Commander Task Force Baltic
Der Stab Commander Task Force Baltic (auch CTF Baltic bzw. CTFB) ist ein taktisches nationales Hauptquartier der Deutschen Marine mit internationaler Beteiligung, das von Rostock aus den Ostseeraum überwacht und Führungsaufgaben für das NATO-Bündnis in der Ostsee übernehmen soll.
Aufgaben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stab Commander Task Force Baltic soll Führungsaufgaben für das NATO-Bündnis in der Ostsee übernehmen.[1] Dazu werden die Marineaktivitäten in der Region koordiniert und den mit Deutschland verbündeten Marinen ein aktuelles gemeinsames maritimes Lagebild bereitgestellt. Maritime Übungsvorhaben und Operationen sollen geplant und die von der NATO zugeteilten Seestreitkräfte geführt werden.[1][2] Das Kommando ist für die Überwachung des Ostseeraums zuständig und soll Informationen mit den NATO-Partnern austauschen. Das Lagebild wird für eine Fläche von rund 400.000 Quadratkilometern erstellt.[3]
Einordnung in Bundeswehr und die NATO
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stab Commander Task Force Baltic ist ein nationales Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung. Rechtlich und organisatorisch ist es ein Stab der Bundeswehr, kein NATO-Stab.[1][4] Die Deutsche Marine ist die größte NATO-Marine in der Ostsee.[2]
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland schreibt, dass CTF Baltic „formal von der Deutschen Marine geführt wird“, aber „prinzipiell in Nato-Strukturen eingebettet“ sei. „Im Bedarfsfall“, bspw. „bei einem Angriff auf die NATO“ könne CTF Baltic „dem maritimen Nato-Kommando Marcom unterstellt“ und „zur Kommandostruktur für die Durchführung des Nato-Regionalplans werden“.[5]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die NATO (North Atlantic Treaty Organization) beschloss in der Anpassung ihrer Führungsstruktur seit 2017 auch die Aufstellung von ständigen maritimen Hauptquartieren auf der obersten taktischen Ebene.[2] Mit dem „Baltic Maritime Component Command“ und dem DEU MARFOR beherbergte Rostock bereits Einrichtungen, die eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung des Allied Maritime Command (MARCOM) der NATO in Northwood spielen und wichtige Befehls- und Kontrollfunktionen für maritime Operationen in der Ostsee erfüllen.[6] Um das regionale Hauptquartier hatten sich Deutschland und Polen beworben. Am Ende bekam Rostock den Zuschlag.[7]
Zum 1. Oktober 2024 übernahm die Deutsche Marine als die größte Seestreitkraft der NATO im Ostseeraum mit Commander Task Force Baltic eine Führungsrolle in der Ostseeregion. Am 21. Oktober 2024 gab es dazu eine offizielle Aufstellungszeremonie im Marinekommando in Rostock im Beisein von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, Vizeadmiral Didier Maleterre, Konteradmiral Stephan Haisch,[8] Ministerpräsidentin Manuela Schwesig[9] sowie Gästen aus dem In- und Ausland.[1] Am Tag der Aufstellungszeremonie gab es Proteste durch das „Rostocker Friedensbündnis“ nahe der Kaserneneinfahrt;[10][11] Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) sieht die Deutsche Marine als wichtigen Arbeitgeber der Stadt, äußerte aber auch Sorgen „über Rostock als Angriffsziel“.[12]
Sitz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stab ist auf dem Gelände der Hanse-Kaserne in der Kopernikusstraße in Rostock, auch Sitz des Marinekommandos, stationiert.
