Estlink-2-Vorfall in der Ostsee 2024
Der Estlink-2-Vorfall in der Ostsee 2024 geschah am 25. Dezember 2024 in der Ostsee vor der Küste von Finnland, als die Betreiberorganisation Fingrid des Stromkabels Estlink 2, das Estland mit Finnland verbindet, den vollständigen Ausfall der Verbindung meldete. Der Tanker Eagle S überquerte zu dieser Zeit das Seekabel und wies laut MarineTraffic ein ungewöhnliches Fahrverhalten auf. Die finnische Küstenwache reagierte schnell, stoppte den Tanker noch in finnischen Küstengewässern und ging an Bord. Dort wurde der Verlust eines Ankers festgestellt. Finnland verdächtigte den Tanker, den die NATO zur russischen Schattenflotte zählt, der „schweren Sabotage“ und beschlagnahmte das Schiff. Der Tanker wurde anschließend in die Nähe des finnischen Hafens Sköldvik verlegt, um die Ermittlungen der finnischen Behörden zu erleichtern.
Beschädigung von Seekabeln
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 25. Dezember verließ der Öltanker Eagle S den russischen, eisfreien Ostseehafen in Ust-Luga um 3 Uhr und 45 Minuten am morgen mit Zielhafen Port Said in Ägypten.[1] Am selben Tag überquerte der Tanker das Unterseekabel Estlink 2 im Finnischen Meerbusen. Zur gleichen Zeit meldete das Unternehmen Fingrid einen Stromausfall auf dem Kabel.[2] GPS-Daten zeigen, dass das Schiff mitten auf der Ostsee plötzlich eine Schleife fuhr.[3] Die Besatzung eines Patrouillenbootes des finnischen Grenzschuutzes stellte fest, dass eine Ankerkette der Eagle S im Wasser hing, und schöpfte Verdacht. Nachdem die Tankerbesatzung nach Aufforderung, den Anker einzuholen, die Kette hochgezogen hatte, kam zum Vorschein, dass der Backbordanker fehlte.[4] Die Küstenwache brachte das Schiff daraufhin auf, geleitete es in finnische Küstengewässer und ging an Bord.[2]
Am 28. Dezember 2024 verlegte die finnische Polizei das Schiff – das laut Zoll 35000 Tonnen bleifreies Benzin geladen hat –[5] aus dem Finnischen Meerbusen in die Nähe von Svartbäck in der Bucht Svartbäckfjärden nahe dem Hafen Sköldvik, um der Polizeiabteilung im Innenministerium (finn. Keskusrikospoliisi, KRP) die weiteren Ermittlungen zu erleichtern.[6] Das Amtsgericht der finnischen Hauptstadt Helsinki entschied Anfang 2025, dass das Schiff weiter beschlagnahmt bleibt.[7]
Die Strafermittlungen betreffen Schwere Sabotage (Kap. 34/§3 finnisches StGB).[8] Bis zum 31. Dezember 2024 kam es zu keiner Verhaftung, aber sieben Besatzungsmitglieder werden verdächtigt, Straftaten begangen zu haben, gegen sie wurde ein Ausreiseverbot verhängt.[9] Die Besatzung zählt insgesamt 24 Personen[9] aus Georgien und Indien, die entweder als Zeugen oder als Beschuldigte geführt werden.[10] Die Ermittlungen werden von der finnischen Polizei geführt, zusätzlich dazu führt die finnische Transportbehörde Traficom eigene Ermittlungen zum Tanker „Eagle S“ durch. Wie Traficom-Chefin Sanna Sonninen am 1. Januar 2025 bekanntgab, sei unter anderem eine „Kontrollinspektion“ geplant. Am Montag, dem 30. Dezember 2025 entdeckten die Ermittler nach eigenen Angaben eine dutzende Kilometer lange Schleifspur am Meeresboden.[11]
Neben dem Ausfall der Stromverbindung EstLink 2 wurden an Weihnachten auch Störungen mehrerer Kommunikationskabel in der Ostsee bekannt. Drei davon verlaufen einem Bericht des finnischen Rundfunksenders Yle zufolge zwischen Finnland und Estland, eines zwischen Finnland und Deutschland.[12]
Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Europäische Union
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Europäische Union geht davon aus, dass die Eagle S Teil von Russlands Schattenflotte ist, mit der Russland das vor zwei Jahren verhängte Öl-Embargo umgeht.[13]
Die EU-Kommission kündigte als Reaktion am 26. Dezember 2024 die Verhängung von Sanktionen gegen Russlands Schattenflotte an. Man werde „weitere Maßnahmen, einschließlich Sanktionen, vorschlagen, die sich gegen diese Flotte richten“. Das verdächtige Schiff sei „Teil der russischen Schattenflotte, die die Sicherheit und die Umwelt bedroht und gleichzeitig Russlands Kriegshaushalt finanziert“. Sie lobte „die finnischen Behörden für ihr schnelles Handeln bei der Aufbringung des verdächtigen Schiffes“ und verurteilte „jede vorsätzliche Zerstörung der kritischen Infrastruktur Europas“. Laut Fingrid dauert die Reparatur der 170 Kilometer langen Verbindungsleitung „Estlink 2“ voraussichtlich zwei Monate. Der Ausfall der Leitung, die 650 MW überträgt,[3] könne im Winter zu einer angespannten Stromversorgungslage führen.[14] Russland betreibt eine sogenannte Schattenflotte aus alten Öltankern, mit denen es Rohöl und Ölprodukte exportiert. Damit umgeht es Sanktionen, die westliche Länder gegen Russland 2022 nach dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängt haben.
