Emilia Roig

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Seitliches Porträt einer BIPoC Frau mit Locken, die leicht nach oben blickt. Sie steht vor einem gelb-orangenen Hintergrund und trägt ein Oberteil aus Jeansstoff.
Emilia Roig bei der Re:publica 2024

Emilia Zenzile Roig (* 10. April 1983 in Dourdan) ist eine französische Sachbuchautorin, Politologin und Aktivistin mit den Themenschwerpunkten im Bereich Intersektionalität. Sie vertritt antizionistische Positionen.

Emilia Roig wuchs in einem Vorort von Paris als Tochter eines jüdisch-algerischen Vaters und einer aus Martinique stammenden Mutter auf.[1][2] Der Vater ist Arzt, die Mutter Krankenschwester.[3] Roigs Eltern lernten sich in Französisch-Guyana kennen und ließen sich in der Nähe von Paris nieder.[4]

Sie studierte in Berlin an der Hertie School of Governance, an der sie einen Abschluss als Master of Public Policy erhielt.[5] Einen Master of Business Administration bekam sie von der Jean Moulin Universität in Lyon verliehen. 2015 wurde sie nach einer Förderung durch die Heinrich-Böll-Stiftung in Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin (Klaus Eder) und der Universität Lyon (Lilian Mathieu) mit einer Dissertation zum Thema The development of the private care sector and intersectional gender equality: comparing France and Germany im Rahmen eines Cotutelle-Verfahrens promoviert.[6]

Von 2007 bis 2011 arbeitete Roig zu Menschenrechtsfragen bei Amnesty International in Deutschland, bei der Internationalen Arbeitsorganisation der UN in Tansania und Uganda sowie bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Kambodscha. Von 2011 bis 2015 hatte sie Lehraufträge für Intersektionalitätstheorie, Postcolonial Studies und Critical Race Theory an der Humboldt-Universität und an der Freien Universität Berlin sowie für Internationales und Europäisches Recht an der Jean-Moulin-Universität in Lyon. Ab 2015 war sie Teaching Faculty im Social Justice Study Abroad Program der DePaul University in Chicago[7] und ab 2019 lehrte sie als Adjunct Faculty[8] an der Hertie School in Berlin.[9] Roig war Projektleiterin beim Deutschen Dachverband der Migrantinnenorganisationen (DaMigra). Sie wurde 2020 als Fellow in die amerikanische Non-Profit-Organisation Ashoka Deutschland aufgenommen.[10] Seit Januar 2024 ist sie Research Fellow am Käthe Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien an der Universität Heidelberg.[11]

Sie war 2020 Jurymitglied des Deutschen Sachbuchpreises des Deutschen Bibliotheksverbands und 2019 in der Jury des 25 Women Award der Edition F. Sie war Ende 2021 Teil der Kampagne „Lesbische Sichtbarkeit“ des Berliner Senats. 2022 wurde sie als „Most Influential Woman of the Year“ im Rahmen des Impact of Diversity Award gewählt.

Roig ist Mutter eines Sohnes, geschieden und lebt seit 2005 in Berlin.[12] Sie bezeichnet sich als queer.[13]

Center for Intersectional Justice (2017–2024)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Berlin gründete sie 2017 die Non-Profit-Organisation Center for Intersectional Justice e.V. (CIJ)[14] als gemeinnützigen Verein mit dem Ziel, Gleichstellungs- und Anti-Diskriminierungsarbeit in Deutschland und Europa um eine intersektionale Perspektive zu erweitern.[15] CIJ machte Lobbyarbeit, bot Trainings und Workshops, forschte und publizierte zu Themen im Bereich Intersektionalität. So veröffentlichte CIJ im Auftrag des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) 2019 einen Bericht über „Intersektionalität in Deutschland“. 2024 wurde die Schließung des Zentrums bekanntgegeben.[16]

Sachbuch Why We Matter (2021)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2021 erschien ihr erstes Buch unter dem Titel Why We Matter. Das Ende der Unterdrückung. Unter anderem anhand ihrer eigenen Familiengeschichte beschreibt sie aus intersektionaler Perspektive, wie Machthierarchien und Systeme der Unterdrückung erkannt und bekämpft werden können.[1][2] Das Buch wurde ein Bestseller und in den Feuilletons überregionaler Tageszeitungen besprochen.[17] Es erschien auf der Sachbuch-Bestenliste für März 2021 von Deutschlandfunk Kultur, dem ZDF und der Zeit.[18] Es wurde auf Platz 14 auf der Spiegel-Bestsellerliste im Februar 2021 gelistet sowie zu den Top 5 Büchern des Monats im März 2021 bei der Süddeutschen Zeitung.[19]

Sachbuch Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe (2023)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

