
  • P. A. Vernon: Der Zahlen-Verbindungs-Test and other Trail-Making correlates of general intelligence. In: Personality and Individual Differences. Band 14, Nr. 1, 1993, S. 35–40. ISSN 0191-8869
  • A. Büttner, R. Alnabary, K. H. Rühle: Gedächtnisprozesse bei obstruktivem Schlaf-Apnoe-Syndrom vor und unter CPAP-Therapie. In: Nervenheilkunde. Band 26, Nr. 11, 2007, S. 1018–1028. ISSN 0722-1541
  • M. S. Angst, N. G. Philips, D. R. Drover, M. Tingle, J. L. Galinkin, U. Christians, G. E. Swan, L. C. Lazzeroni, J. D. Clark: Opioid Pharmacogenomics Using a Twin Study Paradigm. Methods and Procedure for Determining Familial Aggregation and Heritability. In: Twin Research and Human Genetics. Band 13, Nr. 5, 2010, S. 412–425. ISSN 1832-4274
  • G. P. Amminger, M. Schäfer, K. Papageorgiou, C. Klier, M. Schlöglhofer, N. Mossaheb, S. Werneck-Rohrer, B. Nelson, P. McGorry: Emotion Recognition in Individuals at Clinical High-Risk for Schizophrenia. In: Schizophrenia Bulletin. Band 38, Nr. 5, 2012, S. 1030–1039. ISSN 0586-7614

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. K.-D. Hänsgen: Testrezension zu Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT). In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie. Band 9, Nr. 2, 1988, S. 310–311.
  2. P. A. Vernon: Der Zahlen-Verbindungs-Test and other Trail-Making correlates of general Intelligence. In: Personality and Individual Differences. Band 14, Nr. 1, 1993, S. 35–40.
  3. T. H. Rammsayer, J. Stahl: Identification of sensorimotor components accounting for individual variability in Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) performance. In: Intelligence. Band 35, 2007, S. 623–630.
  4. H. Rindermann, A. C. Neubauer: Processing speed, intelligence, creativity, and school performance. Testing of causal hypotheses using structural equation models. In: Intelligence. Band 32, 2004, S. 573–589.
  5. H. Rindermann, A. C. Neubauer: Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und Schulerfolg. Weisen basale Maße der Intelligenz prädiktive Validität auf? In: Diagnostica. Band 46, Nr. 1, 2000, S. 8–17.
  6. L. Schmidt-Atzert, M. Bühner, P. Enders: Messen Konzentrationstests Konzentration? Eine Analyse der Komponenten von Konzentrationsleistungen. Sonderdruck aus: Diagnostica. Band 52, Nr. 1, 2006, S. 33–44.
  7. V. De Pascalis, V. Varriale: Intelligence and Information Processing - A Mismatch Negativity Analysis Using a Passive Auditory Backward-Masking Task. In: Journal of Individual Differences. Band 32, Nr. 2, 2012, S. 101–108.
  8. G. A. Lienert, A. Gebert, I. Haimerl: Ist die Zwillingsforschung noch zeitgemäß? In: W. Michaelis (Hrsg.): Bericht über den 32. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie in Zürich 1980. Göttingen 1981, S. 488–489.
  9. H. Hildebrandt, A. Haldenwanger, P. Eling: False recognition Helps to Distinguish Patients with Alzheimer’s Disease and Amnestic MCI from Patients with Other Kinds of Dementia. In: Dementia and Geriatric Cognitive Disorders. Band 28, 2009, S. 159–167.
  10. M. Majer, M. Ising, H. Künzel, E. B. Binder, F. Holsboer, S. Modell, J. Zihl: Impaired divided attention predicts delayed response and risk to relapse in subjects with depressive disorders. In: Psychological Medicine. Band 34, 2004, S. 1453–1463.
  11. T. Wobrock, U. Ecker, H. Scherk, T. Schneider-Axmann, P. Falkai, O. Gruber: Cognitive impairment of executive function as a core symptom of schizophrenia. In: The World Journal of Biological Psychiatry. Band 29, 2008, S. 1–10.