Personal
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Stab kann in Friedenszeiten bis zu 180 Dienstposten, im Krisen- und Konfliktfall bis zu 240 Dienstposten umfassen. Von den 180 Dienstposten sind 60 multinationale Dienstposten. Den Kern des Personals stellt der nationale Führungsstab DEU MARFOR (German Maritime Forces), der schon seit 2019 im Marinekommando in Rostock besteht. 13 Nationen beteiligen sich im Jahr 2024 an dem Stab, neben Deutschland auch Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, die Niederlande, Norwegen, Polen, Schweden und das Vereinigte Königreich.[2][1]
Die Führung des Stabs liegt seit Oktober 2024 bei dem deutschen Konteradmiral Stephan Haisch,[13] dessen Stellvertreter ist der polnische Konteradmiral Piotr Nieć[14]; ein schwedischer Stabsoffizier ist Chef des Stabes.[1] Spätestens nach vier Jahren ist eine Rotation vorgesehen;[1] die schwedischen Vertreter werden nach zwei Jahren rotieren.[15] Im Jahr 2028 soll Polen die Position des Kommandeurs übernehmen, CTF Baltic dann auf dem künftigen POL MARFOR (Polish Maritime Forces) basieren.[14] Die Schwedischen Streitkräfte vermeldeten, dass ihr im CTF Baltic eingesetztes Personal NATO-Offiziere sind, die jeweils für zwei Jahre in Rostock im Rahmen von MARCOM operieren.[16]
Verbandsabzeichen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Verbandsabzeichen (Badge) zeigt auf dunkelblauem Grund die in hellblau gehaltenen, gold umrandeten Umrisse der Ostsee mit Inseln. Im oberen Teil ist der Schriftzug CTF BALTIC zu sehen, darunter zwei goldene, fünfzackige Sterne.
Frage der Verletzung des Zwei-Plus-Vier-Vertrages
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Zwei-plus-Vier-Vertrag (Artikel 5, Absatz 3, Satz 3) wurde vereinbart, dass auf dem Gebiet der damaligen DDR und Berlins ausländische Soldaten weder stationiert noch dorthin verlegt werden.[17]
In einer Stellungnahme der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2017 wurde (in Betrachtung eines anderen Szenarios) eine Verletzung des Zwei-Plus-Vier-Vertrages ausdrücklich verneint, sofern das Kommando „nicht aus bewaffneten militärischen Verbänden, sondern ausschließlich aus militärischem und zivilem Stabspersonal, das sich aus zahlreichen NATO-Mitgliedstaaten rekrutiert“, besteht.[18]
Nach Angaben des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) nimmt das in Rostock stationierte Bundeswehr-Marinekommando mit dem CTF Baltic zusätzliche Aufgaben für die NATO wahr.[19] Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung erklärte, die ausländischen Soldaten seien Austausch- und Verbindungsbeamte.[20] Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte, dass das CTF Baltic ein „multinationales Einsatzkommando“ sei und keine NATO-Kommandostruktur. Laut Pistorius seien die im CTF Baltic eingesetzten ausländischen Soldaten zunächst für etwa vier Jahre deutschem Kommando unterstellt, ehe die Kommandoführung auf das polnische oder schwedische Militär übergeht.[21][22] Der an der Universität der Bundeswehr München lehrende Militärexperte Carlo Masala teilt die juristische Einschätzung des BMVg, wonach CTF Baltic als ein nationales Hauptquartier anzusehen sei, weil es (trotz der Beteiligung von Stabsoffizieren aus den Ostsee-Anrainerstaaten) „innerhalb der Strukturen des Marinekommandos“ arbeite. Laut Masala ist CTF Baltic kein NATO-Hauptquartier; es leitet lediglich Erkenntnisse an die NATO weiter.[23]
Russland bestellte einen Tag nach Einweihung des CTF Baltic den deutschen Botschafter Alexander Graf Lambsdorff ins russische Außenministerium ein. Die Gründung des Commander Task Force Baltic auf dem Gebiet des deutschen Marinehauptquartiers stelle „einen eklatanten Verstoß gegen den Buchstaben und den Geist“ des Zwei-plus-Vier-Vertrags von 1990 dar, erklärte das Ministerium und forderte umfassende Erklärungen von Deutschland.[24] Lambsdorff erklärte anlässlich der Einbestellung die Zuordnung von deutschen Streitkräfteverbänden unter die Strukturen der NATO gemäß dem Zwei-plus-Vier-Vertrag auch im Gebiet der damaligen DDR und Berlins als ausdrücklich zulässig: Der maritime Führungsstab werde wie in der Vergangenheit sowohl aus deutschen als auch aus ausländischen Offizieren bestehen, der Zwei-plus-Vier-Vertrag werde nicht verletzt.[25][26]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Commander Task Force Baltic established Mitteilung der Bundeswehr (englisch)
- Boris Pistorius anlässlich der Aufstellungszeremonie CTF Baltic Rede des deutschen Verteidigungsministers
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b c d e f g Commander Task Force Baltic aufgestellt. In: bundeswehr.de. 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ a b c d Pistorius weiht neues maritimes taktisches Hauptquartier für die NATO ein. Pressemitteilung. In: Bundesministerium der Verteidigung. BMVG, 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Oliver Neuroth: Neues Marinehauptquartier: Deutschlands Führungsrolle im Ostseeraum. 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Neues Marine-Hauptquartier eröffnet. In: sueddeutsche.de. 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Sven Christian Schulz: Kein NATO-Hauptquartier in Rostock: Was ist das CTF Baltic und verstößt es gegen den 2+4-Vertrag? In: rnd.de. Redaktionsnetzwerk Deutschland, 23. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024.
