Barbasco

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Die Samen (f, aus der Kapsel d + e) der Kleinblütigen Königskerze (Verbascum thapsus) dienen in Europa seit der Antike traditionell als Fischgift. Jan Kops: Flora batava, 1814.
Kleinblütige Königskerze (Verbascum thapsus) mit reifen Früchten (Oblast Iwanowo, Russland).
Die „bärtigen“ Staub­gefäße der Königs­kerzen führten wahr­scheinlich zur Inter­pretation des Pflanzen­namens als Barbascum bzw. Barbasco, „Bart­pflanze“. Hier Verbascum sinuatum, Alicante, Spanien.
Piscidia piscipula, eine dem Fischfang dienende Pflanze der Karibik. Hermann Adolph Köhler: Köhler's Medizinal-Pflanzen, 1897.

Barbasco ist der in Spanien und anderen spanischsprachigen Ländern verwendete Name für eine Reihe giftiger Blütenpflanzen, die traditionell beim Fischfang verwendet werden, um Fische zu betäuben und diese so leichter zu erbeuten. Auch die Fischgift enthaltenden Extrakte dieser Pflanzen werden so bezeichnet. Der Name Barbasco leitet sich vom lateinischen Wort Verbascum ab, das bereits in der Antike die auch zum Fischfang verwendeten Königskerzen bezeichnet und seit Carl von Linné deren wissenschaftlicher Gattungsname ist.

Bereits Aristoteles beschreibt in seiner Historia animalium (Περὶ Τὰ Ζῷα Ἱστορίαι), dass Samen der Königskerze (bei Aristoteles πλόμος, bei Hippokrates von Kos[1] und auch im Neugriechischen φλόμος, laut Plinius dem Älteren Verbascum),[2] in ein Gewässer gestreut, die Fische betäuben und so den Fischfang erheblich erleichtern. Er erwähnt, dass die Phönizier dieses Verfahren selbst im Meer anwandten.[3] Die Verwendung von Blättern oder Samen der Königskerze als Fischgift wird auch vom römischen Philosophen Claudius Aelianus in seinem in griechischer Sprache verfassten Werk Περὶ ζῴων ἰδιότητος (De natura animalium) erwähnt.[4] Wahrscheinlich handelt es sich bei der von Aristoteles beschriebenen Pflanze um die im Mittelmeerraum verbreitete Königskerze Verbascum sinuatum, die zumindest bis ins 20. Jahrhundert in Griechenland zum Fischfang verwendet wurde.[5][6][7][8]

In der Flora española beschreibt José Quer y Martínez (1762) unter dem Abschnitt Verbascum, wie nach seiner eigenen Beobachtung die Samen der Königskerze Verbascum thapsus (Syn.: Verbascum mas, latifolium, luteum), spanisch gordolobo, in den Fluss Ojailén (Kastilien-La Mancha) geworfen wurden, um die Fische für den Fischfang zu betäuben, in ähnlicher Weise wie andernorts Europäische Bleiwurz (belesa) und Coca. Er erwähnt auch den Namen Barbascum, der auf die stark behaarten, bartartigen Staubgefäße zurückzuführen sei (latein. und spanisch barba „Bart“).[9] Der französische Botaniker Joseph Pitton de Tournefort, der etwas vor Quer lebte, sah den Namen Verbascum gar als Verballhornung von Barbascum an.[10]

Nach der spanischen Eroberung Südamerikas wurde der aus dem lateinischen Verbascum ins spanische Barbasco (auch Verbasco oder Varbasco)[11] umgeformte Name auf andere, botanisch nicht verwandte Pflanzen übertragen, die von indigenen Völkern Südamerikas in ähnlicher Weise zum Fischfang verwendet wurden.[12]

Alexander von Humboldt erwähnt die als Barbasco bezeichneten, dem Fischfang dienenden Pflanzen in seinem Reisebericht aus Südamerika. Er stellt fest, dass Wurzeln von Piscidia piscipula (Syn.: Piscidia erythrina), Jacquinia armillaris und einigen Arten der Gattung Phyllanthus für den Fischfang extrahiert werden. Das abgeleitete Verb embarbascar [a los peces] wird jedoch auch für ein anderes Verfahren verwendet, bei dem Pferde ins Wasser getrieben werden, wodurch die Fische vor Aufregung an die Wasseroberfläche kommen und so eine leichte Beute werden.[13]

Neben Piscidia piscipula, dem Jamaikanischen Kornelkirschenbaum (englisch Dogwood tree), wandten die Kariben auch Jacquinia armillaris (französisch Bois bracelets, englisch Pircrust) und Tephrosia sinapou (Syn. Galega toxicaria) – wie alle zum chemischen Fischfang geeigneten Pflanzen spanisch auch Barbasco genannt – beim Fischfang an. Die Anwendung dieser Pflanzen hatte keinen Einfluss auf die Fleischqualität, das heißt, dass der Verzehr der mit den Ködern gefangenen Fische für den Menschen unschädlich war. Bereits im 19. Jh. gab es jedoch auf manchen Inseln Verbote der Anwendung von Barbasco, da die Fischbestände massiv geschädigt wurden.[14]

