Automorphismus

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der Mathematik ist ein Automorphismus (von griechisch αὐτός autos, „selbst“, und μορφή morphē, „Gestalt“, „Form“) ein Isomorphismus eines mathematischen Objekts auf sich selbst.

Von Symmetrien zu Automorphismen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein gleichseitiges Dreieck hat drei Symmetrieachsen:

Außerdem verfügt es über eine dreizählige Drehsymmetrie. Um die Symmetrieeigenschaft mathematisch zu fassen, betrachtet man die zugehörigen Symmetrieabbildungen. Zu jeder Symmetrieachse gehört die Spiegelung an der Achse:

Die Ziffern dienen nur dazu, die Abbildung zu beschreiben, es ist zweimal dasselbe Dreieck. Symmetrieabbildungen können nacheinander ausgeführt werden. Im folgenden Beispiel ist die Hintereinanderausführung zweier Spiegelungen eine Drehung um 120°:

Führt man zweimal dieselbe Spiegelung nacheinander aus, erhält man insgesamt die Abbildung, die nichts verändert, die identische Abbildung. Weil die Hintereinanderausführung zweier Symmetrieabbildungen stets wieder eine Symmetrieabbildung sein soll, muss auch die identische Abbildung als eine Symmetrieabbildung betrachtet werden. Eine Figur ist unsymmetrisch, wenn sie nur diese eine, triviale Symmetrieabbildung zulässt. Die Gesamtheit der Symmetrieabbildungen bildet eine Gruppe, die Symmetriegruppe.

In der Mathematik betrachtet man häufig Objekte, die aus einer Grundmenge und einer Zusatzstruktur bestehen, und in der Regel gibt es eine kanonische Konstruktion, die aus der Zusatzstruktur auf und einer Bijektion eine Struktur auf erzeugt. Insbesondere ist das für Bijektionen möglich.

Auf das Symmetriebeispiel übertragen entspricht der Ebene und dem Dreieck. Für eine Kongruenzabbildung ist das Bilddreieck. Symmetrieabbildungen zeichnen sich durch aus. Im abstrakten Kontext nennt man Bijektionen , die erfüllen, Automorphismen von . Diese Definition deckt die meisten Fälle ab, seien es Graphen, topologische Räume oder algebraische Strukturen wie Vektorräume.

Werden die Zusatzstrukturen komplizierter, kann die harmlos erscheinende Bedingung Probleme bereiten: Definiert man differenzierbare Mannigfaltigkeiten als Grundmengen mit Topologie und einem Atlas , erhält man unter Umständen unter einem Homöomorphismus einen kompatiblen, aber nicht identischen Atlas . Würde man aber in der Definition einen maximalen Atlas fordern, wäre für ein solches .

Die Kategorientheorie löst dieses und andere Probleme dadurch, dass sie eine bereits vorhandene Definition für strukturkompatible Abbildungen voraussetzt (Morphismen; es muss sich nicht um tatsächliche Abbildungen handeln). Darauf aufbauend ersetzt sie die Forderung der Bijektivität (die im abstrakten Kontext nicht mehr zur Verfügung steht) durch die Existenz eines inversen Morphismus.

Algebraische Strukturen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei eine algebraische Struktur, also eine Menge zusammen mit (inneren) Verknüpfungen . Eine solche algebraische Struktur könnte beispielsweise eine Gruppe , ein Ring oder ein Vektorraum über einem Körper sein. Dann versteht man in der Algebra unter einem Automorphismus eine bijektive Abbildung der Menge auf sich selbst, die ein Homomorphismus ist, das heißt, es gilt

für jedes und alle . Die Umkehrfunktion ist dann ebenfalls ein Homomorphismus.[1]

Kategorientheorie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sei ein Objekt. Ein Morphismus wird Automorphismus genannt, wenn es einen Morphismus mit

und

gibt, also ein beidseitiges Inverses besitzt.[2]

Ein Automorphismus ist damit dasselbe wie[3]

Für Kategorien von algebraischen Strukturen (und den zugehörigen Homomorphismen) ist die Definition äquivalent zu der im vorherigen Abschnitt.

