Cunninghams Völkerschau der Aborigines 1883-88

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R. A. Cunningham mit der Gruppe der im Juli 1884 sieben Aborigines, Foto von Carl Günther

Cunninghams Völkerschau der Aborigines 1883–1888 war eine Völkerschau (im heutigen Sprachgebrauch auch Menschenzoo), bei der eine Gruppe von Aborigines 1883 zuerst in Nordamerika, anschließend von 1884 bis 1888 in Europa zur Schau gestellt wurde.

Veranstalter der Schau war Robert A. Cunningham (1837–1907) aus Kanada, der im Januar 1883 eine Gruppe von neun Aborigines aus North Queensland nach Nordamerika verschleppte, um diese ab Mai 1883 zunächst im Rahmen einer Völkerschau-Tournee von P. T. Barnum zur Schau zu stellen. Zur Gruppe gehörten unter anderem Sussy Dakaro (gest. 23. Juni 1885) und Tambo bzw. Kukamunburra (gest. 23. Februar 1884).

In Amerika verstarben im Februar 1884 zwei Männer der Gruppe. Im April 1884 setzte Cunningham die Tournee unter anderem in Kooperation mit Carl Hagenbeck in Europa fort. Im Laufe des Jahres 1885 verstarben vier weitere Gruppenmitglieder. Mit den überlebenden drei Aborigines reiste Cunningham von 1885 bis 1888 weiter durch Skandinavien, Russland und Südeuropa. 1888 brachte er die drei überlebenden Aborigines zurück nach Australien.

Wissenschaftler wie der Mediziner Rudolf Virchow zeigten großes Interesse an der Völkerschau der Aborigines, denn die im deutschsprachigen Raum so genannten „Australneger“ galten im rassistischen Denken des 19. Jahrhunderts als „Urmenschen“ auf der untersten Stufe der „Rassenhierarchie“. Sie wurden als „Wilde“ und „Kannibalen“ stigmatisiert und deshalb besonders abschätzig beschrieben und behandelt.

Forschungsstand

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Die australische Anthropologin Roslyn Poignant (1927–2019) veröffentlichte 2004 die Monographie Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle, in der sie ihre über zwei Jahrzehnte dauernde Recherche zu Robert A. Cunningham und seinen drei Völkerschau-Tourneen darstellt. Nach dem Ende der ersten Aborigines–Völkerschau tourte er ab 1889 mit einer Gruppe von Samoanern und schließlich von 1892 bis 1898 mit einer zweiten Gruppe von Aborigines.[1]

Der Impresario R. A. Cunningham

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Der sich nach seinem Vorbild des US-amerikanischen Schaustellers und Zirkuspioniers P. T. Barnum mit seinen Initialen abkürzende R. A. Cunningham aus Kanada gilt in der Forschung als „Prototyp des schlechten, rücksichtslosen Völkerschau-Impresarios“,[2] als „Menschenjäger“ und „Freak-Catcher“.[3]

Verschleppung in Australien

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Cunningham unternahm im Dezember 1882 in Darwin im Auftrag von Barnum zunächst einen erfolglosen Versuch, eine Gruppe von Aborigines zu verschleppen. Der zweiter Versuch in Townsville war erfolgreich. Cunningham bewarb später seine Völkerschau ganz offen mit der Behauptung, die Aborigines auf sein Schiff gelockt und entführt zu haben.[4] Über die genauen Umstände der Verschleppung in Townsville ist wenig bekannt. Cunningham fuhr am 22. Januar 1883 mit der Gruppe zunächst nach Sydney. Dort ereignete sich am 12. Februar 1883 ein Zwischenfall, als zwei Männer der Gruppe einen Fluchtversuch unternahmen und bei ihrer Festsetzung einen Polizisten mit dem Messer verletzten. Am 20. Februar 1883 wurden die beiden Männer einem Richter vorgeführt. Der Fall erregte Aufsehen, und die Zeitung Evening News kritisierte, dass Sydney zum „Zwischenlager eines Menschenraubgeschäfts“ werde. Dennoch gelang es Cunningham, am 26. Februar aus Sydney abzureisen. Über Melbourne und Auckland auf Neuseeland erreichte die Gruppe Ende April San Francisco.[5]