Wenn auch die Fischerei mit Giftpflanzen in Südamerika weit älter ist als die Zeit der Conquista, hat das spanische Wort Barbasco Eingang in indigene Sprachen gefunden, so ins Kichwa der Quijos im Amazonas-Regenwaldgebiet Ecuadors, wo insbesondere Hülsenfrüchtler der Gattung Lonchocarpus[15] (oder Synonym der Gattungen Deguelia und Derris)[16] diesen Namen tragen, phonetisch angepasst als warwasku ins Kichwa von Nordperu (Pastaza-Inga)[17] und durch Vermittlung desselben als huárahuasco ins Shipibo-Conibo.[18]

Die Früchte der von den Römern auch piscatoria genannten Königskerze (Kleinblütige Königskerze oder auch von einer anderen Verbascum-Art) mit ihren winzigen Samen werden zerkleinert und in Wasser getränkt. Fische werden dadurch betäubt und sind leicht zu fangen.[12]

Das Kraut von Jacquinia armillaris wird zerquetscht, mit Unschlitt vermischt und ins Wasser geworfen. Bald darauf können die obenauf schwimmenden Fische mit der bloßen Hand ergriffen werden. Auf diese Weise können auch Welse gefangen werden, die in Ecuador zu den größten Fischen zählen.[19]

Bei den Hülsenfrüchtlern der Gattungen Deguelia, Lonchocarpus und Piscidia, aber auch bei Pflanzen aus den nicht verwandten Gattungen Phyllanthus und Jacquinia[13] sind es die Wurzeln, die zunächst zerkleinert werden, so dass der austretende Saft zum Fischen verwendet werden kann – eine Arbeit, die etwa bei den Kichwa von Sarayaku von Männern durchgeführt wird.[20]

Die Königskerzen schützen sich vor Fressfeinden durch ihren Gehalt an Iridoiden, die als Glycoside vorliegen. Diese haben auch auf Fische eine Giftwirkung.[12]

Der besonders für Fische toxische Wirkstoff zahlreicher Hülsenfrüchtler (Piscidia grandifolia, Piscidia piscipula, Deguelia utilis, Deguelia urucu) ist das Rotenon.

Als Barbasco bezeichnete Pflanzen

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Scrophulariaceae

andere, nicht in Spanien, Buddleja stachyoides (Syn.: Buddleja thapsoides, Buddleja brasiliensis) (Brasilien) (Taxonomie unklar)[21][22]

Dioscoreaceae
Primulaceae

In der Karibik, Mittelamerika

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Fabaceae
Fabaceae
Phytolaccaceae
Phyllanthaceae
Primulaceae
Bignoniaceae
Canellaceae
Sapindaceae
Malpighiales
Asteraceae
Rutaceae
Piperaceae
Polygonaceae
  • Pedro Acevedo-Rodríguez: The Occurrence of Piscicides and Stupefactants in the Plant Kingdom. In: Economic Botany. 8, 1990, S. 1–23, JSTOR:43927563, online auf researchgate.net.
  • Philippe Béarez: Focus: First archaeological indication of fishing by poison in a sea environment by the Engoroy population at Salango (Manabí, Ecuador). In: Journal of Archaeological Science. Volume 25, Issue 10, 1998, S. 943–948, doi:10.1006/jasc.1998.0330, online auf academia.edu.