Automorphismengruppe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Wenn die Automorphismen eines Objekts eine Menge bilden, bilden sie mit der Verkettung als Verknüpfung eine Gruppe, die mit bezeichnet wird.[2]
  • Ist eine Gruppe, nennt man einen Homomorphismus eine Gruppenoperation von auf .
  • Ist ein kovarianter Funktor und ein Objekt von , so induziert einen Gruppenhomomorphismus (für kontravariante Funktoren muss man noch mit der Inversion verketten). Ist eine Gruppenoperation von auf gegeben, so erhält man auf diesem Wege eine Operation von auf .

Spezielle Strukturen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Automorphismus eines Graphen mit Knotenmenge und Kantenmenge ist eine bijektive Abbildung , sodass für alle gilt.

Ein Automorphismus eines Graphen induziert einen Automorphismus des Komplementgraphen.

Der Satz von Frucht besagt, dass zu jeder Gruppe ein Graph existiert, sodass isomorph zu ist.

Sei und :

Automorphismen von sind Permutationen von , sodass die Anwendung der Permutation auf das Diagramm wieder eine Veranschaulichung desselben Graphen ergibt. Beispiel: Die Permutation ist ein Automorphismus, weil die Kanten nach wie vor zwischen 1 und 2 sowie zwischen 3 und 4 verlaufen:

Die Permutation ist kein Automorphismus, weil die Kanten im neuen Bild und sind:

Die Automorphismengruppe des Graphen ist isomorph zur Diedergruppe der Ordnung , sein Komplement ist ein 4-Zyklus.

Ein Automorphismus eines Vektorraums ist eine bijektive lineare Abbildung .

Für endlichdimensionale Vektorräume sind Automorphismen genau diejenigen linearen Abbildungen , deren Abbildungsmatrix bezüglich einer beliebigen Basis regulär ist. Die Automorphismengruppe wird häufig als GL(V) notiert.[4]

Ein Automorphismus einer Gruppe ist ein bijektiver Gruppenhomomorphismus dieser Gruppe auf sich selbst, das heißt eine bijektive Abbildung mit für alle .[5]

Unter Automorphismen bleiben alle strukturellen Eigenschaften der Gruppenelemente sowie diesbezügliche Konstruktionen erhalten. So erhält jeder Automorphismus die Ordnung der Elemente (d. h. für alle ), induziert einen Automorphismus des Zentrums und bildet Erzeugendensysteme auf Erzeugendensysteme ab.

Innere Automorphismen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ist eine Gruppe und fest, dann ist , ein Automorphismus von , genannt Konjugation mit . Automorphismen, die auf diesem Weg entstehen, heißen innere Automorphismen. Automorphismen, die keine inneren Automorphismen sind, heißen äußere Automorphismen. Weil ein Homomorphismus ist und genau dann der triviale Automorphismus ist, wenn im Zentrum von liegt,[6] ist die Menge aller inneren Automorphismen nach dem Homomorphiesatz eine zu isomorphe Untergruppe von . Sie ist sogar ein Normalteiler in , und die Faktorgruppe wird mit bezeichnet. Sie heißt Gruppe der äußeren Automorphismen. Die Einschränkung auf das Zentrum liefert einen Homomorphismus .

Für abelsche Gruppen sind alle inneren Homomorphismen trivial, und .

Für eine Untergruppe erhält man durch Einschränkung der inneren Automorphismen einen injektiven Homomorphismus . Siehe Normalisator und Zentralisator.