2023 veröffentlichte Emilia Roig das Sachbuch Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe | Feministische Impulse für die Abschaffung einer patriarchalen Institution, in dem sie für eine graduelle Abschaffung der Ehe und aller anderen rechtlich geregelten Paarbeziehungen plädierte.[20][21] Sie argumentierte, dass die Ehe generell eine „authentische Liebe“ nicht ermögliche,[22] da sie auf dem Patriarchat fuße,[21] eine Gleichstellung sei per se nicht möglich, da die Ehe auf dem „Konzept von Besitz und Kontrolle der Frauen“ beruhe.[23] Als Alternative sieht sie eine „Dezentralisierung der Sexualität“ in Paarbeziehungen.[24] Queere Familienstrukturen, die auch Polyamorie und Co-Parenting beinhalten, sind Teil ihres Lösungsszenariums.[25]

Israelkritik und Antisemitismusvorwürfe

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mirna Funk warf Roigs Buch Why we Matter 2023 in der Welt Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus vor, insbesondere ihrer These, Juden seien immer weiß gewesen und die Nationalsozialisten hätten sie als nicht-weiße Rasse erst konstruiert.[26] Roig entgegnete darauf, sie habe dies im Buch so nicht geschrieben, die Aussage sei diffamierend.[27] Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 bezeichnete Roig Israels Handeln als „Genozid“[28] und „Besatzung“. Nicole Deitelhoff kritisierte diese Positionen bei der von Carolin Emcke moderierten Veranstaltung Streitraum.[29] Barbara Behrendt kritisierte bei rbbKultur, dass Emcke der Bezeichnung „Genozid“ nicht widersprach.[30] Dana von Suffrin warf Roig für ihre Aussagen zum angeblichen Genozid Israels auf Spiegel Online Antisemitismus vor.[31] Bei der Diskussionsveranstaltung „Jüdischsein im antisemitischen und philosemitischen Klima Deutschlands“ am 9. Dezember in Berlin sagte Roig, der Zionismus sei kein integraler Bestandteil des Judentums, sondern eine Ideologie des 20. Jahrhunderts, die von einer Minderheit einflussreicher aschkenasischer Juden vorangetrieben und von westlichen Großmächten unterstützt worden sei. Als nicht-zionistische jüdische Stimme in Deutschland fühle sie sich unterdrückt und diffamiert.[32] Im Januar 2024 sagte die Region Hannover aufgrund der Aussagen zu Israel einen für Februar geplanten Frauenneujahrsempfang ab, zu dem Roig als Rednerin geladen war.[33] In einem Spiegel-Streitgespräch warf Philip Peyman Engel Roig vor, israelischen Ethnonationalismus zu kritisieren, ohne das Land jemals besucht zu haben. Roig entgegnete, dass sie nicht in Israel gewesen sein müsse, um die wiederholten Menschenrechtsverbrechen der israelischen Regierung feststellen zu können. Israel nehme für sich in Anspruch, „für alle Juden und Jüdinnen der Welt zu sprechen.“[34] Die Jüdische Studierendenunion und die Jüdische Allgemeine kritisierten einen von Roig gehaltenen Vortrag an der FU Berlin im Juli 2024 zum Thema „Ist Antizionismus antisemitisch?“.[35][36][37] Andrea Kiewel kritisierte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock im September dafür, mit Roig und Alena Jabarine Autorinnen zu einem Abendessen eingeladen zu haben, die den Terror der Hamas relativierten.[38]

Schriften (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • 2021: Edition F Award in der Kategorie „Gesellschaft“[40]
  • 2022: gewählt zur „Most Influential Woman of the Year“ im Rahmen des Impact of Diversity Award[41]
Commons: Emilia Roig – Sammlung von Bildern und Videos

