Die Geschenke des kleinen Volkes
Die Geschenke des kleinen Volkes ist ein Märchen (ATU 503). Es steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm ab der 6. Auflage von 1850 an Stelle 182 (KHM 182) und basiert auf Emil Sommers Der Berggeister Geschenke in Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen von 1846.[1]
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ein Schneider und ein buckliger Goldschmied begegnen im Mondschein kleinen, singenden Leuten, mit denen sie tanzen. Das Oberhaupt, ein Alter mit eisgrauem Bart, schert ihnen das Haar und schenkt ihnen je einen Haufen Kohlen, die sich über Nacht in Gold verwandeln. Der Goldschmied, der schon zuerst der furchtlosere war, geht noch einmal mit großen Taschen hin. Doch diesmal wird sein Gold wieder zu Kohle, auch das Haar wächst nicht wieder nach und er hat zwei Buckel, einen vorn und einen hinten. Der Schneider teilt mit ihm.
Herkunft
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Zaubermärchen mit Motiven der Sage ersetzte bei Grimm Die Erbsenprobe aus der 5. Auflage als Nr. 182. Sommers Vorlage Der Berggeister Geschenke. Mündlich aus Halle ist in der Handlung identisch, doch v. a. in der zweiten Hälfte etwas ausführlicher. Dafür fehlt die charakterisierende Rede des Schneiders, er heirate jetzt seinen „‚angenehmen Gegenstand‘ (wie er seine Liebste nannte)“. Dies entspricht der Charakterisierung anderer Schneider in Grimms Märchen. Ihre Anmerkung nennt zum Scheren der Haare Johann Karl August Musäus’ Märchen Stumme Liebe und erklärt die Entstellung des Geizigen als typische Strafe erzürnter Elfen, wie in Grimms Irische Elfenmärchen Nr. 3 Fingerhütchen und „einer Erzählung aus der Bretagne (bei Souvestre S. 180)“.[2] In einer Handschrift aus Grimms Nachlass erhalten zwei Mädchen für Dienst auf der Kindstaufe einer Kröte eine Schürze voll Kohlen, die zu Gold werden.[3]
Die Geschichte ist so ähnlich v. a. in Westeuropa bekannt. Essentieller für die Handlungsstruktur als die ambivalente Charakterbewertung der Missgestalt (in Europa meist ein Buckel) ist indes die missglückte Nachahmung, die auch in anderen Erzähltypen auftaucht. Vgl. KHM 13, 24, 29, 87, 89, 135, 142, 147, 165, 201, Musäus‘ Ulrich mit dem Bühel.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 266, 510. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Reclam-Verlag, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1)
- Heinz Rölleke (Hrsg.): Grimms Märchen und ihre Quellen. Die literarischen Vorlagen der Grimmschen Märchen synoptisch vorgestellt und kommentiert (= Schriftenreihe Literaturwissenschaft. Band 35). 2. Auflage. Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2004, ISBN 3-88476-717-8, S. 418–423, 578.
- Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 375–378.
- Hans-Jörg Uther: Gaben des kleinen Volkes. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 5. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1987, S. 637–642.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Sommer, Emil: Der Berggeister Geschenke. Mündlich aus Halle. In (Ders.): Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen. Erstes Heft. Halle 1846. S. 82–86.
- ↑ Wikisource: Grimms Anmerkung zu Die Geschichte des kleinen Volks
- ↑ Heinz Rölleke (Hrsg.): Märchen aus dem Nachlass der Brüder Grimm. 5. Auflage. WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 2001, ISBN 3-88476-471-3, S. 74, 113.