  • Die bijektive Abbildung , , ist genau dann ein Homomorphismus und damit ein Automorphismus, wenn abelsch ist.
  • Die Gruppe hat genau einen nichttrivialen Automorphismus, nämlich . Das folgt daraus, dass ein Automorphismus ein Erzeugendensystem auf ein Erzeugendensystem abbildet.
  • Die Automorphismengruppe der kleinschen Vierergruppe ist isomorph zur symmetrischen Gruppe .
  • Die Automorphismengruppe der Gruppe ist (durch Multiplikation).
  • Der Automorphismus von ist kein innerer Automorphismus, weil seine Einschränkung auf das Zentrum, die Untergruppe der Skalarmatrizen, nicht trivial ist.

Verwandte Themen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Automorphismus eines Körpers ist eine bijektive Abbildung , die und für alle erfüllt. Ist eine Körpererweiterung, dann nennt man diejenigen Automorphismen von , die für alle erfüllen, die -Automorphismen von . Sie bilden eine Gruppe, notiert oder . Ein Automorphismus von ist genau dann ein -Automorphismus, wenn er eine -lineare Abbildung ist.

  • Die Konjugation für ist ein -Automorphismus des Körpers der komplexen Zahlen.
  • Die Abbildung ist für der einzige nichttriviale Automorphismus von .
  • Der Körper der rationalen Zahlen und der Körper der reellen Zahlen besitzen keine nichttrivialen Automorphismen. Man bezeichnet sie deshalb auch als starr.[7] Wie das Beispiel zeigt, überträgt sich Starrheit nicht auf Unter-, Ober-, Zwischenkörper. Dass starr ist, erkennt man daran, dass sich jede rationale Zahl als algebraischer Ausdruck in darstellen lässt, wobei die als neutrales Element der Multiplikation unter Automorphismen erhalten bleiben muss. Jeder Automorphismus auf muss entsprechend jede rationale Zahl auf sich selbst abbilden. Da er zudem die Ordnung erhält, müssen sogar alle reellen Zahlen Fixpunkt sein.[8]
  • Ist ein endlicher oder allgemeiner perfekter Körper der Charakteristik , dann ist ein Automorphismus von , der Frobeniusautomorphismus.
  • Ist ein Körper und eine Untermenge, dann ist ein Unterkörper von , genannt der Fixkörper von . Ist eine endliche Untergruppe, so ist eine Galoiserweiterung vom Grad . Die Galoistheorie stellt weitere Verbindungen zwischen Körpererweiterungen und Automorphismengruppen her.

Für Algebren kann man wie bei Gruppen innere Automorphismen als Konjugation mit einer Einheit definieren. Innere Automorphismen sind trivial auf dem Zentrum, und der Satz von Skolem-Noether besagt, dass für eine halbeinfache Algebra auch die Umkehrung gilt.

Funktionentheorie

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Funktionentheorie sind die Morphismen die holomorphen Funktionen und die Automorphismen die konformen Selbstabbildungen. Die Automorphismengruppe bspw. der offenen Einheitskreisscheibe ist gegeben durch:

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Stanley Burris: A Course in universal algebra – The millennium edition. Ontario 2012, ISBN 978-0-9880552-0-9, S. 47.
  2. a b Steve Awodey: Category theory. Clarendon Press, Oxford 2006, ISBN 0-19-856861-4, S. 11.
  3. Serge Lang: Algebra. Revised Third Edition Auflage. New York 2002, ISBN 0-387-95385-X, S. 54.
  4. Automorphismus. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  5. Serge Lang: Algebra. Revised Third Edition Auflage. New York 2002, ISBN 0-387-95385-X, S. 10.
  6. Serge Lang: Algebra. Revised Third Edition Auflage. New York 2002, ISBN 0-387-95385-X, S. 26.
  7. Albrecht Beutelspacher: Lineare Algebra. 7. Auflage. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-528-66508-1, S. 39–42.
  8. Reinhard Winkler: Die reellen Zahlen sind anders. In: Didaktikhefte der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft. Band 41, 2008 (online [PDF; abgerufen am 13. Oktober 2014]).