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Politologin über Rassismus – „Unterdrückungssysteme werden täglich verleugnet“. In: deutschlandfunk.de. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  2. a b "Why We Matter" – ttt – titel, thesen, temperamente – ARD. In: daserste.de. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  3. Madlen Haarbach: Tagesspiegel Leute: Neukölln, vom 14. April 2021.
  4. Emilia Roig: Why We Matter: Das Ende der Unterdrückung. Aufbau Verlag, Berlin 2021, ISBN 978-3-351-03847-2.
  5. Alum-spiration: “The corona crisis can be seen as an opportunity for transformation”. In: hertie-school.org. Abgerufen am 11. Februar 2021 (englisch).
  6. Emilia Roig. Abgerufen am 19. Mai 2024.
  7. Faculty. In: depaul.edu. College of Law, DePaul University, Chicago, abgerufen am 11. Februar 2021.
  8. Emilia Roig. Abgerufen am 2. April 2023 (englisch).
  9. Summary of Gender, Race, Class: Intersectionality & Social Inequalities. In: hertie-school.org. Abgerufen am 11. Februar 2021.
  10. Ashoka: Outrage As A Precursor To Justice. In: forbes.com. Abgerufen am 11. Februar 2021 (englisch).
  11. Emilia Roig. In: Universität Heidelberg. Abgerufen am 21. Mai 2024.
  12. Interview über Diskriminierungen – «Schwarze Männer und weisse Frauen haben Mühe, ihre Privilegien anzuerkennen». In: tagesanzeiger.ch. Abgerufen am 5. März 2022.
  13. „Vor jeder großen, guten Entwicklung gibt es Chaos und Widerstand“. In: l-mag.de. Abgerufen am 7. März 2022.
  14. Center for Insectional Justice. Abgerufen am 15. Januar 2023.
  15. Intersektionalität als Praxis: Interview mit Emilia Roig. In: pocolit.com. Abgerufen am 10. Februar 2021.
  16. https://fb.watch/ueuQnsY8xm/
  17. Rezensionsnotizen im Perlentaucher
  18. Leseempfehlungen: Sachbuch-Bestenliste für März 2021. In: zdf.de. Abgerufen am 15. Januar 2023.
  19. Felix Stephan, Gustav Seibt, Sonja Zekri, Renate Meinhof, Alex Rühle: Bücher des Monats: SZ Buchtipps. In: sueddeutsche.de. Abgerufen am 15. Januar 2023.
  20. Sabine Magnet: Ist die Ehe überholt? Emilia Roig plädiert für „Das Ende der Ehe“. In: Vogue. 5. Mai 2023, abgerufen am 14. Juli 2024.
  21. a b Alexander Bos: Bestsellerautorin Emilia Roig: „Eine unpatriarchale Ehe kann es gar nicht geben“. In: RP Online. 21. Mai 2024, abgerufen am 14. Juli 2024.
  22. Birgit Querengäßer: »Die Ehe verhindert eine authentische Liebe«. In: SZ-Magazin. 31. März 2023, abgerufen am 14. Juli 2024.
  23. Sarah Langer: Das Ende der Ehe? Zukunftsaussichten einer alten Institution. In: National Geographic Deutschland. 3. April 2024, abgerufen am 14. Juli 2024.
  24. Merièm Strupler: Feministische Revolution: «Freundschaften haben subversives Potenzial». In: WOZ. 5. März 2024, abgerufen am 14. Juli 2024.
  25. Emilia Roig: Das Ende der Ehe: Für eine Revolution der Liebe | Feministische Impulse für die Abschaffung einer patriarchalen Institution. 1. Auflage. Ullstein, 2023.
  26. Antisemitismus: Das neue Narrativ des privilegierten Juden - WELT. 3. März 2023, abgerufen am 28. Oktober 2023.
  27. Feministische Revolution: «Freundschaften haben subversives Potenzial». In: WOZ. 7. März 2024, abgerufen am 21. Mai 2024.
  28. Susanne Lenz: Berliner Kulturzentrum veröffentlicht Israel-Statement und wirft Kultursenator Zensur vor. 19. Oktober 2023, abgerufen am 28. Oktober 2023.
  29. „Quo vadis, Naher Osten?“: Aus der Trickkiste des postkolonialen Aktivismus - WELT. 30. Oktober 2023, abgerufen am 30. Oktober 2023.
  30. "Gewalt und Trauma - quo vadis, Naher Osten". Abgerufen am 3. November 2023.
  31. Dana von Suffrin: (S+) Antisemitismus: Das Deutschland, vor dem unsere Eltern uns immer gewarnt haben. In: Der Spiegel. 13. November 2023, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 14. November 2023]).
  32. Emilia Roig, Candice Breitz und Tomer Dotan-Dreyfus: »Deutsche Befindlichkeiten stehen wie immer im Mittelpunkt«. Abgerufen am 29. Dezember 2023.
  33. Mathias Klein: Israelfeindliche Rednerin: Region Hannover sagt Neujahrsempfang für Frauen ab. 23. Januar 2024, abgerufen am 24. Januar 2024.
  34. Laura Backes, Tobias Rapp: (S+) Israel-Gaza-Konflikt: Emilia Roig und Philipp Peyman Engel streiten über den Krieg im Nahen Osten. In: Der Spiegel. 19. Mai 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 19. Mai 2024]).
  35. Antisemitismus: JSUD kritisiert Vortrag von Emilia Roig an FU Berlin. In: Jüdische Allgemeine. 5. Juli 2024, abgerufen am 7. Juli 2024.
  36. Joshua Schultheis: Emilia Roig nutzt ihr Recht auf Narrenfreiheit ausgiebig. In: Jüdische Allgemeine. 9. Juli 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  37. Hanna Veiler: FU Berlin: Jetzt auch noch Emilia Roig. In: Jüdische Allgemeine. 10. Juli 2024, abgerufen am 13. Juli 2024.
  38. Andrea Kiewel: Offener Brief von Andrea Kiewel an Annalena Baerbock: Speisen Sie nur mit den Feinden Israels? 23. September 2024, abgerufen am 24. September 2024.
  39. Noch lange nicht gleichberechtigt – Emilia Roig und andere setzen die Buch-Reihe „Unlearn Patriarchy“ fort. In: SWR Kultur. Abgerufen am 17. März 2024.
  40. Wege aus der Krise: Das sind die Gewinner*innen des EDITION F Awards. In: EDITION F. 29. Oktober 2021, abgerufen am 13. Januar 2023.
  41. Diversitätspreis "Impact of Diversity 2022" verliehen / deutsch-französische Aktivistin Emilia Roig erhält Hauptpreis. In: presseportal.de. Abgerufen am 13. Januar 2023.