- ↑ Russia’s Strategic Interests and Actions in the Baltic Region. In: Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Januar 2021, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Aus Angst vor Russland: Nato eröffnet heute neues Hauptquartier in Rostock. In: ostseezeitung.de. 14. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Rede: Boris Pistorius anlässlich der Aufstellungszeremonie CTF Baltic. In: bmvg.de. 21. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024.
- ↑ Schwesig: Das ist eine Stärkung des Marinestandortes Rostock. In: regierung-mv de. 1. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Neues taktisches Hauptquartier für NATO wird in Rostock eingeweiht. In: ndr.de. 20. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Pistorius eröffnet maritimes Nato-Hauptquartier in Rostock: Proteste von Friedensaktivisten. In: ostsee-zeitung.de. 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ OB: Debatten über Rostock als Angriffsziel wecken Ängste. In: nordkurier.de. 19. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Marine-Hauptquartier in Rostock eingeweiht. In: maineforum.online.de. 17. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ a b Polska wraz z Niemcami i Szwecją przejmują dowodzenie na Bałtyku. In: wojsko-polskie.pl, abgerufen am 23. Oktober 2024.
- ↑ New Command to Lead NATO's Naval Forces in the Baltic Sea. In: forsvarsmakten.se. 7. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ New Command to Lead NATO's Naval Forces in the Baltic Sea. In: forsvarsmakten.se. Schwedischen Streitkräfte, 7. Oktober 2024, abgerufen am 23. Oktober 2024.
- ↑ Vertrag vom 12. September 1990 über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland (Zwei-plus-Vier-Vertrag). In: auswaertiges-amt.de. Auswärtiges Amt, abgerufen am 23. Oktober 2024.
- ↑ Zur möglichen Aufstellung eines NATO-Logistikkommandos auf dem Gebiet der ehemaligen DDR im Lichte des „Zwei-plus-Vier-Vertrags“. In: bundestag de. 7. Dezember 2017, abgerufen am 24. Oktober 2024.
- ↑ Faktencheck: Verstößt NATO-Präsenz gegen 2+4-Vertrag? In: dw.com. 16. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Regierungspressekonferenz vom 16. Oktober 2024. In: bundesregierung.de. 22. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Rostock: Pistorius weiht taktisches Hauptquartier für NATO ein. NDR, 21. Oktober 2024, abgerufen am 22. Oktober 2024.
- ↑ Nato stärkt Ostseeflanke - Marine-Hauptquartier in Rostock. In: faz.net. 21. Oktober 2024, abgerufen am 23. Oktober 2024.
- ↑ Neues Marine-Hauptquartier eingeweiht: Ein Verstoß gegen das Völkerrecht? In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 22. Oktober 2024]).
- ↑ Protest expressed to German ambassador over opening of NATO naval HQ in Rostock. In: tass.com. 22. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024 (englisch).
- ↑ Erklärung anlässlich der Einbestellung des Deutschen Botschafters in das Außenministerium der Russischen Föderation. In: germania.diplo.de. 22. Oktober 2024, abgerufen am 24. Oktober 2024.
- ↑ Neues Nato-Hauptquartier in Rostock: Moskau bestellt deutschen Botschafter ein. In: Der Spiegel. 22. Oktober 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 22. Oktober 2024]).
Koordinaten: 54° 5′ 11″ N, 12° 5′ 28,3″ O