Estland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Estlands Verteidigungsminister Hanno Pevkur kündigte an, Patrouillenschiffe in die Nähe der verbliebenen Verbindung EstLink 1 zu entsenden, um diese zu schützen.
NATO
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die NATO hat eine höhere Militärpräsenz in der Ostsee angekündigt.[15] Einen Monat zuvor waren mit C-Lion1 und BCS East-West Interlink bereits zwei Seekabel durchtrennt worden.
Weitere Sicherheitsexperten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Sicherheitsexperte Brake äußerte gegenüber der Tagesschau: Wie zuletzt beim Sabotage-Fall vor Finnland müsse man „sofort reagieren, wenn Verdachtsmomente sich verhärten und dann auch weitere Schäden stoppen. Denn das Schiff wurde auf dem Weg mit schleifendem Anker in Richtung weiterer wichtiger Kabel und Stromverbindungen gestoppt.“[16]
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ [1], abgerufen am 31. Dezember 2024
- ↑ a b Finnland verdächtigt Öltanker der Sabotage. tagesschau.de, 26. Dezember 2024, abgerufen am 28. Dezember 2024.
- ↑ a b Estland will Unterseekabel mit Marine schützen. Abgerufen am 4. Januar 2025.
- ↑ Julia Wäschenbach: Finnland vermutet Sabotage hinter Schäden an Unterseekabeln. Abgerufen am 4. Januar 2025.
- ↑ https://yle.fi/a/7-10069708/64-3-253957
- ↑ The police transfer tanker Eagle S to Kilpilahti. Finnische Küstenwache, 28. Dezember 2024, abgerufen am 29. Dezember 2024 (englisch).
- ↑ EURONEWS über yahoo News Nachrichten News: Sabotage an Estlink-2: Eagle S Besatzung festgenommen, abgerufen am 3. Januar 2025
- ↑ Nach Kabel-Schaden in Ostsee - EU erwägt Sanktionen gegen russische Schattenflotte. Deutschlandfunk, 27. Dezember 2024, abgerufen am 29. Dezember 2024: „Sie nahmen Ermittlungen wegen schwerer Sabotage auf.“
- ↑ a b https://www.hbl.fi/2024-12-31/polisen-om-eagle-s-sju-personer-ar-misstankta/
- ↑ In Finnland festgesetzter "Schattenflotten"-Tanker soll in Dänemark geprüft worden sein - Finnland - derStandard.at › International. In: derstandard.at. Abgerufen am 29. Dezember 2024.
- ↑ Morgenpost: Russische Schattenflotte. Defekte Ostseekabel: Finnland nimmt Tanker „Eagle S“ ins Visier. Ausgabe vom 2. Januar 2025, abgerufen am 3. Januar 2025
- ↑ Tagesschau vom 27. Dezember 2024: Nach Ausfall von EstLink 2. Estland will Unterseekabel mit Marine schützen, abgerufen am 31. Dezember 2024
- ↑ Nach Kabel-Schaden in Ostsee - EU erwägt Sanktionen gegen russische Schattenflotte. Deutschlandfunk, 27. Dezember 2024, abgerufen am 29. Dezember 2024.
- ↑ https://orf.at/stories/3380013/
- ↑ Estland will Unterseekabel mit Marine schützen (27. Dezember 2024)
- ↑ Tagesschau: Infrastruktur in der Ostsee. Viel Raum für Sabotage, Stand: 04.01.2025 05:55 Uhr, abgerufen am 4. Januar 2025