Einzelnachweise

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  1. Hippokrates, De ulceribus 11 (Wikisource).
  2. Plinius der Ältere, Naturalis historia 25,73 („Verbascum Graeci phlomon vocant“).
  3. Aristoteles, Historia animalium 8,20 (Wikisource): „Ἀποθνήσκουσι δ' οἱ ἰχθύες τῷ πλόμῳ· διὸ καὶ θηρεύουσιν οἱ μὲν ἄλλοι τοὺς ἐν τοῖς ποταμοῖς καὶ [...] λίμναις πλομίζοντες, οἱ δὲ Φοίνικες καὶ τοὺς ἐν τῇ θαλάττῃ. Ποιοῦνται δέ τινες καὶ δύ' ἄλλας θήρας τῶν ἰχθύων.“
  4. Claudius Aelianus: De natura animalium. Buch I, Kapitel 58. Griechisch/Lateinisch (Rudolf Hercher. Amb. Firmin Didot, Paris 1858, S. 18): … Έμβαλών δέ εις τὴν λίμνην φλόμου φύλλα ἢ κάρυα, ἀπώλεσε τους γυρίνους τῶν μελιττῶν δεσπότης ρᾷστα. … / … Ranarum lutariarum sobolem facile tollit apiarius verbasci foliis, vel nucibus in earum lacum injectis. … Deutsch (Ernst Karl Friedrich Wunderlich. Metzler, Augsburg 1839, S. 448)... Am leichtesten tötet der Bienenvater die Brut der Frösche dadurch, dass er die Blätter von Wollkraut oder Nüsse in den See wirft. …[Statt "Nüsse" besser: die "Samen des Wollkrauts"]
  5. Leopold Rosenthaler: Phytochemische Untersuchung der Fischfangpflanze Verbascum sinuatum L. und einiger anderer Scrophulariaceen. In: Mitteilungen aus dem pharmaceutischen Institut des Universität Strassburg. 240(1), 1902, S. 57–69.
  6. Γεώργιος Θεοδώρου Μπουρογιάννης: Πανίδα (Ψάρια) [Fischfauna]. S. 30, το ψάρεμα με φλόμο [Fischerei mit Flomos (φλόμος)]; S. 33, φλόμος = φυτό πολυετές του γένους βερμπάσκα [Flomos (φλόμος) = mehrjährige Pflanze der Gattung Königskerzen (βερμπάσκο „verbasko“)].
  7. Ludwig Kofler: Die Saponine. Springer, 1927, S. 255 f.
  8. Leopold Just (Hrsg.): Botanischer Jahresbericht. Neunter Jahrg., Zweite Abtheilung, 1881, Borntraeger, 1884, S. 385 f, online auf biodiversitylibrary.org.
  9. Joseph Quer: Flora española o historia de las plantas que se crian en España (6 Tomos): Tomo primero. Joachin Ibarra, Madrid 1762. S. 449 f. Verbascum.
  10. Joseph Pitton de Tournefort: Élémens de botanique: ou Méthode pour connoître les plantes, Band 1. L'Imprimerie Royale, Paris 1694. S. 123.
  11. Real Academia Española: Diccionario de la lengua española, barbasco, varbasco, verbasco (gordolobo).
  12. a b c Valentín Anders et al. (2010–2017): Etimologías de Chile: Verbasco
  13. a b Alexander von Humboldt: Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents, Band 2. In deutscher Bearbeitung von Hermann Hauff. J. G. Cotta'scher Verlag, Stuttgart 1859. S. 404.
  14. Theodor Martius: Über die medicinischen Eigenschaften der Piscidia Erythrina Linn. oder des jamaicanischen Kornelkirschenbaumes von Hamilton. Mitgeteilt aus den Transactions of the Medico-Botanical Society of London. Pharmaceutisches Central-Blatt, Band 6. Erster Band. Leopold Voss, Leipzig 1835. S. 413 f.
  15. Kerensa Louise Allison: Manioc Mothers: Subsistence Stability and the Influence of Tourism Among the Napo Kichwas in the Ecuadorian Amazon. Dissertation, Washington State University, 2010. S. 127.
  16. The Plant List: Lonchocarpus utilis A.C.Sm. is a synonym of Derris utilis (A.C.Sm.) Ducke.
  17. Christa Tödter, William Waters, Charlotte Zahn: Shimikunata asirtachik killka Inka – Castellanu. Diccionario Inga – Castellano (Quechua del Pastaza) (Memento vom 13. November 2012 im Internet Archive) Serie Lingüística Peruana N° 52, Instituto Lingüístico de Verano, Lima 2002, S. 256.
  18. Mary Ruth Wise (Hrsg.): Diccionario Shipibo – Castellano (Memento vom 12. März 2016 im Internet Archive) Serie Lingüística Peruana N° 31, Instituto Lingüístico de Verano, Lima 1993, S. 181.
  19. Don Antonio de Ulloa: Physikalische und historische Nachrichten vom südlichen und nordöstlichen America. Aus dem Spanischen übersetzt von Johann Andreas Dieze. Erster Theil. Weidmanns Erben und Reich, Leipzig 1781, S. 259f.
  20. Jaime Giménez: Kawsak Sacha, la Selva Viviente de los kichwa de Sarayaku. Dentro del bosque existen seres supremos, pequeños y grandes, visibles e invisibles, móviles e inmóviles, que están vivos. Los humanos somos solo una parte de ellos. El País, 10. Dezember 2016.
  21. P. H. List, L. Hörhammer (Hrsg.): Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. 4. Auflage, Dritter Band: Chemikalien und Drogen (Am–Ch), Springer, 1972, S. 526.
  22. a b c Julian H. Steward: Handbook of South American Indians. Vol. 5, Smithsonian Institution, Bulletin 143, U.S. Government Printing Office, 1949, S. 278–280.
  23. a b c d e f g h i j k l m n o José Armando Rondón Rangel: Guía descriptiva de los barbascos de Venezuela. In: Revista de la Facultad de Farmacia. Vol. 43, 2002, (PDF).
  24. The Plant List: Deguelia rufescens var. urucu (Killip & A.C.Sm.) A.M.G.Azeved is an unresolved name.
  25. Georg Friederici: Amerikanistisches Wörterbuch und Hilfswörterbuch für den Amerikanisten. 2. Auflage, De Gruyter, 1960, S. 80 f, 230, 610.