Fährtensandstein
Fährtensandstein ist die historische Bezeichnung für Sandsteine, deren Schichtflächen häufig fossile Trittsiegel oder ganze fossile Fährten von Landwirbeltieren (Tetrapoda) aufweisen.[1] Solche Sandsteine sind heute aus zahlreichen geologischen Epochen (Oberdevon und jünger) und von allen Kontinenten bekannt. Einige dieser Sandsteinhorizonte tragen sogar die Namen der in ihnen enthaltenen Spuren, u. a. der nach der Archosaurierspur Chirotherium benannte Thüringer Chirotheriensandstein der Solling-Folge (Mittlerer Buntsandstein). Der Thüringer Chirotheriensandstein, dessen Spurenführung bereits in den 1830er Jahren enormes wissenschaftliches Interesse hervorrief,[2] kann als „Archetyp“ eines Fährtensandsteins betrachtet werden.
Da die Spuren von Landlebewesen stammen, handelt es sich folglich um Sandsteine terrestrischer oder randmariner Ablagerungsmilieus. Sedimentologische Befunde zeigen, dass die meisten der fährtenführenden Sandsteine durch Fließgewässer, im Uferbereich von Seen oder in Küstenregionen (Sandwatt) abgelagert worden sein müssen. Nur relativ wenige dieser Sandsteine gehen auf äolische Bildungen (Dünen) zurück.
Die Trittsiegel sind entweder erhaben auf Schichtunterseiten (sogenannte konvexe Hyporeliefs) oder als Hohlform auf Schichtoberseiten (konkaves Epirelief) erhalten. Mit den Spuren sind oft auch Sedimentstrukturen überliefert, z. B. Trockenrissfüllungen (bei Hyporeliefs) oder Rippelmarken.
Da einige fossile Tetrapodenspuren (bestimmte sogenannte Spurengattungen oder -arten) oder ein gemeinsames Auftreten bestimmter Spurengattungen oder -arten charakteristisch für bestimmte geologische Epochen sind,[3] werden sie, insofern sich keine besseren Möglichkeiten bieten (z. B. charakteristische Körperfossilien oder Möglichkeiten der radiometrischen Datierung), zur Altersbestimmung der entsprechenden Sandsteine genutzt.[4]
In der heutigen geologischen und paläontologischen Literatur wird der Begriff „Fährtensandstein“ (wie auch andere, ähnlich geartete historische Bezeichnungen, wie z. B. „Kräuterschiefer“) nicht mehr verwendet.
Beispiele für „Fährtensandsteine“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Folgende lithostratigraphische Einheiten (Auswahl) enthalten Sandsteinhorizonte, die prinzipiell mit dem historischen Begriff „Fährtensandstein“ bezeichnet werden können oder seinerzeit sogar bezeichnet worden sind. Die Spuren stammen überwiegend von den in den terrestrischen Ökosystemen des jeweiligen geologischen Zeitalters dominierenden Wirbeltiergruppen.
Karbon
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von basaleren Tetrapoden („Labyrinthodontier“).
- Tynemouth-Creek-Formation (unteres Pennsylvanium des Cumberland-Beckens, New Brunswick, Kanada)[5]
- Grand-Anse-Formation (unteres Pennsylvanium des Cumberland-Beckens, New Brunswick, Kanada), ist eines der ältesten Vorkommen von Fährten und Trittsiegeln von Amnioten[6]
- Joggins-Formation (unteres Pennsylvanium des Cumberland-Beckens, Nova Scotia, Kanada), enthält die mit weniger als 2 mm Länge bislang kleinsten Tetrapodentrittsiegel[7] (siehe auch → Joggins Fossil Cliffs)
Perm
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von basaleren Tetrapoden („Labyrinthodontier“, „Cotylosaurier“) und basalen Synapsiden („Pelycosaurier“ und basale Therapsiden).
- Tambach-Sandstein (Tambach-Formation, Oberrotliegend des Thüringer Waldes, siehe → Bromacker)[8]
- Cornberger Sandstein (Oberstes Rotliegend der Hessischen Senke)[9]
- Rotliegend-Äquivalente des Tiddas-Beckens (Marokko)[10]
- Choza-Formation (Clear-Fork-Gruppe, Unterperm von Nord-Texas, USA)[11]
- Robledo-Mountains-Formation (auch Robledo-Mountains-Subformation der Hueco-Formation, Unterperm von New Mexico, USA)[12][13]
Trias
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von basalen Archosauriern („Thecodontier“) und basalen Therapsiden (Unter- und Mitteltrias) sowie von frühen Dinosauriern (Obertrias).