Die Gruppe der Aborigines

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Sechs der neun Aborigines stammten von Palm Island.[6] Roslyn Poignant hat umfassend versucht, die Namen der Gruppenmitglieder zu rekonstruieren. Sie trugen sowohl von Cunningham zugeschriebene englischsprachige als auch ihre eigenen Namen. So nannte Sussy sich selbst Tagarah, wurde während der Tournee in den USA von Cunningham als „Prinzessin Tagarah, Tochter des Kannibalenkönigs von Nord-Queensland“ bezeichnet. Während der Tournee in Deutschland wurde über sie als Susi Dakara berichtet. Ihr Mann Tambo wurde auch Johnny genannt, hieß mutmaßlich aber Dianarah oder Kukamunburra. In der Literatur werden meist die fremdzugeschriebenen englischen Namen der Aborigines verwendet.[7] Drei der Aborigines von Palm Island wurden Toby genannt: der etwa 1840 geborene Älteste der Gruppe, der Mann von Jenny sowie auch deren gemeinsamer Sohn. Nach dem Tod des Vaters nannte sich der Junge Benny, weil er nicht weiter den Namen des toten Vaters tragen sollte.[8] Die drei weiteren Männer der Gruppe kamen von der Nachbarinsel Hinchinbrook Island, darunter Billy, Bob und ein Mann ohne Namen.[9] Nur Billy, Jenny und ihr Sohn Benny überlebten die Völkerschau-Tournee.

In den 1880er Jahre wurde die Zahl der noch lebenden Aborigines auf 30.000 geschätzt.[10] Sie hatten sich sich im 17. Jh. gegen die Kolonisierung gewehrt und galten seither als „Bösewichte und Barbaren“.[11] Bereits Darwin hatte sie zusammen mit den Feuerländern „auf die niedrigste Stufe der Wildheit“ gestellt und als „niederträchtig“ und „erbärmlich“ bezeichnet.[12]

Auch Cunningham inszenierte die Aborigines als „Wilde“ und vermeintliche Kannibalen und ließ sie Piercings aus Knochen trugen. Die Schauen umfassten hauptsächlich Tänze mit Gesängen und Bumerangwerfen.[8] Von den Völkerschauen im Deutschen Reich, bei denen Cunningham auch mit Carl Hagenbeck kooperierte, sind Programmhefte überliefert, in denen er die Aborigines als Kannibalen beschrieb:

„Australische Kannibalen und Kannibalinnen / Unter der Leitung von R. A. Cunningham / Die erste und einzige Kolonie dieser fremden, wilden, scheußlichen und brutalen Rasse, die je aus den fernen, unbekannten Weltgegenden gebracht wurde, wo sie sich ständig mit Kämpfen und blutigen Überfällen beschäftigen, um das Fleisch ihrer Feinde zu verschlingen / Die niedrigste Stufe der Menschheit und ganz gewiss diejenige, die zu beobachten von allergrößtem Interesse für das Publikum ist.“[13]

Ein weiteres Zitat des Programmheftes bezeichnete sie unter anderem als „Ungeheuer“:

„Der einzige Trupp jener wilden tückischen, uncivilisirten Menschen, welche furchtbare Narben an ihrem Körper, und Knochen sowie große Ringe durch Nase und Ohren als Schmuck tragen. Wirklich blutdürstige Ungeheuer in abschreckend häßlich menschlicher Gestalt, mit äußerst wenigen Verstandeskräften und geringem Sprachvermögen begabt. Niedrigststehende Menschengattung“[4]

Verlauf der Völkerschau

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Auftritte in Nordamerika 1883/84

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Gruppe der 1883 neun Aborigines: vorne v.l.n.r.: Jenny, ihr Sohn Toby, ihr Mann Toby, Tambo und Sussy, hinten v.l.n.r. Bob, Name unbekannt, Billy und Jimmy.

