Andreas Tilp

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Andreas Werner Tilp (* 24. März 1963 in Plochingen[1]; † 1. April 2021 nahe Tübingen[2]) war ein deutscher Rechtsanwalt.[3]

Tilp wuchs in Ebersbach an der Fils auf. Ab dem Wintersemester 1985 studierte er Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen. 1994 schloss er seine Referendarzeit in Baden-Württemberg mit dem zweiten Staatsexamen ab und gründete in Tübingen seine eigene Kanzlei, welche 1998 nach Kirchentellinsfurt umzog und seit 2011 unter TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH firmiert. Die Kanzlei war von Anfang an auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisiert und vertritt ausschließlich Anleger und Investoren. 2004 gründete er mit der TILP PLLC eine Anwaltskanzlei in New York, es folgten weitere in der Schweiz und in Funchal auf Madeira.[4] Seit 2004 war Tilp zudem Dozent bei der Deutschen Anwaltakademie.[5] Er nahm mehrfach als offiziell bestellter Sachverständiger an Anhörungen im Deutschen Bundestag, bei der EU-Kommission und von Regierungskommissionen teil, unter anderem bei der Reform des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) und beim AIFM-Umsetzungsgesetz.

Im Dezember 2006 urteilte der Bundesgerichtshof (BGH), dass Banken verpflichtet sind, Anleger über sogenannte Kick-backs zu informieren und Anlegern bei nicht hinreichender Information Schadensersatz zusteht. Tilp vertrat in diesem Prozess den klagenden Anleger. In einem weiteren Urteil entschied der BGH 2014, dass dem Kunden alle Provisionen offengelegt werden müssen.[6]

Ab 2007 vertrat Tilp den Musterkläger im Verfahren gegen die Deutsche Telekom, der vorgeworfen wurde, im Rahmen ihres dritten Börsengangs der sogenannten T-Aktie im Jahr 2000 in Börsenprospekten fehlerhafte Informationen veröffentlicht zu haben. Nachdem das Oberlandesgericht Frankfurt im Mai 2012 den Prospekt noch gebilligt hatte, gab der Bundesgerichtshof im Oktober 2014 dem Musterkläger im zentralen Punkt Recht.[7][8][9][10] Während des Verfahrens kritisierte Tilp das von ihm später mitreformierte KapMuG, da dieses weder die Masse von Einzelklagen verhindert, noch die Position der einzelnen Kläger verbessert habe.[11]

Beim 2010 begonnenen Musterverfahren gegen die Hypo Real Estate wegen Bilanzmanipulation und Prospekthaftung vertrat Tilp ebenfalls den Musterkläger. Das Oberlandesgericht München entschied, dass im Börsenprospekt fehlerhafte Angaben verbreitet wurden und die Anleger nicht ausreichend über Verluste infolge der Wertpapierkrise in den USA informiert worden seien.[12][13][14]

Im November 2014 beantragte Tilp, der bereits Vertreter zweier Porsche-Klagen einer Anleger-Institution war, ein Musterverfahren gegen die Porsche SE. Dieser wird vorgeworfen, in Bezug auf den Kauf von Aktien der Volkswagen AG mehrfach falsche Informationen verbreitet und damit Anleger geschädigt zu haben.[15]

Im Zuge des VW-Abgasskandals vertrat Tilp vor dem Landgericht Braunschweig einen Anleger, der 20.000 Euro Schadensersatz von der Volkswagen AG fordert. Auch dieses Verfahren wurde zum Musterverfahren bestimmt.[16][17][18][19][20]

Tilp war Mitglied der Deutsch-Amerikanischen Juristen-Vereinigung und von 2011 bis 2018 Stellvertretender Vorsitzender des DAV-Gesetzgebungsausschusses für Bank- und Kapitalmarktrecht. Von 1997 bis 2011 war er Mitherausgeber der Zeitschrift Verbraucher und Recht.

Tilp war verheiratet und hatte drei Kinder.

Andreas Tilp starb am 1. April 2021 in der Nähe seines Wohnorts Tübingen an einer Kopfverletzung, als er mit seinem Pedelec ohne Fremdeinwirkung von einem Waldweg abkam und einen Abhang hinabstürzte.[2][21][22]

Während seines Studiums verlor Tilp bei kreditfinanzierten Spekulationsgeschäften am Schwarzen Montag, dem 19. Oktober 1987, mehr als 400.000 Mark, konnte sich aber erfolgreich dagegen wehren, die Schulden zurückzahlen zu müssen. Er selbst gab an, dadurch sein juristisches Fachgebiet gefunden zu haben.[1]

Schriften (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Stefan Allmendinger, Andreas Tilp: Börsentermin- und Differenzgeschäfte: Unverbindlichkeit, Aufklärungspflichten. RWS Verlag, Köln 1998, ISBN 3-8145-0287-6.