- Thüringer Chirotheriensandstein und Rötquarzit/Fränkischer Chirotheriensandstein (Mittlerer bzw. Oberer Buntsandstein, obere Unter- bzw. unterste Mitteltrias des Germanischen Beckens; bedeutende Vorkommen befinden sich u. a. bei Jena, Hildburghausen, Eiterfeld, Bad Kissingen, Kulmbach und Bad Karlshafen)[14]
- Auchenhew-Schichten (Untertrias der Isle of Arran, Schottland)[15]
- Tanameurt-Subformation (Timezgadiwine-Formation, Untertrias des Arganabeckens, Marokko)[4]
- Helsby-Sandstein (Unter-/Mitteltrias von NW-England)[16]
- Richthofen-Konglomerat („Tretto conglomerate“, Mitteltrias von Norditalien)[17]
- diverse Sandsteinhorizonte des Keuper von Nord-Bayern (Obertrias)[18]
- Val-Sabbia-Sandstein (Obertrias von Norditalien)[19]
- Chinle-Formation (Obertrias, westliche USA)[20]
Jura
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von Dinosauriern.
- Portland-Formation (Newark-Supergruppe, Unterjura des Hartford-Beckens, Connecticut und Massachusetts, USA)[21]
- Moenave-Formation und Kayenta-Formation (Glen-Canyon-Gruppe, Unterjura des südöstlichen Colorado-Plateaus, Arizona und Utah, USA)[22][23]
Kreide
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von Dinosauriern.
- Obernkirchen-Sandstein, (Bückeberg-Formation, untere Unterkreide des Niedersächsischen Beckens)[24]
- Broome-Sandstein (untere Unterkreide der Kimberley-Region, Australien)[25]
- Tongfosi-Formation (Yanji-Gruppe, mittlere Unterkreide der Mandschurei, China)[26]
- Hekou-Gruppe (Unterkreide der Gansu-Provinz, China)[27]
Paläogen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von Säugetieren und Vögeln.
- Kashkan-Formation (?Paläozän-Eozän des Zagros-Beckens, Iran)[28]
- Puget-Gruppe (Eozän des westlichen Vorlands des Kaskadengebirges, US-Bundesstaat Washington)[29]
- diverse Formationen im Nordwesten des Ebro-Beckens (Eozän bis frühes Miozän, Navarra, Spanien)[30]
Neogen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Fährten stammen überwiegend von Säugetieren und Vögeln.
- Rohrbach-Formation (Rohrbacher Konglomerat, oberes Miozän und unteres Pliozän des Wiener Beckens, Österreich)[31][32]
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bernhard von Cotta: Leitfaden und Vademecum der Geognosie als dritte Auflage des Grundrisses der Geognosie und Geologie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden & Leipzig 1849, S. 162, online
- ↑ Hartmut Haubold: Die Saurierfährten Chirotherium barthii Kaup, 1835 - das Typusmaterial aus dem Buntsandstein bei Hildburghausen/Thüringen und das „Chirotherium-Monument“. Veröffentlichungen des Naturhistorischen Museums Schleusingen. Bd. 21, 2006, S. 3–31
- ↑ Spencer G. Lucas: Tetrapod Footprint Biostratigraphy and Biochronology. Ichnos. Bd. 14, Nr. 1–2, 2007, S. 5–38, doi:10.1080/10420940601006792
- ↑ a b Abdelilah Tourani, Naima Benaouiss, Georges Gand, Sylvie Bourquin, Nour-Eddine Jalil, Jean Broutin, Bernard Battail, Damien Germain, Fatima Khaldoune, Soumaya Sebban, Jean-Sébastien Steyer, Renaud Vacant: Evidence of an Early Triassic age (Olenekian) in Argana Basin (High Atlas, Morocco) based on new chirotherioid traces. Comptes Rendus Palevol. Bd. 9, Nr. 5, 2010, S. 201–208, doi:10.1016/j.crpv.2010.05.001
- ↑ Howard J. Falcon-Lang, Martin R. Gibling, Michael J. Benton, Randall F. Miller, Arden R. Bashforth: Diverse tetrapod trackways in the Lower Pennsylvanian Tynemouth Creek Formation, near St. Martins, southern New Brunswick, Canada. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Bd. 296, Nr. 1–2, 2010, S. 1–13, doi:10.1016/j.palaeo.2010.06.020
- ↑ Howard J. Falcon-Lang, Michael J. Benton, Matthew Stimson: Ecology of earliest reptiles inferred from basal Pennsylvanian trackways. Journal of the Geological Society. Bd .164, Nr. 6, 2007, S. 1113–1118, doi:10.1144/0016-76492007-015 (Alternativer Volltextzugriff: The Palaeobiology Research Group ( des vom 7. Dezember 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. PDF 394 kB)
- ↑ Matt Stimson, Spencer G. Lucas, Gloria Melanson: The Smallest Known Tetrapod Footprints: Batrachichnus salamandroides from the Carboniferous of Joggins, Nova Scotia, Canada. Ichnos: An International Journal for Plant and Animal Traces. Bd. 19, Nr. 3, 2012, S. 127–140, doi:10.1080/10420940.2012.685206
- ↑ Sebastian Voigt: Die Tetrapodenichnofauna des kontinentalen Oberkarbon und Perm im Thüringer Wald - Ichnotaxonomie, Paläoökologie und Biostratigraphie. Göttingen, 2005, 308 S., ISBN 3-86537-432-8.