Nach der Ankunft in San Francisco reiste die Gruppe mit dem Zug weiter an die amerikanische Ostküste.[14] Anfang Mai 1883 stießen die Aborigines in Baltimore zum Ethnological Congress of Strange Savage Tribes, der in Barnums Zirkus zusammen mit weiteren Gruppen von Zulus, Toda und Nubiern aufgeführt wurde. Angelockt durch Zeitungsinserate, in denen die „Australian Cannibals“ als letzte Exemplare dieser „hopeless embruited race“ angekündigt wurden, zählte die Völkerschau bereits am ersten Tag mehr als 30.000 Besucher.[15] Die Tournee führte durch zahlreiche weitere Städte der USA, darunter Chicago und St. Louis. Die Gruppe lernte während der Tournee Englisch und zeigte sich als sprachbegabt.[16] Unabhängig von den Auftritten in Barnums Zirkus ließ Cunningham seine Gruppe auch in Vergnügungsstätten und Kuriositätenkabinetten aller Art auftreten.[17] Als die Zirkustournee Ende 1883 in die Winterpause ging, versuchte Cunningham, die Gruppe in den damals populären „Dime-Museen“ auszustellen.

Titel der englischsprachigen Werbebroschüre von 1884 (National Archives, London)

Bei der Ankunft der Gruppe am 23. Februar 1884 in Cleveland (Ohio) brach Tambo zusammen und verstarb im Alter von etwa 21 Jahren.[18] Als mögliche Todesursache kamen laut Arztbericht eine Lungenentzündung oder Tuberkulose in Betracht.[19] Seine Frau Sussy trauerte viele Tage und weigerte sich zu essen. Die Gruppe musste unterdessen über zwei Wochen lang im Dime-Museum auftreten.[20] Als die anderen Gruppenmitglieder den Leichnam nach ihren Bestattungsriten beisetzen wollten, hielt Cunningham sie davon ab[18] und teilte der Gruppe drei Tage später mit, Tambo sei bereits beerdigt worden. Die Gruppe erfuhr nicht, dass der Direktor des Dime-Museums, in dem die Gruppe aufgetreten war, den Körper einbalsamieren und mumifizieren ließ, um ihn später in einer Glasvitrine auszustellen.[19] Während Tambos Tod in der Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erfuhr, versuchte Cunningham den Tod des Mannes, dessen Name nicht überliefert ist und der etwa zwei Wochen später vermutlich noch in Cleveland verstarb, zu verheimlichen. Obwohl die Gruppe eigentlich den Sommer über weiter mit Barnum touren sollte, entschied sich Cunningham nach dem Tod der beiden Männer offenbar kurzfristig, die Tournee in Europa als eigenständiger Impresario fortzusetzen.[21]

Auftritte in Europa

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Gruppe der 1884 sieben Aborigines, London 1884; v.l.n.r.: Billy, Jenny, ihr Sohn Toby, ihr Mann Toby, Sussy, Jimmy und vorne liegend Bob

Die noch sieben Personen zählende Gruppe der Aborigines kam Anfang April 1884 in London an. Ab dem 19. April stelle Cunningham sie im dortigen Crystal Palace zur Schau.[21] Im Mai blieben sie mehrere Woche in Brüssel, wo sie im Leopoldpark zur Schau gestellt wurden.[22] Dort wurde bei den meisten Gruppenmitglieder eine Lungentuberkulose diagnostiziert.[23] Von Brüssel fuhr die Gruppe nach Köln, wo sie im Juni 1884 in Castans Panoptikum auftraten.<[22] Die Kölnische Zeitung berichtete am 27. Juni 1884:

„Die Australneger. Köln, 26. Juni. Seit einiger Zeit üben unsere schwarzen Gäste, die dem niedrigst stehenden Teile der Menschheit angehören, eine große Zugkraft auf das hiesige Publicum und die durchreisenden Fremden aus. Herr Cunningham, der als Agent Barnums diese Neger im nördlichen Queensland durch Geschenke von Glasperlen und anderm Flitter bewogen hat, mit ihm an Bord zu gehen, reist jetzt auf seine Rechnung mit denselben durch Europa, wo sie als die ersten und vielleicht auch als die letzten Exemplare, dieser Rasse gesehen werden, denn ihre Stämme sollen in raschem Aussterben begriffen sein. Fünf Neger und vier Negerinnen hatte Herr C. aus Australien mitgenommen; zwei der letzteren starben in America. Das europäische Klima soll ihnen besser zusagen. Anderthalb Jahre sind sie schon auf Reisen, zwei von den Männern sprechen einiges Englisch, die übrigen nur ihre Muttersprache. Ihre Hauptwaffen sind Speer, Keule, Schild und der Bumerang, die sie sich selbst anfertigen und sehr geschickt gebrauchen. Der letztere ist das interessanteste in Form und Handhabung; es ist ein hartem Holze, meistens aus Baumwurzeln des Eukalyptus bearbeitetes, zu einem stumpfen Winkel gebogenes, etwa ein bis zwei Zoll breites flaches Holzstück, an seiner beiden Enden spitz zulaufend. Gestern nun gaben die Neger auf der Mülheimer Heide eine Vorstellung von der Handhabung ihrer Nationalwaffe. […] Wohl senkt sich der Bumerang auch, um wunderbarer Weise mals höher zu steigen, beschreibt zwei, drei und vier weite Kreise und kommt endlich in einer weiten Spirallinie wieder zu Boden, oft zu des Mannes, der ihn geschleudert, zurück.“[24]

Im Juli kam die Gruppe nach Berlin, wo sie drei Monate im Berliner Castans Panoptikum auf der Friedrichstraße auftrat.[25] Während der weiteren Tournee durch das Deutsche Reich verstarben vier weitere Mitglieder der Gruppe. Bob, der Älteste der Gruppe, starb am 7. November 1884 in Chemnitz.[26] Jimmy starb am 31. Mai 1885 im städtischen Hospital Darmstadt im Alter von 23 Jahren.[27] Ab dem 17. Juni 1885 wurde die Gruppe im Zoologischen Garten Elberfeld zur Schau gestellt. Dort kam es auch zu gewaltsamen Übergriffen gegen Mitglieder der Völkerschau-Gruppe.

„Die ‚Kannibalen‘ aus dem Zoo wurden auf dem Heimweg nach Sonnborn, wo sie untergebracht sind, von mehr als hundert Schaulustigen nicht nur umzingelt, sondern geradezu attackiert, wobei man ihnen fast die Kleider vom Leib riss. Einem Polizisten fiel nichts Besseres ein, als den ‚Wilden‘ Unruhestifterei zu unterstellen. Wir fragen uns, wie die Anklage lauten wird, denn die Australier waren europäisch gekleidet und können allenfalls durch ihre Hautfarbe den Aufruhr verursacht haben, so dass ihnen höchstens die dunkle Haut zur Last gelegt werden kann.“[28]

Die schwer erkrankte Sussy hatte an den Schauen in Elberfeld nicht mehr teilgenommen. Sie starb am 23. Juni 1884 mit erst 17 Jahren an Tuberkulose und wurde auf dem Friedhof von Sonnborn beigesetzt.[29] Jennys Mann Toby starb Anfang November 1885 in einem Pariser Krankenhaus an Tuberkulose.[30] Nur die Beerdingungen von Tambo in Cleveland und von Sussy in Wuppertal lösten eine breitere Berichterstattung in der Presse aus.[30]