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Michael Gerster: Andreas Tilp – Frontmann für Anlegerrechte. In: stuttgarter-nachrichten.de. Stuttgarter Nachrichten, 28. Dezember 2014, abgerufen am 5. September 2015.
  2. a b Andreas Tilp: Anlegeranwalt tödlich verunglückt. In: manager-magazin.de. Manager Magazin, 7. April 2021, abgerufen am 7. April 2021.
  3. Andreas W. Tilp. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, archiviert vom Original am 7. April 2021; abgerufen am 7. April 2021.
  4. Die Kanzlei. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, archiviert vom Original am 7. April 2021; abgerufen am 7. April 2021.
  5. Andreas W. Tilp. In: anwaltakademie.de. Deutsche Anwaltakademie, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. März 2016; abgerufen am 5. September 2015.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.anwaltakademie.de
  6. Markus Zydra: Transparenz von Provisionen für Bankberater – Wie Schmiergeld. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 24. Juli 2014, abgerufen am 6. September 2015.
  7. Markus Zydra: Der Bund hält Akten zurück. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 11. Mai 2010, abgerufen am 6. September 2015.
  8. Joachim Jahn: Andreas Tilp – Der Fachmann für Massenklagen. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11. Dezember 2014, abgerufen am 6. September 2015.
  9. Telekom-Prozess: Kanzlei TILP erringt vor dem Bundesgerichtshof Etappensieg gegen die Deutsche Telekom AG. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, 11. Dezember 2014, archiviert vom Original am 27. April 2017; abgerufen am 7. April 2021.
  10. Andreas Toller: Anlegeranwalt Andreas Tilp – Ich empfehle der Telekom einen Gesamtvergleich. In: wiwo.de. Wirtschaftswoche, 19. Dezember 2014, abgerufen am 6. September 2015.
  11. Daniela Kuhr: Sammelklagen floppen in Deutschland. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 24. April 2012, abgerufen am 6. September 2015.
  12. Thomas Magenheim-Hörmann: Hypo Real Estate HRE – Steuerzahlern drohen hohe Kosten. In: fr-online.de. Frankfurter Rundschau, 15. Dezember 2014, abgerufen am 6. September 2015.
  13. HRE drohen Klagen über Hunderte Millionen Euro. In: sueddeutsche.de. Süddeutsche Zeitung, 15. Dezember 2014, abgerufen am 6. September 2015.
  14. HRE-Prozess: Kanzlei TILP obsiegt im Musterverfahren gegen die Hypo Real Estate vor dem Oberlandesgericht München. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, 15. Dezember 2014, archiviert vom Original am 27. April 2017; abgerufen am 7. April 2021.
  15. Porsche: TILP beantragt Musterverfahren. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, 8. Dezember 2014, archiviert vom Original am 27. April 2017; abgerufen am 7. April 2021.
  16. JUVE – www.juve.de: Dieselskandal: OLG Braunschweig bestimmt Tilp-Mandant Deka zum Musterkläger «  JUVE. Abgerufen am 11. März 2017.
  17. VW Volkswagen Schadensersatz Abgas Manipulation. In: tilp.de. TILP Rechtsanwaltsgesellschaft, 8. März 2016, archiviert vom Original am 8. September 2017; abgerufen am 7. April 2021.
  18. Erster deutscher Anleger klagt gegen Volkswagen. In: faz.net. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1. Oktober 2015, abgerufen am 2. Oktober 2015.
  19. Erste deutsche Klage gegen VW eingereicht. In: tagesschau.de. Tagesschau, 2. Oktober 2015, archiviert vom Original am 3. Oktober 2015; abgerufen am 2. Oktober 2015.
  20. Abgasaffäre: Erster deutscher Aktionär verklagt VW auf Schadensersatz. In: spiegel.de. Spiegel Online, 2. Oktober 2015, abgerufen am 2. Oktober 2015.
  21. Pedelec-Fahrer stürzt vor Kirchentellinsfurt im Wald und stirbt. In: gea.de. 2. April 2021, abgerufen am 8. April 2021.
  22. Trauer um Gründer Andreas Tilp. Abgerufen am 9. April 2021 (deutsch).