- ↑ Reinhard E. Gast: Cornberg outcrops revisited (Hessen, Germany): The depositional environment of its saurian tracks and Weissliegend Sandstones. Meyniana. Bd. 46, 1994, S. 59–75
- ↑ Sebastian Voigt, Abdelouahed Lagnaoui, Abdelkbir Hminna, Hafid Saber, Jörg W. Schneider: Revisional notes on the Permian tetrapod ichnofauna from the Tiddas Basin, central Morocco. Palaeogeography, Palaeoclimatology, Palaeoecology. Vol. 302, Nr. 3–4, 2011, S. 474–483 doi:10.1016/j.palaeo.2011.02.010
- ↑ Hartmut Haubold, Spencer G. Lucas: Die Tetrapodenfährten der Choza Formation (Texas) und das Artinsk-Alter der Redbed-Ichnofaunen des Unteren Perm. Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften. Bd. B 23, 2001, S. 79–108
- ↑ Spencer G. Lucas, Orin J. Anderson, Andrew B. Heckert, Adrian P. Hunt: Geology of Early Permian tracksites, Robledo Mountains, south-central New Mexico. In: Spencer G. Lucas, Andrew B. Heckert (Hrsg.): Early Permian footprints and facies. New Mexico Museum of Natural History and Science Bulletin. Bd. 6, 1995, S. 13–32, online
- ↑ Mark F. Schult: Vertebrate trackways from the Robledo Mountains Member of the Hueco Formation, south-central New Mexico. In: Spencer G. Lucas, Andrew B. Heckert (Hrsg.): Early Permian footprints and facies. New Mexico Museum of Natural History and Science Bulletin. Bd. 6, 1995, S. 115–126, online
- ↑ Hartmut Haubold: Offizieller Brief mit Bewertung der Fährtenfundstelle Eiterfeld. Veröffentlicht auf der Webseite der Interessengemeinschaft Saurierspuren Eiterfeld e. V.
- ↑ N. D. L. Clark, P. Aspen, H. Corrance: Chirotherium barthii Kaup 1835 from the Triassic of the Isle of Arran, Scotland. Scottish Journal of Geology. Bd. 38, Nr. 2, 2002, S. 83–92, online (Digitaler Nachdruck; PDF; 18,2 MB)
- ↑ Mike Batty: Chirotherium and Its Domain: A Redescription of Rediscovered Specimens from Northwest England. The Geological Curator. Bd. 8, Nr. 9, 2008, 437–454, online (Komplettes Heft; PDF; 5,9 MB)
- ↑ Rossana Todesco, Massimo Bernardi: Una nuova icnoassociazione a vertebrati nel Triassico medio (Anisico) del Trentino meridionale (Val Gerlano, Vallarsa). Studi Trentini di Scienze Naturali. Bd. 88, S. 203–218, online (PDF; 321 kB)
- ↑ Hartmut Haubold, Hendrik Klein: Die dinosauroiden Fährten Parachirotherium – Atreipus – Grallator aus dem unteren Mittelkeuper (Obere Trias: Ladin, Karn, ?Nor) in Franken. Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften. Bd. B 22, 2000, S. 59–85
- ↑ Fabio Massimo Petti, Marco Avanzini, Umberto Nicosia, Stefano Girardi, Massimo Bernardi, Paolo Ferretti, Paolo schirolli, Cristiano dal Sasso: Late Triassic (Early-Middle Carnian) Chirotherian Tracks from the Val Sabbia Sandstone (Eastern Lombardy, Brescian Prealps, Northern Italy). Rivista Italiana di Paleontologia e Stratigrafia. Bd. 15. Nr. 3, 2009, S. 277–290, doi:10.13130/2039-4942/6384
- ↑ Adrian P. Hunt, Spencer G. Lucas: Late Triassic Tetrapod Tracks of Western North America. In: Spencer G. Lucas, Justin A. Spielmann (Hrsg.): Triassic of the American West. New Mexico Museum of Natural History and Science Bulletin. Bd. 40, 2007, S. 215–230, online
- ↑ J. Collette, P. Getty, J. Hagadorn. Insights into an Early Jurassic dinosaur habitat: ichnofacies and enigmatic structures from the Portland Formation, Hoover Quarry, Massachusetts, U.S.A. Atlantic Geology. Bd. 47, 2011, S. 81–88, online (PDF; 1,9 MB)
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