Gruppe der 1885 drei Aborigines in Paris; v.l.n.r.: Jenny, Billy und Benny

Anfang 1886 kam die seit dem Aufenthalt in Paris nur noch drei Personen zählende Gruppe in der Absicht nach Liverpool, nach Australien zurückzukehren. Dann entschied sich Cunningham offenbar spontan, die Völkerschau doch weiter fortzusetzen. Es folgte eine weitere 18 Monate dauernde Tournee durch viele skandinavische Städte wie Kopenhagen und Stockholm, über St. Petersburg und Moskau, Kiew und Konstantinopel, bis nach Rom und Wien. Im Frühjahr 1887 kehrte die Gruppe wieder nach Großbritannien zurück.[31] Roslyn Poignant vermutet, dass Cunningham mit den drei überlebenden Aborigines Jenny, Billy und Benny im Sommer 1887 von England in die USA zurückgereist ist. Im Frühjahr bestieg Cunningham ein Schiff nach Sydney, wo er am 4. April 1888 ankam. Am 14. April erreichte er Townsville. Die Passagierlisten weisen die Aborigines nicht ausdrücklich aus, dennoch meint Poignant, dass die Reise nur der Rückkehr der drei Überlebenden in ihre Heimat gedient haben könne. Auch gab Cunningham in einem Interview 1888 in Melbourne an, die Gruppe nach Haus gebracht zu haben.[32]

Wissenschaftliche Untersuchungen

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Cunningham erhielt in Europa von verschiedenen Wissenschaftlern Zertifikate über die Echtheit der Aborigines.[33] Wissenschaftliche Untersuchungen und Vermessungen der Aborigines wurden im Mai 1884 von E. Houzé und V. Jacques in Brüssel,[34] im Juli 1884 von Rudolf Virchow in Berlin[35] und schließlich von Paul Topinard in Paris vorgenommen.[9] Außerdem wurden Gipsabgüsse ihrer Körper gefertigt, die noch heute im Museum für Völkerkunde Dresden aufbewahrt werden.[36]

Kritik an der Völkerschau

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So übte der Direktor des Westfälischen Zoologischen Gartens zu Münster Hermann Landois, wo die Gruppe Anfang August 1885 zur Schau gestellt wurde, deutliche Kritik an Cunningham und der Völkerschau der Aborigines:

„Zum Schluß kann ich nicht umhin, den Impresario der schwarzen Gesellschaft, Mr. Cunningham, näher zu charakterisiren. Virchow, Kirchhoff und Andere — und wir haben uns diesen angeschlossen — konnten ihm das Zeugniß nicht vorenthalten, daß die von ihm vorgeführten Australneger zu den interessantesten ethnographischen Schaustellungen gehören. Im übrigen charakterisirt sich das Unternehmen als die vollendetste, roheste Sklavenhändlerei. Er brachte 8 Individuen mit sich nach Amerika und von da nach Europa; im Verlauf eines Jahres sind bereits 4 gestorben. Die Wilden betteln fortwährend, verkaufen Reklamebücher und Photogramme Tag für Tag und säckeln das Geld ein, dessen Werth sie schon ziemlich kennen. Aber in Kurzem wird der Eine nach dem Andern gestorben und Mr. Cunningham schließlich der einzig überlebende lachende Erbe sein. Der Impresario machte mir gegenüber auch gar kein Hehl daraus, daß er nicht im geringsten beabsichtige, die Wilden wieder in ihre Heimath zurückzuführen, vielmehr sie als Opfer seiner Geldgier bis zum letzten Athemzuge auszunutzen. In der Tracht eines englischen Reverend und die mit Rhinozeroshaut überzogene Stahlstange in der Hand glich er von Kopf bis zum Fuß einem Sklaventreiber. Der Mensch nährte sich nur von Kaffee, Bier, Branntwein und einigen Butterbröden täglich! Bei uns in der kleinen Provinzial-Hauptstadt heimste er in 6 Tagen 1459,20 Mark ein, von welchen ich ihm allerdings die Halfte für die Kasse unseres zoologischen Gartens abknöpfte; als Einnahmen in anderen größeren Städten wies sein Notizbuch tägliche Summen von 500 bis 600 Mark nach! So etwas konnte nur ein Schüler Barnum's ersinnen.“[37]

Gedenkstein für Sussy in Wuppertal-Sonnborn

Ähnlich äußerte sich das Duisburger Tageblatt am 19. August 1885:

„Moderne Sklaverei. Gegenwärtig bereist ein Engländer Namens Cunningham mit einer Truppe Australneger unsere größeren Nachbarstädte und läßt die Ureinwohner für Geld sehen. Go hat er dieselben in Barmen, Krefeld, Münster und zulegt in einer Kneipe in Dortmund ausgestellt und weilt augenblicklich mit ihnen in Düsseldorf. Derartige Schaustellungen sind zwar recht interessant und lehrreich, im Grunde genommen sind sie aber nichts als Sklaverei.“[38]

Umgang mit sterblichen Überresten

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1993 wurde bei der Auflösung des Bestattungsunternehmens J. C. Smith in Cleveland Tambos mumifizierte Leiche entdeckt.[39] Anfang 1994 wurde sein Leichnam aus den Vereinigten Staaten überführt und am 23. Februar gemäß der Bestattungsriten der Aborigines auf Palm Island beigesetzt.[40] Auf der Grabstelle von Sussy auf dem Friedhof von Sonnborn (heute zu Wuppertal) wurde 2017 ein Gedenkstein eingeweiht.[41]

  • Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. Yale University Press, New Haven, London 2004, ISBN 978-0-300-20847-4.
  • Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Les éditions du Crieur Public, Hamburg 2012, ISBN 978-3-9815062-0-4, S. 232–241.
  • Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Die Hagenbeckschen Völkerschauen. Campus-Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-593-34071-2.

Einzelnachweise

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  1. Den Schwerpunkt des Bandes bildet aber die Völkerschau der Aborigines 1883–1888; Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 1–188.
  2. Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Frankfurt am Main 1989, S. 42.
  3. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 14.
  4. a b Hilke Thode-Arora: Für fünfzig Pfennig um die Welt. Frankfurt am Main 1989, S. 41.
  5. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 69–72.
  6. Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 237.
  7. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 21.
  8. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 171.
  9. a b Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 232.
  10. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 77.
  11. Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 234.
  12. Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 235.
  13. Raymond Corbey: Ethnografische Schaukästen: multimediale Erzählmuster. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 116–124, S. 120.
  14. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 76.
  15. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 89ff.
  16. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 95.
  17. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 106ff.
  18. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 105.
  19. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 106.
  20. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 107.
  21. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 16.
  22. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 125.
  23. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 127.
  24. Die Australneger. In: Kölnische Zeitung, 27. Juni 1884.
  25. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 129 f.
  26. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 144.
  27. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 153; Quelle: Standesamt Darmstadt, Sterbenebenregister 1885 Band 1, Nr. 391, veröffentlicht im Archivinformationssystem Hessen, abgerufen am 18. Dezember 2024
  28. Elias Dehnen: Verschleppt, vorgeführt – aber nicht vergessen. Online unter: Der Spiegel, 15. März 2022, abgerufen am 5. November 2024.
  29. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 160.
  30. a b Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 164.
  31. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 169–184.
  32. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 187.
  33. Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 233.
  34. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 125.
  35. Roslyn Poignant: Die Aborigines: „professionelle Wilde“ und Gefangene. In: Pascal Blanchard u. a. (Hrsg.): MenschenZoos. Schaufenster der Unmenschlichkeit. Hamburg 2012, S. 232-241, hier S. 239.
  36. Elias Dehnen: Verschleppt, vorgeführt – aber nicht vergessen. Online unter: Der Spiegel, 15. März 2022, abgerufen am 5. November 2024.
  37. Hermann Landois: Die Australneger, Münsterischer Anzeiger, 8. August 1885.
  38. Moderne Sklaverei, Duisburger Tageblatt, 19. August 1885.
  39. Roslyn Poignant: Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle. New Haven, London 2004, S. 1.
  40. Palm Island, vom 21. März 2018. In: Regierung von Queensland, abgerufen am 18. Dezember 2024.
  41. Das Schicksal eines Aborigine-Mädchens. In: Westdeutsche Zeitung. 3. Juli 2017, abgerufen am 18. Dezember 2024.