Ad-hoc-Gesetzgebung

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Mit dem Begriff Ad-hoc-Gesetzgebung (von lat. ad hoc = zu diesem Zweck, aus dem Augenblick heraus [entstanden];[1] auch Gelegenheitsgesetzgebung,[2] in Österreich Anlassgesetzgebung)[3] bezeichnet man eine anlassbezogene Rechtssetzung zur kurzfristigen Schließung einer (vermeintlichen) Gesetzeslücke.[4] Das Deutsche Wörterbuch verstand darunter bereits im 19. Jahrhundert ein „gesetz das mehr beiläufig einer bestimmten gelegenheit zu gefallen gegeben wird.“[5] Rechtshistorisch steht die kasuistische Ad-hoc-Gesetzgebung im Gegensatz zu einer planvollen, systematischen Kodifikation.[6][7][8]

Ad-hoc-Gesetze kommen zwar in einem regulären Gesetzgebungsverfahren zustande, stellen aber bestimmte Rechtsförmlichkeiten, die Gesetzesfolgenabschätzung und damit die Kohärenz der Rechtsordnung insgesamt hintan.[9] Sie werden anlässlich eines Einzelfalls oder einer Serie ähnlicher Fälle, die die Ausformung des Gesetzes entscheidend prägen, erlassen, beanspruchen aber anders als ein Einzelfallgesetz Geltung für eine unbestimmte Vielzahl zukünftiger Fälle. Ihre Geltungsdauer ist anders als bei sog. Zeitgesetzen gem. § 2 Abs. 4 StGB unbefristet.[10]

Ad-hoc-Gesetzgebung wird als überstürzte und damit meist unsystematische gesetzgeberische Reaktion unter dem Einfluss einer durch ein auslösendes Ereignis hervorgerufenen öffentlichen Diskussion und massiver Medienberichterstattung zu einem bestimmten Thema kritisiert.[11]

Beispiele einer solchen Gesetzgebung sind die Reaktion auf die Kölner Silvesternacht[12] oder das Finanzmarktrecht.

Einzelnachweise

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  1. ad hoc duden.de, abgerufen am 15. Januar 2021.
  2. vgl. Der Kautschuk-Akt Der Spiegel, 30. März 1960.
  3. Hannah Maria Schöffmann: Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Zulässigkeit von Anlassgesetzgebung in Österreich. Karl-Franzens-Universität, Graz August 2017, urn:nbn:at:at-ubg:1-118919 (Diplomarbeit).
  4. Klaus Hoffmann-Holland: Der Modellgedanke im Strafrecht: eine kriminologische und strafrechtliche Analyse von Modellversuchen. Mohr Siebeck, 2007, ISBN 978-3-16-149071-2, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1883), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2952, Z. 47.
  6. vgl. Hans-Peter Dick: Das juristische Wirken von Franz von Zeiller. Die Entstehung des ABGB. GRIN Verlag, 2018. ISBN 978-3-668-64990-3.
  7. Friedrich Schaffstein: Vom crimen vis zur Nötigung. Eine Studie zur Tatbestandsbildung im Gemeinen Strafrecht. In: Günter Warda, Heribert Waider, Reinhard von Hippel, Dieter Meurer (Hrsg.): Festschrift für Richard Lange zum 70. Geburtstag. 1976, S. 983 ff.
  8. Melchior Stenglein: Gelegenheitsgesetze Deutsche Juristen-Zeitung 1900, S. 107–110.
  9. vgl. Constantin Hruschka: Ad-Hoc-Reparaturbetrieb statt kohärenter Rechtsrahmen: das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ 21. Mai 2019.
  10. Dorothea Meurer-Meichsner: Untersuchungen zum Gelegenheitsgesetz im Strafrecht. In: Strafrechtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 18, Berlin: Duncker & Humblot, 1974 (Google-Vorschau)
  11. Theodor Lenckner: Ad-hoc-Gesetzgebung. In: 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland – 40 Jahre Rechtsentwicklung. 1990, S. 342. Zitiert nach: Uwe Scheffler: Das Reformzeitalter 1953 - 1965. S. 252 (europa-uni.de [PDF; abgerufen am 14. Oktober 2018]). Das Reformzeitalter 1953–1965 (Memento des Originals vom 9. Oktober 2018 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rewi.europa-uni.de
  12. Stenografischer Bericht 183. Sitzung. Deutscher Bundestag, 7. Juli 2016, ISSN 0722-8333, Plenarprotokoll 18/183, S. 18133 (bundestag.de [PDF; abgerufen am 14. Oktober 2018]).